Die „Feminas Ilustradas“- das Kollektiv feministischer Künstler*innen will die Diversität der kolumbianischen Frauen in ihrer Kunst widerspiegeln und eine Plattform für gegenseitiges Empowerment schaffen. Lina Marcela (26) und Melissa (26) erzählen von ihrer Arbeit, und der feministischen Bewegung in ihrem Land.
Wir beide sind Grafik Design Studentinnen und haben einen sehr ähnlichen Geschmack, wodurch unsere Stile gut harmonieren. Auf diese Weise entstand auch das Kollektiv „Feminas Illustradas“. Wie der Name schon sagt, soll unsere Arbeit die feminine Diversität und Kraft illustrieren und damit sichtbar machen.
Zeichnen ist unsere Art zu sprechen, durch die Bilder kommunizieren wir Erfahrungen, den Kampf und die Schmerzen die wir als kolumbianische Frauen teilen.
Wir lieben Musik, nehmen gerne an indigenen Tänzen teil und fühlen uns sehr stark mit der Natur verbunden. Diese Liebe zur Natur, dem Fluss, dem Dschungel und den Bergen rund um Cali, fließen stark in unsere Arbeit als Illustratorinnen ein. Einige Motive sind Verschmelzungen aus dem weiblichen Körper und Elementen der Natur, also Tieren und Pflanzen, insbesondere Blumen, so wie in unserem Logo oder im Bild der Jaguarfrau.

Unsere Kunst soll nicht mit dem weiblichen Körper konfrontieren, sie soll Bilder schaffen, mit denen man sich identifizieren kann. Ihr Zweck ist bei anderen etwas auszulösen, weil sie sich ähnlich fühlen und ein neues Gefühl von Kraft zu wecken. Die Frauen in unseren Bildern sind alltäglich, stark und natürlich. Manche repräsentieren bestimmte indigene Gruppierungen andere sind beeinflusst von uns selbst oder Freundinnen.

Wir leben in Cali, in der Großstadt, aber fährt man eine Stunde mit dem Bus, befindet man sich in einer ganz anderen Welt. Das ist auch politisch relevant, denn leider haben die Frauen, speziell Indigene, im ländlichen Raum ein besonders schweres Los gezogen. Zu den sexistischen Diskriminierungen kommt die strukturelle Benachteiligung der ländlichen Bevölkerung. Illegale Landnahme und das Fehlen von Repräsentation in der Politik führen zu dramatischen Benachteiligungen. Es herrscht massive Armut, ein – gerade für Frauen – erschwerter Zugang zu Bildung und die medizinische Versorgung ist äußerst eingeschränkt. Diese beiden Aspekte treffen die weibliche Bevölkerung mit Nachdruck, da wenig Bewusstsein über körperliche Selbstbestimmung vermittelt wird und der Zugriff auf Verhütungsmittel und gynäkologische Versorgung gering ist. Darüber hinaus wurde der bewaffnete Konflikt zwischen Guerilla-Gruppierungen und der kolumbianischen Regierung speziell in diesen Gebieten ausgetragen, was oft zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen führte.

Cristina Bautista war eine kolumbianische Aktivistin, die die Rechte und Würde der indigenen Bevölkerung verteidigte. Sie wollte auf die Morde an politischen Aktivist*innen der indigenen Gemeinschaft aufmerksam machen und wurde am 29. Oktober 2019, einen Tag nachdem sie eine Rede zu diesem Thema gehalten hatte, erschossen.
In ländlichen wie urbanen Gebieten, besonders dort, wo wenig Wohlstand herrscht, ist es nicht leicht an die Frauen heranzukommen und ein Bewusstsein für bestehende Diskriminierungen zu schaffen. Oftmals werden ungerechte sexistische Strukturen als so selbstverständlich angesehen, dass die Frauen sie bereits verinnerlicht haben und für natürlich halten. Als gäbe es kein anderes Los für eine Frau als zu leiden, sich unterzuordnen, den Haushalt zu führen und Kinder zu erziehen, ohne es infrage zu stellen. Weil es sich hier vorwiegend, um erwachsene Frauen handelt ist es schwierig ihnen zu vermitteln, dass das Patriarchat nicht die „gottgegebene“ Ordnung der Dinge ist. Doch genau deshalb besteht ein enormes Potenzial durch Aufklärungsarbeit Veränderung zu erzielen.
Denn tatsächlich gibt es auch den gegenteiligen Effekt: gerade durch die massiven Diskriminierungen stehen viele Frauen besonders energisch für ihre Rechte ein. Die meisten von ihnen mussten schon immer stark sein, ganze Familien allein durchbringen und sich untereinander unterstützen und zusammenhalten. Sie organisieren sich in Gruppen und Kollektiven und protestieren besonders entschlossen, weil sie gar keine andere Wahl haben.

Letzten Herbst hatten wir ein Projekt mit den Organisationen Women’s Link Worldwide und ASOM, einer Organisation der afrokolumbianischen Frauen in Nord Cauca, das uns besonders gut gefallen hat. Wir sollten ein Kinderbuch illustrieren, in dem es um ein kleines Mädchen aus dem Bezirk Cauca geht. In der Geschichte wird Mirta mit der Armut der ländlichen Bevölkerung und dem bewaffneten Konflikt zwischen der Regierung und Guerillagruppierungen konfrontiert. Für das Projekt haben wir uns vor Ort mit den Frauen aus der Region, und ihren persönlichen Geschichten beschäftigt, um ihre Lebenswelt authentisch wiedergeben zu können. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung und die Frauen waren am Ende zufrieden damit, wie sie durch die Bilder repräsentiert werden.

Seitdem hatten wir weitere Projekte mit diesen NGO’s und durften an der Universität von Popayan einen Vortrag halten. Die Reaktionen der Teilnehmer*innen haben uns sehr berührt. Ein Mädchen hat uns im Anschluss angesprochen, um uns zu erzählen wie sehr sie sich in unseren Motiven wiederfinden konnte und ein neues Gefühl von Stolz ihrer Weiblichkeit gegenüber empfand. Da hatten wir das schöne Gefühl, dass unsere Arbeit sinnvoll ist daraus schöpfen wir neue Motivation, denn genau das ist unser Ziel. Zu sehen wie unsere Kunst andere bewegt, gibt uns die Energie, um weiter dran zu bleiben so empowern wir uns wechselseitig.
Am Ende der Geschichte schließt sich Mirta, die inzwischen selbst Mutter ist, einer Gruppe von Frauen an, die für ihre Rechte eintreten und einander stark machen. Genau wie in der Geschichte wollen wir mit unserer Arbeit Gemeinschaft entstehen lassen. Deshalb planen wir momentan eine nationale Versammlung feministischer Kollektive und Gruppierungen. Es wird zwei Treffen geben, eins in Cali und eins in Bogota. Das Ziel ist uns auszutauschen und den anderen unsere Arbeit vorzustellen, um uns Inspiration zu geben und ein Netzwerk für feministische Aktivist*innen in Kolumbien zu schaffen.