Seit eurer Gründung 2015 tretet ihr in Hausprojekten, autonomen Zentren und linken Szeneclubs auf. Orte, an denen Leute oft von sich behaupten, reflektiert im Umgang mit Sexismus zu sein. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
Asche: Sexismus gibt es auf jeden Fall auch in der linken Punk- und Hardcore-Szene. Und das nicht zu knapp. Auf Konzerten wurden wir früher von den Veranstaltenden oft erst Mal gar nicht als Artists wahrgenommen. Wenn eine Band, die vorwiegend aus FLINT*-Personen besteht, den Raum betritt, dann gibt es oft einfach keine Selbstverständlichkeit darüber, dass das auch die Musiker*innen sein könnten.
Bi: Wir wurden dann oft mit den Worten: „Ey, die Show hat noch nicht angefangen“, begrüßt. Oder Cis-Typen wollten uns unsere Instrumente erklären. Das Ganze fängt aber eigentlich schon beim Booking an: Wir bekommen oft Anfragen, wo uns jemand explizit für die Frauenquote buchen will.
Was ist das Problem an einer Frauenquote?
Bi: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist es super, wenn Veranstalter*innen auf die Diversität ihres Line-Ups achten. Das Problem ist aber: Wenn das nur unter dem Schleier von „Feminismus ist gerade hip“ passiert, dann fühlt man sich nicht als Musikerin wahrgenommen. Das hat dann so was von: „Eigentlich finden wir eure Band scheiße, aber ihr seid Frauen und das kommt gut an.“
Asche: Man muss da auch auf einer anderen Ebene ansetzen. Viele Dude-Booker sagen einfach: „Ich würde ja gerne ein diverses Line-Up haben, aber es gibt keine Bands mit FLINT*-Personen“. Und das ist einfach ne Ausrede. Es gibt diese Bands!
Bi: Ich würde sagen, da beißt sich die Katze auch ein bisschen in den eigenen Schwanz.
Wie meinst du das?
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Bi: Also ich habe zum Beispiel nie darüber nachgedacht selbst ne Band zu gründen, obwohl ich schon super lange in der Punkszene bin und jahrelang Konzerte organisiert habe. Erst mit mehr Repräsentation, also als ich andere Frauen auf der Bühne gesehen habe, bin ich auf die Idee gekommen. Und wenn Leute sagen, sie können keine Frauen auf der Bühne booken, weil es die nicht gibt, dann sage ich: „Wenn du es nicht machst, dann wird sich daran auch so schnell nichts ändern. Zu Feminismus gehört auch, sich zu informieren. Also recherchier Mal besser!“
Wenn ihr dann gebucht werdet, wie geht es auf Konzerten weiter? Da fordert ihr ja oft FLINT*-Personen auf, sich den Raum zu nehmen oder, dass Cis-Typen ihre T-Shirts anbehalten. Ihr habt auch schon Shows unterbrochen, weil euch der Pogo vor der Bühne zu cis-männlich dominiert war. Wie passt das zu eurer toughen Punk-Attitüde?
Asche: Also diese Diskussion hab ich so was von über! Wer heute noch nicht gecheckt hat, dass es eine Machtdemonstration ist, wenn ich mir als Cis-Typ das T-Shirt auf nem Konzert ausziehe…
Bi: …oder wer mir sagt, ich könnte ja auch einfach mein T-Shirt auf der Bühne ausziehen. Für Personen, deren Körper sexualisiert werden, ist das einfach nicht das Gleiche.
Und die Ansagen?
Asche: Die machen wir, weil wir für FLINT*-Personen einen Safe Space schaffen wollen. Oder wenn wir uns selbst unwohl fühlen. Es ist einfach total krude, wenn wir „Emanzenlesbenschlampe“ singen und vorne ist so ne Ochsenherde und grölt das mit. Also sorry, aber da ist die Message verfehlt.
Was ist denn die Message? Erst Mal klingt „Emanzenlesbenschlampe“ ja wie eine Beleidigung.
Bi: Wenn FLINT*-Personen als „Schlampe“, „Lesbe“, oder „Emanze“ beschimpft werden, dann ist das ganz klar negativ konnotiert. In dem Lied geht es aber darum, dass wir den Begriff zurückerobern wollen. Wer allerdings nicht weiß, wie es sich anfühlt, das nachts auf der Straße hinterhergeschrien zu bekommen – und das können Cis-Typen nicht – sollte die Klappe halten.
