Es ist noch gar nicht lang her, da stolperte ich auf Instagram über ein Interview des „Journalisten“ und „Afrika-Korrespondenten“ vom Handelsblatt Wolfgang Drechsler mit der Instagrammerin Diana zur Löwen. In dem von der weißen Influencerin hochgeladenen Clip triefte es nur so vor kolonialer und respektloser Energie gegenüber Schwarzen Menschen – ohne dass sie das beabsichtigte. Ganz stolz galoppierte zur Löwen in der ach so schönen Natur Kapstadts, um sich dann von dem seit 30 Jahren in Südafrika lebenden Drechsler in einem Fünf-Minuten-Video direkt den ganzen Kontinent erklären zu lassen. In dem mittlerweile gelöschten Video behauptete Drechsler abstruse rassistische Dinge, wie dass es in Afrika keine Banken gebe. Waren die 400 ghanaischen Cedis, die ich gerade noch bei der ghanaischen First National Bank abgehoben hatte, etwa eine Fata Morgana? Eine inkompetente Falschaussage nach der nächsten und Diana grinste stolz im Video herum, als hätte sie etwas Gutes getan: Coolen, informativen Erklär-Content für ihre über 800.000 Follower*innen über den spannenden Kontinent Afrika. Dass ihr Social-Media-Output aus Kapstadt kompletter Mist war, checkte sie nicht. Und ich dachte: Es muss endlich einmal durchsickern, dass westliche weiße Menschen grundsätzlich einige Dinge beim Reisen in den globalen Süden beachten sollten.
Inszenierung als Retterfigur
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Diese weiße Arroganz und Überheblichkeit von Diana zur Löwen ist leider kein Einzelphänomen.
Sie führt zum Beispiel dazu dass Leute unter Bilder von mir und meiner eigenen Familie kommentieren, dass sie „auch gerne mal was an ärmere Communitys in Afrika“ zurückgeben wollen? WTF dabei chillte ich nur mit meiner Cousine. So tief verankert sich aber falscher Social-Media-Umgang von westlich sozialisierten Menschen im globalen Süden.

Sehr oft sehe ich in meiner Instagram-Timeline weiße Touris, die sich dabei fotografieren, wie sie armen, nicht-weißen Kindern Ramsch schenken – und stolz darauf sind, was für gute Menschen sie doch seien. Eine Inszenierung als Retterfigur. Nicht selten tun sie so, als könnten die Leute auf dem afrikanischen Kontinent oder in anderen Regionen des globalen Südens sich nicht selbst nicht mit ihren Problemen befassen und als würden oberflächliche Taten wie eine Packung Reis kaufen irgendwie helfen strukturelle Ungleichheit zu bekämpfen. Wenn ihr Fotos mit kambodschanischen Waisenkindern macht, tragt ihr ein koloniales Bild in die Welt – die Aussage: Es braucht einfach ein paar nette weiße Leute, die in der „dreckigen dritten Welt“ mal aufräumen. Lasst das sein!
Informiert euch, bevor ihr eure Koffer packt
Erst letztens schickte mir mein Podcast-Partner, Marcel Aburakia, eine Instagram-Story, in der sich jemand darüber beschwert wie „dreckig“ und „umweltschädlich“ die Menschen in Kolumbien doch seien. Sein Kumpel war tatsächlich genervt davon, dass viele Leute dort so arm und prekär leben, dass das seine Touri-Experience schmälern würde. Er beschwerte sich über deren „Aufdringlichkeit“ und verzweifelte daran, dass die Menschen kein Englisch konnten. Dabei hätte er die monierten Umstände schlicht mit drei Klicks im Netz recherchieren könnten. Er hätte sich mit den globalen Zusammenhängen auseinandersetzen können, wie unser Konsumverhalten mit dem Elend der Menschen außerhalb des Westens verknüpft ist. Stattdessen gab es ordentliches Kolumbien-Bashing, als hätte er eine schlechte Pizzaria auf Yelp rezensiert. Warum sind so viele weiße Menschen ganz demonstrativ überrascht und überfordert mit der Armut und den Zuständen in Regionen, die von Ausbeutung und postkolonialen Folgen betroffen sind? Und warum stellen sie dieses Überrascht-Sein so zur Schau?
Behaltet euren Umweltaktivismus für euch!
