In deinem neuen Lied „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ schlägst du im Konjunktiv gesungen vor, Faschisten „zurück in ihre Löcher reinzuprügeln noch und nöcher“. Wenn man friedlich gegen Gewalt nicht ankomme, sei „das letzte Mittel, was uns allen bleibt, Militanz.“ Das kann man als Aufruf verstehen, sich gewalttätig mit Waffen gegen Nazis zu stellen. Meinst du das auch so?
Ich rufe überhaupt nicht zu Gewalt auf. Die Sätze kann man nicht ganz aus dem Kontext des Liedes lösen. Es geht um neu-rechte und rechte Strukturen in der jüngeren Vergangenheit wie in Freital, oder wenn man weiter zurück geht, wie Rostock-Lichtenhagen. Wo man gesehen hat, dass die Polizei sich nicht darum kümmert, wenn Nazis bewaffnet vor Flüchtlingsunterkünften stehen. Ich kenne das auch aus meiner Biografie in Aachen. Nazis sind ja kein ostdeutsches Phänomen. Auch da gab es Nazis, die durch die Stadt patrouillierten und Leute verkloppten, die nicht in ihr Weltbild passten. Die Staatsanwaltschaft hatte sich nicht sonderlich gut gekümmert. Das lässt sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr mit Lichterketten lösen. Was ich meine, sind konkrete Notwehrsituationen, die es aber jeden Tag in Deutschland gibt.
Im Video zu dem neuen Lied hält eine Hand in Gummihandschuhen Patronenhülsen und du läufst mit einem Maschinengewehr von der Bühne. Fällt das wirklich noch unter Notwehr?
Wenn ich mit einer AK47 auf einer Bühne herumlaufe, ist das ein Theaterstück. Aber ich glaube, dass dieses Theaterstück der Wut, die gerade viele Leute haben, viel Raum gibt. Weil es unwahrscheinlich wütend macht, wenn man immer wieder aufs Neue das Vertrauen in Sicherheitsorgane verliert. Etwa NSU 2.0-Skandale, wo Polizisten Privatadressen politischer Gegner von Nazis an diese Nazis weitergeben. Oder der Fall Oury Jalloh, wo uns allen klar sein müsste, was in Dessau in der Zelle passiert ist. Dazu noch Diskursverschiebungen innerhalb der „Querdenker“bewegung, wo Antisemitismus sehr salonfähig wird. Aber es ist ein Theaterstück. Ich bin kein Freund der AK47. Die wurde zwar einmal von den Russen erfunden, um Nazis zu erschießen, aber dieses Gerät ist mittlerweile unkontrolliert bei allen möglichen Menschenfeinden auf der ganzen Welt gelandet. Es ist ein Kriegsgerät und Gewalt und Krieg lehne ich komplett ab.
Du kündigst an, dass du wahrscheinlich von Leuten für den Inhalt des Liedes verklagt wirst. Sind schon Anwaltsschreiben von Ken Jebsen, Jürgen Elsässer oder anderen im Song erwähnten Personen bei dir eingetrudelt?
Nein.
Glaubst du, dass der Erfolg des Songs dazu beiträgt, dass junge Leute sich jetzt mehr dafür interessieren, dass es Rechtsextremismus in Deutschland gibt?
Das ist nicht mein Anliegen, ich wollte das nicht schreiben, um zu agitieren. Von Antilopen Gang-Konzerten gibt es manchmal das Feedback von Leuten, die sagen, unsere Musik habe ihnen geholfen, über bestimmte Dinge nachzudenken. Ich kenne das auch aus meinem Leben, dass Musik eine Rolle gespielt hat in meiner Politisierung. In die andere Richtung geht das aber ja auch. Wenn du den ganzen Tag als junger Mann sexistischen Rap hörst, kann das auch dein Frauenbild beeinflussen. Ich fände es total spannend, da Untersuchungen drüber zu lesen. Es liegt für mich sehr auf der Hand, wie die Musik, die du hörst und die damit verbundenen Clubs oder Räume, in denen du dich bewegst, großen Einfluss darauf haben, wie man durch die Welt geht.
Eigentlich macht ihr bei der Antilopen Gang seit Jahren explizite Texte wie „Atombombe auf Deutschland, dann ist Ruhe im Karton“. Dein Solostück aber bekommt noch mehr Aufmerksamkeit. Liegt das am Klavier?
So richtig erklären kann ich es mir nicht. Aber ich glaube, wenn sich jemand an ein Klavier setzt, wird das hier ernster genommen als jemand, der einen Joint raucht und dabei freestylt. In seinen Ursprüngen hat Rap in Deutschland einen hohen Anteil an Migranten. Wenn man in den Feuilletons über Rap spricht, schwingen da oft rassistische Stereotype mit. Man hört Rappern noch nicht so zu wie Leuten, die sogenannte Hochkultur machen.
Also wenn du etwa mit dem Pianisten Igor Levit zusammen etwas machst, wie zuletzt beim Neo Magazin Royale. Dass Rap als Jugendkultur oder migrantische Kultur abgetan wird, wird sich wahrscheinlich aber nicht ändern, oder?
Rap ist ja mittlerweile Mainstream. In 20 Jahren werden im Bundestag nur Leute sitzen, die Rap-Lieder kennen und mögen. Die Rap-Texte auswendig können. Auch jetzt sitzen da schon viele Leute, die Jan Delay gehört haben.
Aber Rap werden sie privat zu Hause hören und sich für offizielle Auftritte trotzdem in der Oper treffen.
Glaube ich nicht. Am Beispiel der USA sieht man ganz gut, dass es irgendwann gekippt ist und die Leute merkten: das ist keine Jugendkultur mehr, sondern die Gesamtgesellschaft. Ich glaube, dass das hier nur eine Frage von wenigen Jahrzehnten ist.
Das heißt, dass du in ein paar Jahrzehnten wieder von Klavier zu Rap umsteigen würdest, wenn der salonfähiger geworden ist?
Ich freue mich jetzt schon auf mein nächstes Rap-Album.
Warum?
Ich bin ja in der Antilopen Gang und ich will für immer mit Tobi und Koljah Musik machen. Wenn die beiden in Promo-Phasen bei Interviews neben mir sitzen, macht alles noch mehr Spaß.
Momentan ist dein Markenzeichen, in Springerstiefeln und Bomberjacke Klavier zu spielen. Sind die Schuhe nicht zu klobig, um damit die Pedale zu treten?
Nein, Doc Martens sind schon echt gemütlich. Mit den Schuhen das Pedal drücken, das geht ganz problemlos (lacht).
Warum kannst du überhaupt so gut Klavier spielen?
Ich habe das schon als Kind gelernt. Und fand das dann irgendwann nicht mehr so geil, weil ich Klaviermusik nicht so gemocht habe. Ich führe eine On-Off-Beziehung mit meinem Klavier. Ich hatte jetzt, bevor ich das Album geschrieben habe, fast zehn Jahre gar kein Klavier zu Hause. Weil mir das zu anstrengend ist. Man muss viel üben und ich hasse üben. Aber ich hatte letztes Jahr so wenig Termine, dass ich die Zeit dazu hatte. Ich habe früher lange in Reggae-Bands und Skinhead Reggae-Bands gespielt. Daher vielleicht auch mein Faible für Skinheadoutfits. Ich bin ein riesen Skinhead Reggae-Fan. So ästhetisch fand ich das immer ganz spannend.
Das neue Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ ist am 30. April erschienen.