Es wurde das weltweit größte Gathering von Frauen und Queers. Am vergangenen Wochenende fand in Argentinien das 34. Encuentro Feminista, das jährliche feministische Treffen, statt. Bei Gewittern und Starkregen, den die Teilnehmer*innen auf die Tränen des untergehenden Patriarchats schoben, kamen fast eine halbe Million Menschen in La Plata zusammen, knapp eine Stunde mit dem Zug von Buenos Aires entfernt.
Bereits seit 34 Jahren gibt es diese Encuentros in Argentinien. Als 1986, kurz nach dem Ende der argentinischen Militärdiktatur, zum ersten Nationalen Frauentreffen aufgerufen wurde, kamen circa tausend Frauen. Seitdem wurde das Treffen nicht nur viel größer, die feministische Agenda wurde mit den Jahren auch diverser: trans Aktivist*innen forderten ihren Platz im argentinischen Feminismus ein, genauso Sexarbeiter*innen, Arbeiter*innen aus den Armenvierteln sowie indigene Frauen und Queers. All diese Kämpfe flossen am Wochenende in einem neuen Namen zusammen, der in einem riesigen Plenum beschlossen wurde: Aus dem Nationalen Frauentreffen wurde das Plurinationale Treffen von Frauen, Lesben, Travestis, trans Personen, Bisexuellen und Nonbinaries.
Für drei Tage wurden die Straßen und Plätze von La Plata in grüne Halstücher, die Pañuelos gehüllt, die das Symbol der Kampagne für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sind. Das Recht auf sichere und kostenlose Abtreibungen ist eine der Hauptforderungen der argentinischen feministischen Bewegung. Außerdem steht zur Frage, wie es nach den Präsidentschaftswahlen am 27. Oktober weitergeht und was die akute Zuspitzung der Wirtschaftskrise für Frauen und Queers bedeutet.
Paloma Navarro, feministische Journalistin und Filmemacherin aus Buenos Aires, hat für Supernova mit 4 Teilnehmer*innen gesprochen.
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Pamela, 24 Jahre
Mit wem bist du hier?
Ich bin mit zwei Freundinnen hier, die wie ich Künstlerinnen sind. Wenn wir nicht gerade demonstrieren, verkaufen wir unsere Zeichnungen auf den selbstorganisierten Märkten, die es an diesem Wochenende in allen Schul- und Unigebäuden von La Plata gibt. Viele Frauen drücken ihren Feminismus in künstlerischen Interventionen aus. Man sieht sie überall hier auf den Straßen. Das ist gerade in einem so schwierigen Moment, wie wir ihn in Argentinien erleben, super wichtig. Zusammen sind wir stark.
Bist du zum ersten Mal bei einem Encuentro?
Ja, ich wollte schon immer mal dabei sein, aber habe es bisher nie geschafft. Diesmal hat es geklappt, weil ich aus der Provinz Buenos Aires komme und mit dem Zug anreisen konnte. Wir sind in einer Schule untergebracht und bleiben für die gesamten drei Tage.
Was sind deine Erwartungen für dieses Wochenende?
Ich hoffe, dass wir gemeinsam eine angenehme Atmosphäre für alle schaffen. Ich will mich hier frei und sicher fühlen. Meine Hauptforderung ist, dass die Femizide, also die Morde an Frauen und Queers, in diesem Land endlich aufhören. Denn erst dann können wir ohne Angst auf die Straße gehen.

Barbara, 25 Jahre
Mit wem bist du hier?
Ich bin die Präsidentin einer Studierendenorganisation aus Buenos Aires und außerdem Teil der Gruppe „Isadora Mujeres en Lucha“ (Übersetzung: „Isadora Kämpfende Frauen“). Diese besteht aus Frauen aus der Sozialistischen Linken sowie aus Frauen, die nicht parteigebunden organisiert sind.
Bist du zum ersten Mal bei einem Ecuentro?
Nein, das ist schon mein sechstes Encuentro. „Isadora Mujeres en Lucha“ hat sich jedoch erst vor zwei Jahren gegründet. Einige Genossinnen sind ganz aus dem Süden, andere aus dem Norden von Argentinien angereist. Wir wollen uns hier in La Plata dafür stark machen, dass das Treffen nächstes Jahr in der Hauptstadt Buenos Aires stattfindet. Dann können wir uns auf der Plaza de Mayo versammeln, dem wichtigsten Ort des politischen Geschehens in Argentinien.
Was sind deine Erwartungen für dieses Wochenende?
Wir sind hier, um den Kampf für legale, kostenlose und sichere Schwangerschaftsabbrüche voranzutreiben. Außerdem fordern wir mehr Mittel für die Umsetzung bereits bestehender Gesetze. Zum Beispiel das Gesetz zum Schutz von Frauen vor Diskriminierung und Gewalt im öffentlichen wie im privaten Raum. Oder das Gesetz zur Selbstbestimmung von Frauen bei Geburten. Wir wollen selbst entscheiden, was in dieser Situation das Richtige für uns ist.

Karen, 23 Jahre
Mit wem bist du hier?
Ich bin in der Arbeiterpartei organisiert. Wir sind mehrere hundert Frauen in der Partei und das ganze Jahr über haben wir unsere Teilnahme am Encuentro vorbereitet. Es gab viele Plena und Versammlungen und eigens dafür eingerichtete Organisations-Kommissionen.
Bist du zum ersten Mal bei einem Ecuentro?
Ich komme aus Kolumbien und lebe seit fünf Jahren in Argentinien. In diesen fünf Jahren war ich bei jedem Encuentro.
Was sind deine Erwartungen für dieses Wochenende?
Wir wollen, dass es ein kämpferisches Treffen wird. In diesem Jahr kommen Frauen aus der ganzen Welt und aus unterschiedlichen Städten Argentiniens zusammen, um für ihre Rechte einzustehen. Wir sind gegen eine weitere Verschuldung beim Internationalen Währungsfonds, denn die neoliberalen Sparprogramme treffen vor allem Frauen. Es können zum Beispiel keine sicheren Löhne garantiert werden.

Noelia, 43 Jahre
Mit wem bist du hier?
Ich bin aus der Region La Pampa angereist. Ich bin Teil der Gruppe “Libres Mariposas” (Übersetzung: Freie Schmetterlinge), die offen ist für alle Feminist*innen, die mitmachen wollen. Oft sind politische Gruppen ja sehr exklusiv. Wir wollen aber niemanden ausschließen.
Bist du zum ersten Mal bei einem Ecuentro?
Nein, ich komme schon seit 2011 zum Encuentro. Als Gruppe sind wir zum fünften Mal dabei, in diesem Jahr mit 57 Teilnehmer*innen.
Was sind deine Erwartungen für dieses Wochenende?
Wir unterstützen die Kampagne für die Legalisierung von Abreibungen. Wir sind Abolitionistinnen. Und wir sind gegen die Morde an Travestis und trans Personen. Wir haben hier am Wochenende an der ganzen Bandbreite von Workshops teilgenommen, denn auch die Lebensrealitäten und Themen, mit denen sich Frauen und Queers beschäftigen, sind divers. Wir müssen einander zuhören, um als Gesellschaft etwas verändern zu können.