Manche linken Männer ziehen sich morgens ein T-Shirt mit „Feminist“-Aufdruck an und sind stolz auf sich. Kein Wunder, dass es von Frauen dafür kritische Blicke gibt. Denn dieser Griff in den Kleiderschrank entblößt die inhaltliche Leere vieler linker Männer. Das kindliche Bedürfnis nach Eindeutigkeit gesellt sich zu dem identitätspolitischen Anspruch, auf der richtigen Seite stehen zu wollen. Aber der feministischen Bewegung bringt das nichts. Denn der „Feminismus für Männer“ ist kein Zustand, kein Label, kein Kleidungsstück mit Slogan, das man sich überstülpen kann, sondern ein ständiger Prozess – und die herbeigesehnte Eindeutigkeit so sicher und erreichbar wie ewiges Leben.
Männer profitieren vom patriarchalen System
Männer profitieren vom patriarchalen System, in dem wir leben. Aufgrund unseres Geschlechtszuschreibung werden uns Privilegien zuteil. Die, des „anderen Geschlechts“, also alle außer Cis-Männer, leiden darunter. Als Mann ein „Feminist“-Shirt zu tragen sagt nichts anderes als: „Schau mich an, ich bin nicht wie die anderen Brutalos!“. Doch wie kannst du dir, wie könnte ich mir da so sicher sein?
Unter linken Männern gehört es zum guten Ton, zum unwidersprochenen Konsens, sich feministisch zu geben. Und das ist auch gut so! Zur Überwindung dieses Machtprinzips, das Frauen und Personen des LGBTIQ-Spektrums tötet oder verletzt, sie objektiviert oder kaum ernst nimmt, müssen diejenigen, die strukturell von genau diesem Machtprinzip profitieren, was tun. Dazu gehört es, zuzuhören, wenn diejenigen sprechen, die nicht so unbesorgt wie man selbst nachts nach Hause gehen können. Dazu gehört es, gesellschaftspolitische Fragen laut zu stellen: Wer macht denn die ganze unbezahlte Care-Arbeit? Wem wird es schwerer gemacht, beruflich aufzusteigen?
Reaktion: Täterschutz
Und doch scheint all das Labeling, alle gutgemeinten Parolen und Plakate in alltäglichen Situationen wenig zu bringen. Bestes Beispiel dafür sind die Vorkommnisse auf den beiden linken Festivals „Monis Rache“ und „Fusion“. Täter befestigten Spionagekameras auf Toiletten bzw. in den Duschen. Das Material der Betroffenen landete auf der Pornoseite X-Hamster und wurde dort im fünfstelligen Bereich angeklickt. Die Journalistin Patrizia Schlosser machte den Täter der Videos von „Monis Rache“ ausfindig, die ersten Reaktionen aus dem Umfeld des Mannes auf die Übergriffe waren aber typisch, auch für die linke Szene: Intransparenz und Täterschutz.
In einem Beitrag in „konkret“ bringt es der Publizist Kim Posster auf den Punkt: „Gerade weil Männer (unbewusst) wissen, dass sie mehr mit den Tätern gemein haben, als ihnen lieb ist, zeigen sie oft Abwehr, statt die Bedeutung solcher Taten zu begreifen und in ihrem Umgang solidarische Konsequenzen zu ziehen“. Woran das liegt? Weil laut Posster „auch linke Männer erst mal Männer und dann Linke sind“.
Sozialisation erklärt, aber entschuldigt nicht
Als Mann sozialisiert zu sein, bedeutet, zahlreiche patriarchale Denk- und Handlungsmuster verinnerlicht zu haben. Das kann sich darin äußern, eine dominante Rolle in Gesprächen einzunehmen, von der eigenen Unfehlbarkeit auszugehen oder Frauen und Personen des LGBTIQ-Spektrums paternalistisch zu begegnen. Etwa, als ein Mann versuchte, der Schriftstellerin Rebecca Solnit großmäulig ihr eigenes Buch zu erklären. Zwar kann der gesellschaftliche Aspekt verinnerlichte Geschlechterrollen und dementsprechendes Verhalten erklären. Er rechtfertigt oder entschuldigt diese aber nicht. Es zeigt eher, dass wir uns nicht per Knopfdruck von einem jahrzehntelang antrainiertem Verhalten lösen können. In diesem Sinne waren die Reaktionen vieler Männer auf die beschriebenen Übergriffe bei den Festivals bezeichnend. Es nützte gar nichts, als sich als feministisch verstehende Alphas ihre Gewaltphantasien gegen „das perverse Schwein“ richteten.
