Der FC St. Pauli hat mit seinem „Anti-Fa“ Duschgel einen PR-Coup gelandet. Der Konzern Henkel ist erbost, die deutsche Rechte ebenso und die meisten Linken feiern den coolen Kiezklub. Aber im Kern ist St. Pauli ein Fußballkonzern wie viele andere auch.
Seit ein paar Tagen hat der FC St. Pauli eine neue Produktlinie in seinem Online-Shop. In der Kategorie „Schlafen und Waschen“ findet sich neben Waschbeckenstöpsel und Kehrblech jetzt Duschgel, Creme und Seife mit dem wohlklingenden Namen „Anti-Fa. Das „Duschgel mit antifaschistischer Haltung“. Der zu erwartende rechte Shitstorm folgte. Die neu-rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ schrieb „St. Pauli will Antifa reinwaschen“. Aufregung überall. Der Großkonzern Henkel, Hersteller von „Fa“ tat den Leuten in der Marketingabteilung des Fußballclubs sogar noch den Gefallen, sich über das Produkt zu beschweren: „Der Verkauf eines Duschgels mit dem Produktnamen ‚Anti-Fa‘ bzw. Verbindung des Begriffs ‚Anti‘ mit einem unserer Markennamen ist grundsätzlich nicht in unserem Sinne – ganz unabhängig davon, in welchen Kontext dies gestellt wird/welche politische Haltung damit verbunden ist.“ Inzwischen haben Henkel und die Drogeriekette Budni, die das Duschgel verkaufte, sich auf einen „eingeschränkten Verkauf“ geeinigt. Auch zwischen St. Pauli und Henkel gibt es Gespräche. Derzeit ist „Anti-Fa“ nicht lieferbar. Möglicherweise wird das so bleiben.
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Hauptsache mit gutem Gewissen duschen
St. Pauli hat es also mal wieder geschafft, sein rebellisches Image erfolgreich herauszustellen. Einfach ein Duschgel „Anti-Fa“ nennen, das spricht den gemeinen Pauli-Fan sicher an. Schon morgens bei der Dusche kann er sich mit dem Duft des Widerstands gegen Staat, Nation und Kapital umhüllen. Und dabei auch noch etwas Gutes tun. Erlöse aus dem Verkauf gehen an die Initiative „Laut gegen Nazis“, die unter anderem auch von Sony und Warner unterstützt wird. Nicht ganz Antifa aber immerhin klar gegen Nazis. Für den durchschnittlichen St.-Pauli-Fan dürfte der Unterschied zwischen so einer Initiative und einer autonomen Antifa-Gruppe sowieso nicht auffallen. .
In Hamburg, an der Uni oder bei WG-Partys erkennt man ihn schnell. Es sind fast immer Typen. Den schlimmen bauchlinken St.Pauli-Fan. Er sieht aus wie ein Tannenbaum. Mütze mit Totenkopf, Weltpokalsiegerbesieger-Shirt, Gürteltasche – wieder mit Totenkopf – und einen braun-weißen Schal, natürlich der dezente, ohne großes Logo, aber aus dem offiziellen Fanshop. Mit diesem Schal hofft er dann, ein bisschen auszusehen wie ein echter Ultra. Klappt nicht, aber egal. Ist eine Party beim St.-Pauli-Fan trinkt man natürlich aus Gläsern mit Totenkopf und bekommt Toast aus dem Toaster mit Vereinslogo. Ist er Besitzer von „Anti-Fa“, wird er irgendwann hektisch in sein Bad laufen und die komplette „Anti-Fa“ Kollektion präsentieren. Das kann alles sehr niedlich sein, aber auch nervig. Klar, es ist super, dass St.-Pauli-Fans immer eher links sind und es war wohl ein hartes Stück Arbeit, die einige Linke hatten, die seit den frühen 1980ern zum Club an der Reeperbahn gingen.
Irgendein Image braucht ein Klub halt
Aber was ist dran am Rebellentum auf St. Pauli? Im Club-Shop spielt man damit. Da gibt es dann auch ein paar leicht verdauliche linke Motive. Links sein gehört zum Markenkern. Irgendein Image braucht ein Klub halt. Auf Schalke will man immernoch „Kumpel und Malocherclub“ sein und lässt die Spieler durch einen nachgebauten „Kohlestollen“ laufen. Die Bayern haben ihr „Mia san mia“ zum Kern gemacht. Auch sonst ist beim FC St. Pauli viel Branchenübliches zu entdecken. Auf den Trikots wirbt die Telekomtochter „Congstar“. Ein Séparée im Stadion hat die Werbeagentur „Jung von Matt“ angemietet, die 2016 für Innogy eine Kampagne unter dem Motto „Rheinland wird Reinland“ durchführte, während der Innogy Mutterkonzern RWE fleißig Braunkohle abbaut. Auch der letzte CDU-Bundestagswahlkampf wurde von der Werbeagentur konzipiert. Und dann wäre da außerdem noch „Under Amour“, Ausrüster des FC St. Pauli. Der amerikanische Sportartikelhersteller gewährt Veteranen der Streitkräfte Rabatte, soll über Geschäftsbeziehungen zum Verteidigungsministerium verfügen und Firmengründer Kevin Plank ist bekennender Trump-Fan. Für seine pro-Trump Aussagen musste Plank zwar einiges an Kritik einstecken – auch vom FC St. Pauli – an seiner Haltung dürfte dies aber kaum etwas ändern.
St. Pauli und „Anti-Fa“, das ist eine hübsche Marketinggeschichte und der Club, besonders viele seiner Fans, haben ihre Verdienste in Sachen linker Fußballkultur in Deutschland. Trotzdem funktioniert auch der Kiezklub nach den Logiken des Fußballgeschäfts im Kapitalismus. Ein St. Pauli Schal macht niemanden zum Antirassisten und die Dusche mit „Anti-Fa“ ersetzt nicht den Gang auf die Straße, wenn Nazis marschieren.