Am Vorabend des Frauen*kampftags lässt es das Hip-Hop-Festival „Jenseits von Nelken und Pralinen“ online krachen. Supernova hat mit Jackie Jackpot und Simone Schrempf aus dem Veranstalter*innenkollektiv darüber gesprochen, was dieses Jahr passiert und wofür es das Festival gibt.
Euer Festival „Jenseits von Nelken und Pralinen“ ist die Hip-Hop-Antwort auf den 8. März. Es geht darum, nicht einfach weibliche Artists auftreten zu lassen, sondern welche mit feministischen Inhalten, oder?
Jackie Jackpot: Also erst einmal weiblich mit Sternchen. Die Künstlerinnen beziehen sich nicht nur auf Feminismus, es geht auch um andere politische Themen, was in ihren Ländern oder global gerade nicht gut läuft. Aber dazwischen gibt es auch welche, die das nicht in den Vordergrund stellen. Sondern sagen, mir geht es um Hip Hop und ich bin als Frau schon mal hier, ohne die zu sein, die ständig im Radio läuft, weil das Bikinioberteil so kurz wie möglich gehalten ist.
Wenn man das Booking anschaut, sieht man außerdem viele Rapperinnen aus unterschiedlichen Ländern.
Jackie Jackpot: Genau, weil der Anlass ja der Internationale Frauen*tag ist, dementsprechend laden wir internationale Künstlerinnen ein. Budgetmäßig konnten wir aber leider noch nicht über Europa hinaus. Außerdem gibt es außerhalb Deutschlands so viele andere Stile, wie man mit Hip Hop und Rap umgehen kann. Das erweitert das musikalische und sprachliche Spektrum.
Und was gibt es für euch jenseits von Nelken und Pralinen, den typischen Geschenken für Frauen am 8. März, zu erreichen?
Simone Schrempf: Wir wollen mehr. Es geht um Rechte für Frauen in allen Bereichen. Wir verstehen das Festival als eine politische, emanzipatorische Arbeit im Musikbereich. Ein Puzzleteil von vielen anderen Kämpfen und Strömungen. In der Musikbranche ist es nach wie vor so, dass bei Festivals meist mehr als 75 Prozent Männer auftreten. Das ist politisch nicht richtig, und musikalisch dumm. Weil es einfach so viele Frauen gibt, die was zu sagen haben und musikalisch spannend sind.
Jackie Jackpot: Auf den Bühnen stehen so viele Männer, weil hinter den Kulissen ja auch so viele Männer tätig sind. Unser Kernkollektiv besteht nur aus Frauen*. Das merken wir in der Zusammenarbeit und an den empowernden Momenten, die wir miteinander haben.
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Müssen Frauen im Hip Hop denn besonders bestärkt werden? Die Szene hat den Ruf, sexistischer und männerdominierter als andere Musikrichtungen zu sein.
Jackie Jackpot: Schwer zu sagen. Im Rap und Hip Hop ist es expliziter oder wird wortreicher ausgedrückt, etwa bei Battle-Rap-Geschichten. Und weil die Rollenbilder im Hip Hop meist enger gefasst sind. Der harte Rapper und die sexy Tänzerin.
Simone Schrempf: Bei den anderen Genres findet das vielleicht hinter der Bühne statt oder unterschwelliger. Aber trotzdem ist der Prozentsatz von Frauen auch im Indie, im Metal oder in der Klassik, ob als Songwriterin, Musikerin oder Sängerin, verschwindend gering.
Dieses Jahr wird das Festival zum sechsten Mal stattfinden. Was wolltet ihr damals und was wollt ihr heute?
Jackie Jackpot: Der Ansatz ist immer noch der gleiche: Frauen* sichtbarer zu machen. Letztes Jahr hatten wir zum ersten Mal eine Minitour gemacht und das Festival in Berlin und im Kassablance in Jena stattfinden lassen. Das würden wir gerne ausbauen nach Corona. Dass wir über Zwischenstopps in anderen Städten am 7.3. in Berlin ankommen. Mit dem selben Line-up. Weil ein Gedanke bei uns auch das Netzwerken ist. Es war uns immer wichtig, die Künstlerinnen noch einmal zusammenzubringen am nächsten Tag. Das könnte auf einer Tour ganz anders umgesetzt werden. Alle lernen sich natürlich besser kennen, wenn man zusammen reist.
Simone Schrempf: Und durch das digitale Format können wir eventuell Künstlerinnen über Europa hinaus per Videoschalte dazu holen, die wir sonst wegen hoher Reisekosten nicht einladen könnten.
Ihr habt vor, während der Konzerte die Zuschauer*innen per Kamera-Übertragung in den Club zu projizieren. So sehen die Auftretenden das Publikum und dieses sich gegenseitig. Macht ihr das, um der Videocall-Müdigkeit nach einem Jahr Pandemie Abhilfe zu schaffen?
Jackie Jackpot: Auch, ja. Streams sind momentan die einzige Einnahmequelle für Künstlerinnen. Aber es ist natürlich für alle Beteiligten immer eine sehr isolierte Angelegenheit. Die Künstlerinnen stehen mutterseelenallein in irgendeinem Club oder mit zwei Kameraleuten. Dann ist der Stream vorbei, als Zuschauer*in drückt man auf den Knopf und ist alleine. Wir wollen den Künstlerinnen und den Leuten das Gefühl geben, wirklich mit anderen zu feiern. Und die Regie wird manche als Bild groß reinholen. Ein bisschen so, als ob man bei einem Konzert auf die Bühne geholt wird. Dass die Künstlerin auch weiß, die ist jetzt in gewissem Sinne auf meiner Bühne, jetzt könnte ich mit ihnen interagieren.
Simone Schrempf: Das ist so nah an einem normalen Konzerterlebnis dran, wie es eben geht.
Dazu schlagt ihr vor, dass die Festivalbesucher*innen sich ein Club-Outfit anziehen und Drinks kaltstellen. Glaubt ihr, die Leute werden das machen, oder eher im gerade gängigen Zu-Hause-Schlabber-Look erscheinen?
Jackie Jackpot: Die Idee ist, aus dieser passiven Fernsehguck-Mentalität herauszukommen. Es wäre schön, dieses Gefühl zu haben, als würde man in den Club gehen. So, in zwei Stunden fängt es an, jetzt mache ich mich zurecht, weil ich bin ja für die anderen auch zu sehen, und gegebenenfalls im Stream für alle groß eingeblendet. Und den Laptop oder das Smartphone an die Anlage anschließen, ganz wichtig, damit man auch einen guten Sound hat. Das heißt, man überlässt es nicht dem Club, die Stimmung zu kreieren, indem er schön beleuchtet ist und mit gutem Sound, sondern man ist selbst der Club und macht sich ihn zurecht. Wir sind gespannt, ob es funktioniert.