Asche: „Emanzenlesbenschlampe“ besteht aus drei Wörtern. Bei jedem einzelnen Wort haben viele schon ein ganz bestimmtes negatives Stereotyp im Kopf. Wenn man das dann auch noch zusammensetzt, müsste da theoretisch was ganz Schlimmes bei rauskommen. Aber das tut es nicht! Im Gegenteil. Wir sagen: Es ist total geil, ne Emanzenlesbenschlampe zu sein. Es ist ein Akt des Empowerments: Indem wir das Wort positiv besetzen, reclaimen wir es und ermächtigen uns damit.
Abgesehen von Reclaiming, welche Strategien verfolgt ihr noch, um mit dem sexistischen Istzustand umzugehen?
Asche: Also bei uns als Band ist das ganz klar: Konfrontation.
Konfrontation?
Asche: Ja! Für viele FLINT*-Personen ist Wut ein schambehaftetes Gefühl. Weiblich-sozialisierten Personen wird oft anerzogen, immer fürs Team zu sein, es kuschelig zu machen und andere zu unterstützen. Wir wollen uns selbst und Andere empowern, indem wir auf der Bühne auch Mal wütend sind und deutlich machen: Es ist total wichtig, Sachen scheiße zu finden und dann auch konfrontativ zu intervenieren.
Auf der Bühne gelingt euch das ja ganz gut. Ist das im Alltag auch so?
Asche: Dass wir Songs wie „Du bist so schön, wenn du hasst“ geschrieben haben, heißt nicht, dass wir das persönlich immer schaffen oder, dass wir schon die Lösung für uns gefunden haben. Es ist einfach scheiße schwierig und bedeutet Arbeit.
Bi: Aber alleine die ganzen Dinge auf der Bühne zu verbalisieren ist schon so ne Art Selbst-Therapie. Wobei es natürlich auch nicht für alle Personen der richtige Weg ist. Manche finden es auch vulgär, wenn wir „Emanzenlesbenschlampe“ sagen. Und das ist auch okay so. Allerdings wurde uns auch schon vorgeworfen, antifeministisch zu sein.
Wieso das?
Bi: Einmal haben wir auf der Bühne ne Ansage gemacht, dass „FLINT*-Personen einen nervigen Cis-Typen rausschmeißen sollen. Danach kam eine Person, die das bevormundend fand. So nach dem Motto: „Wir sind super emanzipiert und hätten das eh gemacht, wenn wir gewollt hätten.“
Trifft Kritik von anderen Feminist*innen mehr?
Bi: Auf jeden Fall. Wir sind jeden Tag mit so viel Scheiße konfrontiert. Natürlich kann man da nicht immer alles richtig machen. Wenn Leute dann aber sagen: „Du bist doch voll die Feministin, warum hast du nicht so und so reagiert?“, dann finde ich das nicht feministisch. Mir in einer sexistischen Gesellschaft vorzuwerfen, dass ich mich gegenüber Sexismus falsch verhalten hätte, finde ich unsolidarisch und wenig hilfreich.
Und wie hilfreich ist es für den Feminismus, dass er im Mainstream angekommen ist?
Bi: Gar nicht. Feminismus ist gesellschaftlich viel zu wichtig, um zuzulassen, dass er unter kapitalistischen Vermarktungsstrategien ausgenutzt wird. Dann wird er nämlich ausgehöhlt. Und ein ausgehöhlter Feminismus ist ein ganz großer Feind für einen emanzipatorischen Umgang mit Sexismus und Patriarchat. Man muss da sehr auf der Hut sein, wenn sich auf einmal Konzerne damit schmücken und es so ein Lifestyle-Ding wird. Feminismus ist nicht leicht. Feminismus ist ein Kampf, den man sich nicht vom Kapitalismus aus der Hand schlagen lassen darf.
FLINT* steht für Frauen*, Lesben, inter, non-binary und trans* Personen und ist eine Abkürzung, die nicht nur Frauen in feministische Arbeit und Feminismus inkludieren will, sondern kurz alle Personen, die vom Patriarchat unterdrückt werden.
Als Cis-Mann/Cis-Frau werden diejenigen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.