Wie man sich in Liebesbeziehungen verhält oder nicht verhält, wird in Teilen der linken Szene offen verhandelt. Insbesondere Frauen bestehen dabei auf Einhaltung von Grenzen, Übernahme von Verantwortung oder schlagen sich mit ihrem meist männlichen Partner herum. In feministischen Kreisen wird sexuelle Gewalt teilweise offen thematisiert. Ein Phänomen, das jedoch wenig Beachtung findet, ist die Eifersucht.
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Nicht wenige neigen dazu, ihre Partner*innen aus Furcht vor Verlust manchmal wie Besitz zu behandeln. Eifersucht wird in linken, heterosexuellen Kreisen oft als verständliche, wenn auch ärgerliche Reaktion entschuldigt. Ich möchte aus feministischen Gründen dafür plädieren, in Konkurrentinnen potentielle Verbündete zu erkennen und Männer nicht mit Eifersucht an sich zu binden. Wir brauchen Solidarität unter Frauen, damit wir die Verantwortung dorthin zurückweisen können, wo sie hingehört: an die Männer.
Frauen leisten wesentlich mehr Beziehungsarbeit
Meist sind es Männer, die sich von der Eifersucht ihrer Partnerinnen eingeengt fühlen und sie darum thematisieren. Dass es aber häufiger Frauen sind, die Eifersucht empfinden, liegt nicht in ihrer Natur: aufgrund der patriarchalen Geschlechterverhältnisse bringen Männer in Beziehungen meist größere Unabhängigkeit mit. Sie werden von klein auf dazu erzogen, zu enge Beziehungen zu Frauen zu meiden und nur eine einzugehen, bei der für sie „unterm Strich“ Vor- und Nachteile stimmen. Frauen hingegen bringen schwere Rucksäcke mit: sich selber lieben zu können, ist oft stark an die Liebe eines anderen gebunden. Ihren persönlichen Nutzen haben sie weniger im Blick. Stattdessen kümmern sie sich um das emotionale Beziehungsleben. Sie opfern sich bereitwillig als einzige Gesprächspartnerin auf, damit der Partner überhaupt jemanden hat, über Intimes zu sprechen. Frauen leisten wesentlich mehr Beziehungsarbeit. Sie beobachten sorgfältig Entwicklungen in der Beziehung, schauen langfristig, stoßen Gespräche an, suchen nach Problemlösungen und kümmern sich mehr um ihre Partner. Angetrieben sind sie oft davon, Männer „halten“ zu müssen. Die Männer hingegen sind meist emotional ungebundener und glauben, Partnerschaften leichter verlassen oder wechseln zu können.
Aus der Schule nehmen Mädchen eine Form von „Frauensolidarität“ mit, wonach man niemandem den Freund „ausspannen“ darf. Trotzdem passiert das ständig und Freundinnenkreise zerbrechen daran. Schon früh lernt man: andere Mädchen sind immer auch Konkurrenz. Hinter all den besten Freundschaften für immer und immer zieht sich ein dunkles Netz aus Missgunst, Neid und Schadenfreude.
Sind zwei Frauen eifersüchtig aufeinander, profitiert der Dritte: der Mann, der sich noch mächtiger und unabhängiger fühlen darf. Aus der eingeschränkten Freiheit durch die Eifersucht wird ein Argument für noch mehr Ungebundenheit. Die Freundin wird anfangen, ihren Selbstwert noch stärker daran zu ketten, ob sie den Mann „halten“ kann. Sie wird sich noch mehr um ihn bemühen. Für den Mann kommt eine komfortable Position heraus, in der er sich mehr zurücklehnen und umwerben lassen kann.
Fest steht: Männer steigern ihre Macht durch Konkurrentinnen
In einer monogamen Beziehung erhöhen Männer die Kontrolle über die Freundin, wenn sie das Interesse einer Nebenbuhlerin zulassen oder ihm von sich aus nachgehen. Sie tragen dann keine angemessene Verantwortung für die eingegangene Beziehung und verletzen die Freundin. Aus ihrer emotionalen Gebundenheit heraus wird die Partnerin entweder mit mehr Aufmerksamkeit oder mit mehr Eifersucht reagieren – oder mit beidem. In jedem Fall sinkt so noch ein mal ihre Kontrolle über sich und die Beziehung, sie ist ihren Gefühlen ausgeliefert. Fest steht: Männer steigern ihre Macht durch Konkurrentinnen.
Aus Eifersucht entsteht manchmal Hass auf eine Nebenbuhlerin. Gemeinsame Räume sind dann kaum möglich, die Konkurrentin wird mit Ignorieren bestraft oder manchmal aktiv eingeschüchtert. Dieses Verhalten, das den eigenen Freund als vermeintlichen „Besitz“ gegen jemanden verteidigt, schadet vor allem Frauen. Die eifersüchtige Freundin wird großem Stress ausgesetzt sein. Sie kämpft um die Wiederherstellung der alten Beziehung. Dadurch wird sie sich noch abhängiger von ihrem Freund fühlen. Das ständige Kreisen der Gedanken um die Beziehung und die Verringerung des Selbstwertgefühls, damit muss die Frau klarkommen. Das ist das Paradoxe: Nicht der Mann, der eine monogame Beziehung durch eine neue Frau infrage stellt, muss den Hauptteil der Verantwortung tragen. Die Eifersüchtige und die Nebenbuhlerin schieben sich den Stress gegenseitig zu.
