Seit dem 1. Januar ist der ultrarechte Politiker und ehemalige Militär, Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien. Mit seinen frauenfeindlichen, homophoben und rassistischen Äußerungen sorgt Bolsonaro für Empörung. Doch was halten eigentlich Schwarze* Brasilianer*innen vom neuen Präsidenten? Wir haben mit vier Menschen gesprochen.
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„WIR LEIDEN, WEIL WIR ANDERS SIND“
Edenilson (24) aus Salvador da Bahia, Digitalanalytiker
Für mich ist die Regierung ein Alptraum. Mit jedem Tag wächst die Angst – auch weil wir Schwarz sind. Wir haben sowieso schon sehr viel durchgemacht. Doch nun verlieren wir immer mehr unseren Mut und unsere Sicherheit. Auch die LGBT-Community hat sehr unter Bolsonaro zu leiden. Viele Schwule, Lesben und Transsexuelle wurden bereits ermordet. Man kann sagen: Wir leiden, weil wir anders sind.
Die Regierung unterstützt, dass wir diskriminiert werden. Und weil die Regierung so denkt, machen auch andere mit. Meine Freunde wurden von Polizisten und Bolsonaro-Anhänger angegriffen. Oft bekommen wir zu hören, dass es mit „so etwas wie uns“ bald vorbei ist, weil Bolsonaro jetzt an der Macht ist. Ihre Hände formen sie dabei zu Waffen. Was wollen uns damit sagen? Dass sie LGBT töten werden. Brasilien ist für uns nicht mehr sicher für uns.
„ICH HABE ANGST, MEINE MEINUNG ZU SAGEN“
Soraya (31) aus Rio de Janeiro/São Paulo, Geografin
Wir erleben derzeit schreckliche Dinge in Brasilien. Der Präsident lobt zum Beispiel immer wieder die Militärdiktatur (Brasilien wurde von 1964 bis 1985 von rechten Generälen regiert, Anm. d. Red.). Viele haben Angst davor, wieder in einer Diktatur zu leben. Ein Minister sagte vor ein paar Wochen sogar, dass der Faschismus und der Nationalsozialismus links gewesen seien. Auch im Internet gibt es eine richtige Hetzjagd gegen regierungskritische Seiten und Gruppen in sozialen Medien. Mittlerweile habe ich Angst, meine Meinung zu sagen. Niemand weiß, was passieren kann.
Rassismus ist in Brasilien immer noch sehr präsent. In Freundeskreisen ist es kein Problem, darüber zu reden. Doch auch wenn wir noch so oft darüber sprechen: Der Rassismus in Brasilien wird niemals aufhören zu existieren. Die Menschen hier sind sehr rassistisch. Zwar gab es einige Reformen, wie zum Beispiel Quotenregelungen für Schwarze an Universitäten und an einzelnen Arbeitsplätzen. Doch Präsident Bolsonaro ist dagegen und will sie beenden. Er glaubt an eine Meritokratie: nämlich, dass jeder an das selbe Ziel gelangen kann, egal woher er kommt. Jeder Mensch mit einem Funken Verstand weiß, dass die Realität eine andere ist. Bolsonaro ist nicht nur homophob und frauenfeindlich, sondern hat auch mehrmals rassistische Kommentare gemacht. Brasilien tötet jeden Tag Schwarze Menschen. Viele haben Angst davor, was seine Politik nun mit der Schwarzen Bevölkerung anrichten wird.
„ICH GLAUBE, DASS BOLSONARO ETWAS VERÄNDERN WIRD“
Itainan (29) aus Salvador da Bahia, Hausfrau
Ich glaube Bolsonaro könnte dafür sorgen, dass Korruption und Diebstahl bald ein Ende haben werden. Wir dürfen nicht aufhören, daran zu glauben. Denn wir brauchen dringend Veränderungen. Was ich damit konkret meine? Wir brauchen mehr Arbeitsplätze, der Gesundheitssektor muss sich erholen und Obdachlose brauchen ein Dach über dem Kopf. Vorhin habe ich einen Jungen gesehen, der sich im Regen geduscht hat. Das ist doch schrecklich! Niemand sollte so etwas durchmachen müssen. Was sollen erst die Touristen von uns denken? Wir sind doch ein reiches Land. Aber die Regierung klaut den Menschen das Geld aus der Tasche. Ich glaube, dass Bolsonaro daran etwas ändern wird – vor allem weil er so streng ist. Klar, er hat Vorurteile. Dennoch: Ich glaube an Veränderungen.
„BRASILIEN WAR SCHON IMMER RASSISTISCH“
Michael Chavenet (25) aus Palmas, Student
Als Schwarzer kann ich eine Sache mit Sicherheit sagen: wir werden benachteiligt. Das war schon immer so und hat sich nicht wesentlich verändert. Die Auseinandersetzung mit Rassismus hat nie eine wirklich große Rolle gespielt – auch nicht bei vorherigen Regierungen. Es wurde schon immer viel versprochen und nichts gemacht. Ein Beispiel: Schwarze Menschen sind immer noch an den Universitäten unterrepräsentiert. Und das wird sich jetzt auch nicht ändern.
Es gibt eine Debatte darüber, ob der Rassismus mit Bolsonaro noch schlimmer wird. Ich glaube nicht, dass sich etwas großartig ändern wird. Wir müssen jetzt einfach abwarten und schauen, was wirklich passieren wird. Bolsonaro bleibt ja für vier Jahre Präsident. Aber bis jetzt sehe ich nichts Vielversprechendes.
* Schwarz: Der Begriff beschreibt in diesem Fall nicht die Hautfarbe als Farbe, sondern ist als gesellschaftlich-soziales Konstrukt zu verstehen, in welchem Schwarze und People of Color Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt sind.