Willing Witness vom „Kosmos&Krawall“-Kollektiv aus Hamburg spricht mit Joelle Westerfeld über Diversität in der Klubkultur, darüber, dass jedes Booking auch politisch ist, und was sie in der Szene besonders nervt.
Hey Willing Witness! Was tust du so?
Unter diesem DJ Alias lege ich Industrial Techno auf, den ich auch gerne ConcreteTechno nenne. Den Sound verbinde ich mit Raves in alten Fabrikhallen und mag das Rauhe an dem Klang.
Was genau heißt für dich ConcreteTechno?
Gerade die härteren und düsteren Tracks in meiner Selection haben oft einen Klang, der etwas sehr maschinelles hat. Darin wird für mich eine Stimmung von großen, aus Beton erbauten Räumen erzeugt. Klanglich finden sich in den Tracks auch viele Acid Techno Elemente, die den Sound für mich interessant machen.
Du bist ja nicht nur solo unterwegs, sondern im „Kosmos & Krawall“-Kollektiv dabei, sowie bei EQ:Booking involviert. Dort bist du sowohl als DJ, als auch als Bookerin am Start. Was glaubst du hebt EQ:Booking von anderen Agenturen ab und was macht euch politisch?
Die Entscheidung welchen Artists, DJs und Performer*innen auf einer Club- oder Festivalbühne Raum gegeben wird – ebenso welchen eben nicht – ist eine hoch politische. Darin drückt sich aus, welchen Artists die Veranstaltenden Relevanz und Wert zuschreiben. Das hat vorrangig natürlich künstlerische und musikalische Gründe. Gleichzeitig bringen Künstler*innen immer einen gesamtgesellschaftlich relevanten Background mit. Daher ist für uns bei EQ: wichtig, dass Bookings divers gestaltet sind. Das drückt sich sowohl in der musikalischen Bandbreite aus, als auch in dem Verhältnis in dem Gender vertreten sind. Bewusst zu entscheiden, dass ausgewählte Artists die nicht nur weiß, männlich und heteronormativ sind, ist in der heutigen Musik und Clubwelt leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Daher ist es uns bei EQ:booking ein großes Anliegen, genau das zu fördern und hierfür einzustehen. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich, dass auch Entscheidungspositionen mit Menschen besetzt sein sollten, die das Thema auf dem Zettel haben. Entscheidungen treffen zu dürfen, bedeutet Handlungsfähigkeit und Macht. Auf dem Zettel zu haben, wer diese bekommt, ist ein politischer Akt.
Ihr beschäftigt euch auch mit Themen wie Clubkultur und Awareness. Du sagst selber, dass Diversität in der Musik- und Clubwelt immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Hast du das Gefühl, dass sich da in den letzten Jahren schon etwas getan hat? Wird Clubkultur feministischer und diverser?
Ich sehe, dass in dem Feld definitiv Bewegung stattfindet. Viele Booker*innen leben das schon lange vor und mit diesen kooperieren wir liebend gerne. In deren Art Veranstaltungen zu gestalten, findet sich die Selbstverständlichkeit für Diversität und Gender Equality, die wir für lebens- und wünschenswert halten. Letztendlich sehe ich die Club- und Festivalwelt als ein Experimentierfeld. Darin spiegelt sich der aktuelle gesellschaftliche Umgang miteinander wieder. Gleichzeitig gibt es den Versuch, Utopien zu leben, Verhältnisse neu zu gestalten, es besser zu machen. Wenn Menschen beispielsweise die Erfahrung machen, dass ein all female* Türsteher*innen Kollektiv – in Hamburg die CrewCrew – die Ravenden durch die Nacht begleitet, ist das ein Erlebnis, das für viele neu ist. Im besten Fall nehmen sie das mit in ihr Alltagserleben und erweitern ihren Blickwinkel um neue Möglichkeitsräume.
Denkst du, dass das eher Entwicklungen sind, die in einer linken Bubble passieren oder finden die auch schon in den Mainstream?
Das klingt ein wenig nach: Entweder – Oder. Ich wünsche mir da ein: Sowohl als auch! Natürlich ist es für mich angenehmer, an Orten aufzulegen, bei denen ich mir sicher bin, dass eine diskriminierungs- und gewaltarme Party möglich ist. Dennoch will ich mich und uns weiter ermutigen, die Vision für ein friedvolles Miteinander und Begegnen auf Augenhöhe auch an Orte zu bringen, an denen wir das vielleicht auf den ersten Blick nicht vermuten.
Was kotzt dich am meisten an der weiß-männlich-hetero dominierten Clubszene an? Was muss sich dringend ändern?
Aggressiv gelebte Bedürftigkeit macht Partys und Orte kaputt. Diese endet leider oft in übergriffigem Verhalten, was natürlich gar nicht klar geht. Auch unachtsame Menschen, die mit einer konsumierenden Haltung in einem Raum sind und nicht verstehen, dass sie maßgeblich für Gelingen oder Scheitern eines kollektiven Zusammenseins mitverantwortlich sind, frustrieren mich. Außerdem wünsche ich mir, dass Musik, Tanz und gemeinsamer Flow wieder wichtiger werden als eine sexuelle Verwertungslogik. Das alles verorte ich jedoch genderunabhängig.
Für Supernova stellst du ein Set zur Verfügung. Hast du Bock ein paar Worte zu dem Set zu sagen?
Es wurde bereits bei der Podcastreihe Autopoiesis veröffentlicht, die ich weiter empfehlen möchte, ein Dank an Amperia an dieser Stelle [Zu finden bei mixcloud unter „Autopoiesis“, Anm.d.R]. Musikalisch ist es eine housige und verspieltere Variante des ConcreteTechno, den ich sonst im Club auflege. Es hat Spaß gemacht die Tracks zusammenzustellen!
…Möchtest du noch irgendwas loswerden?
“Female“ is not a genre! Musik ist und bleibt das Wichtigste. Und bitte hört auf „DJane“ zu sagen. Nicht, dass Tarzan plötzlich vorbeikommt.
Willing Witness, ihr Kollektiv “Kosmos & Krawall”, sowie EQ:Booking findet ihr bei Soundcloud, Facebook und Instagram.