Die Nebenbuhlerin leidet nämlich ebenso unter den Verhaltensweisen der Eifersüchtigen. Sie gerät in einen moralischen Konflikt: einerseits fühlt sie sich von dem Mann angezogen, andererseits möchte sie ihn niemandem wegnehmen. Ihr Wunsch nach Nähe und Beziehung widersprechen der erlernten Frauensolidarität. Eine Möglichkeit, diesen Konflikt aufzulösen, ist die Abwertung der Eifersüchtigen: stellt man sie als schlecht, besitzergreifend, irre oder strafend dar, muss man auf ihre Bedürfnisse auch weniger Rücksicht nehmen. Man kann sich dann ohne Gewissenskonflikt weiter auf den Mann einlassen, um den gerungen wird. Die Eifersüchtige wiederum wird sich angegriffen fühlen. Und wieder: Beide Frauen leiden, der Mann gewinnt Macht.
Viele heterosexuelle, linke Frauen haben aus den genannten Gründen der Ungleichheit ein Unbehagen, polyamouröse oder offene Beziehungen zu erwägen. Sie fürchten von vornherein, dass die Möglichkeit, andere Liebschaften zu haben, von Männern dazu genutzt wird, weniger nahbar, verbindlich und verantwortungsvoll zu sein, sich weniger emotional einzulassen. Es lässt sich öfter beobachten, dass auch in der linken Szene Frauen zu mehr Monogamie, Männer zu mehr Offenheit in Beziehungen neigen. Frauen fordern wegen dieser Konstellation häufig einen monogamen Beziehungsdeal ein, der einen Partner von vornherein in seiner Neigung zur Unabhängigkeit einschränken soll.
Frausein und Mannsein sind im Prinzip also wie Proletariat und Bourgeoisie
Anfangs mag es sich als Zugeständnis anfühlen, dass sich jemand auf eine monogame Beziehung einlässt. Hüterin dieses Beziehungsdeals ist dann aber die Frau. Das Problem, dass Männer unter den Geschlechterverhältnissen generell mächtiger sind, lässt sich so nicht umgehen. Aus dem Machtgefühl, einem Mann eine Treuebekundung abgerungen zu haben, wird schnell die Macht des Mannes, diesen Deal brechen zu können. Das liegt daran, dass (nicht nur) in heterosexuellen Beziehungen von vornherein ungleiche Bedingungen herrschen: Ungleich mächtige Menschen müssen sich Gesetzen oder Regeln fügen, die alle „gleich“ behandeln. Im Prinzip ist es der selbe Mechanismus, durch den im Kapitalismus die Klassenverhältnisse erhalten bleiben. Auch Arme können im Kapitalismus ihr Geld nach geltendem Recht investieren und mehren. Nur haben sie kaum Geld, mit dem sie das könnten. Die Reichen wiederum werden sagen: „Was beschwert ihr Armen euch, für uns gelten die selben Regeln wie für euch. Wenn ihr arm seid, müsst ihr also selber schuld sein.“ Und so ist es auch in Beziehungen: Eingeforderte Treue gilt für beide. Nur: der Preis, den Menschen bei Untreue zahlen müssen, ist sehr unterschiedlich. Deswegen werden Frauen große Kraft anstrengen, Untreue zu vermeiden. Männer brauchen sich kaum kümmern. Frausein und Mannsein sind im Prinzip also wie Proletariat und Burgeoisie.
Wenn Männer keine Verantwortung für Beziehungen tragen – dann lasst uns uns nicht gegenseitig bekämpfen
Ich möchte darum dafür plädieren, strenger mit der eigenen Eifersucht zu sein. Wir linken Frauen sollten uns stärker für diese Dinge solidarisch kritisieren. Wir können keine Zäune um Männer bauen. Denn was wir damit tun, ist, jemandem Liebe zu schenken, dem wir in Wahrheit nicht ausreichend trauen. Dieses Vertrauensdefizit übernehmen wir dann als unser Problem, obwohl es eigentlich die Verantwortung unserer Partner ist. Wir verwalten einen Zaun, weil wir Männern gar nicht erst zutrauen, dem gemeinsam vereinbarten Beziehungsdeal gerecht zu werden. Was wir tun sollten, ist, dieser Verantwortungsabgabe der Männer an uns sehr streng und kleinschrittig nachzuspüren. Wir müssen sie immer wieder erkennen und zurückweisen. Dann können wir gute Argumente auffahren, um zu erreichen, dass unsere Partner Verantwortung für die Macht übernehmen, die ihre Privilegierung im Patriarchat bedeutet. Wenn wir eifersüchtig sind – ob im Einzelfall berechtigt oder unberechtigt – werden wir auf jeden Fall einen Preis zahlen. Wir werden Macht verlieren, Schmerzen ertragen. Hören wir also auf, uns selbst zu belügen: entweder, wir arbeiten an unserer Eifersucht und lassen Männer ziehen, wenn sie nicht von sich aus bleiben. Oder wir beenden Beziehungen, in denen wir ins Hamsterrad der Eifersucht geraten.
Ich möchte für eine Zärtlichkeit unter Konkurrentinnen plädieren: Die Nebenbuhlerin wünscht sich Nähe und Beziehung aus den selben Gründen wie wir. Sie ist deshalb wie wir im Patriarchat benachteiligt. Wenn Männer keine Verantwortung für Beziehungen tragen – dann lasst uns uns nicht gegenseitig bekämpfen. Lasst uns feministische Frauensolidarität leben. Nehmt Kontakt auf zu „Nebenbuhlerinnen“, seid rücksichtsvoll zueinander. Tauscht Informationen darüber, wie sich Männer in Beziehungen verhalten. Lasst euch erzählen, wie der Mann mit der Tatsache umgeht, dass er „eigentlich“ noch eine andere Freundin hat. Wir können ungleiche Beziehungen nicht alleine tragen, sondern nur gemeinsam.