Camille Barton verbindet Tanz, Bewegung und Musik mit Trauma-Heilung und sozialer Gerechtigkeit – auch auf der Bad City im Mensch Meier am 2.10.2019, die sie mitorganisiert. Im Supernova-Interview erzählt die nicht-binäre Tänzer*in, Dj und Künstler*in aus UK, warum Berlin Bassmusik braucht, wann feiern politisch wird und wie man durch Tanz Traumata heilen kann.
Auf eurer Facebook-Seite heißt es: „Feeling swamped out by ever-repetitive Techno? (…)Bad City is here to help.“ Warum braucht Berlin diese Party?
Viele Leute hier in Berlin lieben Techno aber wissen nichts über dessen Ursprung in der Schwarzen Community Techno war anfangs sehr politisch, aber diese Geschichte ist etwas verblasst. Grime hat oft eine direkte politische Message, es geht um Unterdrückung, um die Realitäten, in denen wir leben. Ich möchte mich mit Bassmusik aus der afrikanischen Diaspora verbinden, um wieder einen politischen Ansatz in die Partykultur hineinzuweben.
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Du entwickelst gerade eine Workshopreihe, in der es darum geht, mithilfe von Tanz und Bewegung an Traumata durch Rassismus und Sexismus heranzukommen, die sich im Körper festgesetzt haben. Wie funktioniert das genau?
Der Auslöser für die Workshopreihe war die #MeToo-Bewegung. Ich habe so eine Schwere in meinem Körper gespürt, als ich von all den Erfahrungen von sexualisierter Gewalt gelesen habe. Das Thema wurde innerhalb von aktivistischen Kreisen aber nur auf intellektueller Ebene diskutiert. Das ist ein Problem unserer westlichen Kultur: Der Intellekt wird sehr hochgeschätzt, gleichzeitig haben wir kaum eine Verbindung zu unserem Körper. So war es auch bei #MeToo: Es fehlte der Raum, um uns damit auseinanderzusetzen, was das Trauma sexualisierter Gewalt mit unseren Körpern macht.
In traumatischen Situationen finden bestimmte Prozesse im Körper statt, die diesen nachhaltig beeinflussen können: So sind Traumata manchmal noch Jahre später in bestimmten Teilen unseres Körpers gespeichert. Es gibt Techniken, mit denen wir herausfinden können, wo wir Anspannungen und Blockaden haben und mit denen wir sie lösen können, zum Beispiel Feldenkrais, Alexandertechnik, Somatic Experiencing. Ich möchte diese Techniken mit einem Verständnis von gesellschaftlichen Machtstrukturen verbinden und zeigen, wie sich Unterdrückungssysteme auf unseren Körper auswirken. Das kann uns mehr Handlungsmacht und Widerständigkeit geben – für uns selbst und unsere Communities.
Was hat die Musik, die du auflegst, damit zu tun?
Ich spiele die Musik, zu der sich mein Körper bewegen möchte. Wenn ich bestimmte Formen von Bassmusik und polyrhytmischer Musik spiele, habe ich das Gefühl, dass das Anspannungen und Traumata in bestimmten Teilen meines Körpers löst. Ich weiß, dass ich oft angespannt in der Hüft- und Pogegend bin. Die Musik, die ich spiele, erlaubt mir, diese Teile meines Körpers zu bewegen, die Spannung loszulassen und mich freier und energetischer zu fühlen. Ich denke, dass gerade bestimmte polyrhytmische Musik den unteren Teil des Körpers aktiviert, wo wir oft Traumata speichern, die durch sexualisierte Gewalt oder Rassismus entstanden sind. Ich kann das nicht wissenschaftlich belegen, aber ich habe den Eindruck, dass Bass, vor allem auf einem guten Soundsystem, eine heilende Wirkung haben kann.