Wie viele weiße Menschen es lieben, ganz plakativ um Tiere und Natur im globalen Süden zu trauern, haben meine Podcast-Kolleg*innen und ich schon mal in der Folge Klima-Aktivismus und Umweltrassismus erörtert. Die Menschen im globalen Süden sind ihnen dabei meist egal, sie verurteilen diese oft noch dafür, Tiere zu töten, um zu überleben. Der Vorwand weißer Tourist*innen für ihre rassistischen Posts: Sie wollen doch nur auf Umweltverschmutzung aufmerksam machen. Lasst auch das sein! Ich weiß, ihr sorgt euch um die Bäume, die Tiere, die Flüsse, aber es ist wahnsinnig respektlos im selben Atemzug die tatsächlichen Mitmenschen dafür zu verurteilen, dass sie überleben müssen. Bitterarme Menschen schulden euch und eurer Touristen-Erfahrung keine Freundlichkeit.
Zeigt Regionen so differenziert, wie sie sind
Wenn ihr von den Regionen, die ihr besucht, gute Social-Media-Posts erstellen wollt, dann zeigt die Regionen als das, was sie sind. Zeigt sie als Orte an denen Menschen lachen, trinken, streiten, Sex haben, feiern, genau wie überall auch und genau wie ihr es auch im Italien-Urlaub machen würdet. Besucht wie Cardi B einen nigerianischen Stripclub und postet das in eurer Story. Besucht eine schöne Rooftop-Bar in Burkina Faso, anstatt pseudo-intellektuellen Bullshit über Armut und Missstände zu verbreiten, den keiner will. Einen schönen, spaßigen Urlaub kannst du nicht nur auf Ibiza zu Schau stellen, sondern auch in Benin, Guatemala oder Aserbaidschan. Zeigt ein differenziertes Bild, das nicht beladen ist von Klischees, damit hilfst du der Region und dem Tourismus viel mehr als mit Armut- und Elend-Pornos.
Wenn ihr keinen Respekt habt, lasst es bitte gleich sein
Aber auch unabhängig von Sozialen Medien, etwa wenn es um zwischenmenschliche Begegnungen geht, sollten sich weiße Menschen ohne familiären Bezug zu kolonialisierten Regionen ein mal Folgendes bewusst machen: Sie sind oft unerträglich zerbrechlich und empfindlich. Ich erinnere mich an einen Urlaub im Libanon, wo ich mein Hostel-Zimmer unter anderem mit einem reichen, weißen Studenten teilte. Eines Nachts, als ich vom Beiruter Nachtleben zurück gen Hostel gehen wollte, traf ich ihn vor der Eingangstür mit einem libanesischen Taxifahrer streitend. Der weiße deutsche Tourist war sturzbesoffen und hatte offenkundig einen falschen Preis in Erinnerung. Domian, so nenne ich ihn jetzt mal, dachte, die wirklich lange Fahrt nach Mitternacht von einen Ende der Stadt bis zu unserem Hostel würde etwa zwölf Euro kosten. Der Taxifahrer verlangte aber die logischen rund 35 Euro. Anstatt ihm das Geld zu geben – für Domian waren es ohnehin Peanuts – fing er an hysterisch zu weinen, beschimpfte das Land und die Leute und sprach davon, wie rückschrittlich alles sei.
Bei wirklich unzähligen Geschichten von empfindlichen, uninformierten, weißen Touris in der Subsahara, der arabischen Welt, Lateinamerika und Asien stellt sich mir die Frage: Warum reist du dann überhaupt? Warum in den Flieger steigen und eine dir wildfremde Kultur besuchen, wenn du nicht mal den Respekt hast, wenigsten einen Wikipedia-Artikel über Geschichte und Gepflogenheiten zu überfliegen. Wenn ihr euch die Zeit dafür nicht nehmen wollt, dann lasst es bitte sein. Cancelt den Flug, bleibt Zuhause oder bereist einfach Deutschland ein wenig. Aber besucht keine ehemals kolonialisierten Gebiete, macht keine Social-Media-Videos oder stümperhaften Erklär-Content aus Afrika, wenn euch Anstand und Hausaufgaben machen zu blöd ist. Ich versichere euch, die Leute können darauf verzichten. Sie sind der weißen Überheblichkeit müde.
Sieben konkrete und einfache Handlungsanleitungen für euren nächsten Urlaub könnt ihr jetzt in unserer Podcast-Folge „Reise-Knigge für weiße Almans“ nachholen!