Du moderierst das von dir erfundene Talkformat Karakaya Talks. Während Corona diskutiert ihr statt im Studio per Videostream. Was fehlt dir, wenn die Sendung nicht live ist?
Es macht natürlich einen Riesenunterschied. Menschen zusammen an einem Tisch zu haben und Tee auszuschenken vermittelt ein Gefühl, als wären sie zu Besuch bei uns. Das geht ein bisschen verloren, wenn man alles online macht. Wir sind gerade noch am Testen, wie wir trotzdem dieses Gefühl aufrechterhalten können.
Wie würdest du denen, die eure Talkshow nicht kennen, eure Sendung beschreiben?
Es ist eine interaktive Millennial-Talkrunde im Internet, wo Menschen mit am Tisch sitzen und diskutieren, die normalerweise im deutschen Mainstream unterrepräsentiert sind. Dabei sprechen wir über Pop, Politik und unterschiedlichste Themen. Alle sind dabei empathisch, respektvoll und ein bisschen lustig (lacht).
Was ist deine liebste Zielgruppe von denen, die auf YouTube euer Format anschauen?
Meine liebste Zielgruppe sind Menschen zwischen 25 und 35 Jahren. Personen, die eine Ausgrenzungserfahrung gemacht haben durch Rassismus. Und eine weitere Ausgrenzungserfahrung machen. Also eine Person mit Mehrfachdiskriminierungen.
Könntest du ein Beispiel nennen?
Ich würde es lieben, wenn eine 29-jährige Schwarze Jüdin unser Format guckt. Wenn etwa eine 34-jährige alleinerziehende Kopftuch tragende Mama uns guckt. Ich möchte gerne Menschen ansprechen, die wissen, dass sie nicht nur in eine vermeintliche Kategorie reinpassen. Sondern sich selber als sehr facettenreich verstehen.
Ihr macht gerade ein Crowdfunding bis Ende Oktober, um unter leicht verändertem Namen neue Folgen drehen zu können. Braucht ihr das Geld, weil ihr dann nicht mehr bei Funk, dem Jugendkanal von ARD und ZDF, lauft?
Genau. Aber es war ja nicht so, als wären wir unabhängig gewesen und hätten einfach die Finanzierung von Funk bekommen. Sondern wir sind mit unserem Format zu Funk gegangen und wurden ein Funk-Format. Das hat nicht funktioniert, das hat nach einer Staffel geendet.
Warum hat das nicht funktioniert?
Sehr diplomatische Antwort: Es hat einfach nicht funktioniert und es ist gerade nicht die richtige Zeit und nicht der richtige Ort für eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Du arbeitest seit Jahren in der Medienbranche. In Interviews hast du gesagt, dass du dich in Redaktionen als Hijabi nie wohlgefühlt hast, weil dir das Gefühl gegeben wurde, nicht reinzupassen. Dann hast du mit Karakaya Talk Preise wie den Grimme Online Award abgeräumt. Was dachtest du, als weiße Journalist*innen dir Preise verliehen, wenn sie dir vorher ein komisches Gefühl gaben?
Ich finde das gut und hilfreich, weil es ein gewisses Vertrauenszertifikat von diesen Institutionen ist, dass das, was wir machen, richtig ist. So sind wir sind auf dem Markt schon in gewisser Weise etabliert. Das ist der Vorteil. Der Nachteil ist, dass wohl die wenigsten Personen in Redaktionen das zum Anlass nehmen werden, um selbst zu reflektieren‚ ‚vielleicht war ich oder waren wir damit gemeint‘. Es sind ja meist nicht einzelne Menschen, die unsensibel sind, sondern ganze Häuser. Diese Strukturen sind nicht ausgebaut für Menschen wie mich. Bei der Deutschen Welle war die einzige Person mit Kopftuch, die ich kannte, die Putzkraft.
In eurer Sendung diskutieren ganz selbstverständlich Hijabis oder queere Muslim*innen über Themen, die sie beschäftigen. Damit zeigt ihr anderen Medienschaffenden, dass es gar nicht so schwierig ist, wie oft behauptet, Expert*innen aus verschiedenen Communities zu finden. Welchen Tipp hast du für deutsche Medien?
Zum einen anzuerkennen, dass die Netzwerke fehlen. Wenn eine Redaktion schon von sich aus sagt, die Menschen mit Expertise gebe es nicht, ist da eine Schieflage. Deswegen braucht es erst einmal Anerkennung: man hat die Netzwerke nicht und muss das Problem bei sich suchen. Der zweite Tipp ist, zu überlegen, wie neue Netzwerke erschlossen werden können. Oder mit Menschen zu arbeiten, die eben diese Netzwerke haben. Auch wenn das heißt, da Arbeit reinstecken zu müssen.
Was hältst du von weißen Deutschen, die sich selbstironisch als „Alman“ oder „Kartoffel“ bezeichnen und ihre Freund*innen mit „Brudi“ ansprechen?
Ich habe keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Die Arbeit, die ich gerade versuche zu machen, geht viel mehr ins Strukturelle. Das soll nicht bedeuten, dass es nicht wichtig ist. Aber ich kann erzählen, was es mit mir macht, wenn eine weiße Person diese Wörter benutzt, obwohl sie das sonst vor weißen Menschen nicht machen würde. Dann spüre ich das und das ist unangenehm. Wenn ich aber merke, die Person ist in einem Kiez wie meinem in Berlin-Wedding aufgewachsen, wo man sich mit „Brudi“ anspricht, dann ist es für mich authentisch.
*Hijabi ist die Bezeichnung für eine praktizierende Muslimin, die ein Kopftuch trägt.
Der Link zum Crowdfunding: https://steadyhq.com/de/karakayatalks