Das Label „Feminist“ macht kurzsichtig
Auch neigen wir Männer dazu, uns die Rededominanz zu Themen anzueignen, in denen wir vorgeben, die eigenen Dominanzstrukturen zu hinterfragen. Wie es nicht geht, zeigte eine Podiumsdiskussion in Würzburg zu „Sexismus im Deutschrap“ sehr deutlich. Auf dem Podium sah sich neben der Moderatorin nur eine Frau drei Männern gegenüber. Zwar könnte man argumentieren, dass mit Erfahrung (in diesem Fall, Erfahrungen sexualisierter Diskriminierung) die Wahrheit alleine nicht fassbar wird und es einer Analyseebene bedarf, die auch von Männern durchdrungen werden kann. Das Podium zeigte aber sehr deutlich, wem grundsätzlich eher ein Expert*innenstatus zugesprochen wird: Männern. Schaut man auf die Statistik, sieht man: Werden Expert*innen zugeschaltet, beträgt der Anteil von Frauen bei politischen Themen nur 17 Prozent. Bei Wirtschaftsthemen sogar nur 7 Prozent. Das Label „männlicher Feminist“ macht also einerseits zu selbstbewusst und andererseits kurzsichtig den wirksamen Machtstrukturen gegenüber, in denen man sich ständig selbst bewegt.
Der Feminismus kennt nur Gewinner
Dabei ist der Feminismus auch ohne dieses Geprahle mit dem Label „Feminist“ für Männer ein Gewinn. Denn das Bild eines Mannes, der nicht über seine Gefühle sprechen kann, der sich und anderen keine eigenen Schwächen eingestehen kann, ist so allgegenwärtig wie verinnerlicht. Die Folge: Es sterben mehr Männer an unentdeckten Krankheiten und die Selbstmordrate in Deutschland ist dreimal so hoch wie bei Frauen. Dieses selbstverschuldete Unvermögen muss sich grundlegend ändern. Aber was dabei nicht vergessen werden darf und was die Selbstbeschreibung als Feminist gerne verdeckt: Wir Männer stehen, auch wenn sich die zerstörerische Form des Patriarchats in Nuancen gegen uns richtet, auf der Nutznießer-Seite. Die Feministin Lynne Segal notierte dazu: „Die Realität männlicher Macht neigt dazu, weggespült zu werden von den Tränen, die um die ihr zu Grunde liegende Verletzlichkeit vergossen werden“.
Gleichzeitig kann es nicht die Lösung sein, Frauen nur gut zuhören zu wollen und sie alles machen zu lassen. Kim Posster schreibt dazu: „Dass Betroffene in Bezug auf ihre Betroffenheit für sich sprechen können sollen, ist essentiell.“ Gleichzeitig verkomme diese Forderung leicht zu einem Zugeständnis, wenn sie verabsolutiert wird. Dieses beruhe auf einer unterschwelligen Bedingung: „Die Betroffenen mögen es bitte dabei belassen. Auf diese Weise wird der universalistische Anspruch feministischer Kritik und der Status von Frauen als politisches Subjekt wieder verneint. Männern erlaubt das eine Pseudosolidarität, die einer gönnerhaften „Lass-die-Mädels-mal-machen“- Haltung gefährlich nahe kommt“.
Es ist unerlässlich, sich auch als Mann zu feministischen Themen zu verhalten. Jedoch ohne sich dieses Label zu geben, dem wir nicht gerecht werden können. Sich als Mann Feminist zu nennen, zeugt von einer Unehrlichkeit gegenüber sich selbst. Denn wir alle haben uns schon daneben verhalten. Mit einem Label scheint alles gesagt, aber noch nichts getan. Wenn wir den Feminismus ernst nehmen wollen, braucht es andere Ansätze. Es braucht ein Zuhören, es braucht ein ständiges Hinterfragen der eigenen Geschlechterrolle. Es braucht einen Austausch unter Männern dazu und es braucht konkrete solidarische Aktionen. Dann kann auch dieses Shirt im Kleiderschrank bleiben.