Wir müssen es in Deutschland endlich als das benennen, was es ist: Frauenmorde. Oder: Femizide. Fast Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Expartnerin umzubringen. 122 Frauen wurden vergangenes Jahr von ihren Partnern oder Expartnern getötet, das macht ein Femizid alle drei Tage.
In Lateinamerika, Spanien und Italien finden regelmäßig Massendemonstrationen gegen Femizide statt. Am Samstag gingen allein in Frankreich im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen 150.000 Menschen auf die Straße, weitere Großdemos gab es unter anderem in Rom, Lausanne, Athen und Mexiko-Stadt. In Deutschland demonstrieren am 25. November jedes Jahr nur wenige Hundert, meist sind es migrantische Frauenorganisationen, die dazu aufrufen.
Die Verantwortung dafür liegt auch bei uns Medien: Morde an Frauen werden oft nur in den Randspalten von Regionalzeitungen erwähnt – außer, der Tatverdächtige ist ein Geflüchteter. Erst kürzlich hat sich die Nachrichtenagentur dpa entschieden, Frauenmorde nicht mehr mit Wörtern wie „Beziehungsdrama“ oder „Familientragödie“ zu betiteln.
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Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind. Das sind keine individuellen Familiendramen, das ist ein strukturelles Problem. Der Unwille in Deutschland, das anzuerkennen, hat auch koloniale Züge: Man tut so, als hätte man mit so etwas Unzivilisiertem wie Gewalt gegen Frauen hierzulande nichts zu tun. So als wäre das bloß ein Problem des globalen und europäischen Südens – oder eben der Menschen, die von dort kommen. Das ist schlichtweg falsch. Hier noch ein paar Zahlen:
- Fast 60 Prozent der Frauen in Deutschland geben an, schon sexuell belästigt worden zu sein.
- 40 Prozent haben seit dem 16. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren.
- Mehr als einmal pro Stunde wird eine Frau von ihrem Partner oder Expartner gefährlich verletzt.
- Jede vierte Frau hat schon Gewalt in Partnerschaften erlebt.
- Partnerschaftsgewalt nimmt zu. Zwischen 2013 und 2016 ist die Zahl der Opfer um mehr als 9 Prozent gestiegen.
- Der Großteil der Tatverdächtigen von Partnerschaftsgewalt ist männlich (80%) und deutsch (67%).
Gewalt gegen Trans*frauen wird in Deutschland nicht gesondert erfasst. Wer die aufwendigen und teuren Prozeduren (noch) nicht auf sich genommen hat, um den offiziellen Geschlechtseintrag bei den Behörden zu ändern, fällt höchstwahrscheinlich auch aus den obigen Statistiken heraus. Darüber hinaus sind trans*menschen und insbesondere trans*frauen zusätzlich in Gefahr, weil sie nicht nur einfacher Frauenfeindlichkeit sonder auch Transfeindlichkeit ausgesetzt sind. Weltweit wurden vergangenes Jahr 369 Morde an Trans*menschen nachgewiesen, Tendenz steigend. Das Forschungsprojekt “Transrespect versus Transphobia Worldwide” (TvT), das diese Zahl erhebt, schreibt in einer Pressemitteilung, die Anzahl der tatsächlichen Fälle sei unmöglich zu schätzen. Bei 88 Prozent der ermordeten Trans*menschen in Europa handelte es sich um Sexarbeiter*innen, bei 65 Prozent um Migrant*innen.
Die deutsche Haltung, wir hätten kein Problem mit Gewalt gegen Frauen ist nicht nur falsch, sie hat auch reale Konsequenzen. Zur Zeit fehlen laut ARD-Tagesschau 14.600 Plätze in Frauenhäusern; Die Bundesregierung hat Mittel für den Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen zugesagt. Was sich erst einmal nicht ändern soll: Die Betroffenen müssen den Aufenthalt im Frauenhaus in der Regel selbst bezahlen.
Wenn man sich die „Beziehungstragödien“ in den Regionalzeitungsrandspalten einmal durchließt, stellt sich außerdem heraus: Das Opfer des Femizids hatte sich oft bereits zuvor an die Polizei gewandt – und bekam nicht ausreichend Schutz.