In Israel werden zwei junge Frauen ermordet. 30.000 Menschen gehen in Tel Aviv auf die Straße, Frauen streiken, blockieren Straßenkreuzungen, legen den Flughafen Ben Gurion lahm. Eine Woche später in Nürnberg: Ein Mann sticht drei Frauen nacheinander auf offener Straße nieder. Die Reaktion: Auf Twitter wird erst mal über den möglichen Migrationshintergrund des Täters spekuliert und auf den „islamistischen Wahnsinn“ geschimpft – bis bekannt wird, dass der Tatverdächtige ein weißer Deutscher ist.

Wenn Frauen von ihren Ehemännern, Ex-Freunden oder von fremden Frauenhassern ermordet werden, wird das in vielen Teilen der Welt „Feminizid“ genannt: Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. In Argentinien hat sich dagegen die mächtige „Ni Una Menos“-Bewegung formiert, die ebenfalls Frauenstreiks und Demos mit Hunderttausenden von Teilnehmer*innen organisiert und sich seit 2015 über viele lateinamerikanische Länder bis nach Spanien und Italien verbreitet hat. Wenn in Deutschland eine Frau von ihrem Partner umgebracht wird, heißt das in den Medien „Familiendrama“, ganz so, als ob es sich dabei um einen bedauerlichen Einzelfall handeln würde.
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Einen Tag nach den Messerattacken von Nürnberg wird in einem Dorf in der Nähe eine Frau ermordet. Der mutmaßliche Täter: ihr Lebensgefährte. Die regionale Online-Zeitung „inFranken.de“ nennt die Tat „Beziehungsdrama“. So wie der „NDR“, der von „Familiendrama“ schreibt, als eine Woche zuvor eine vierfache Mutter von ihrem Ehemann umgebracht wird. Solche Worte klingen irgendwie nach „Verbotene Liebe“ oder „Desperate Housewifes“. Jedenfalls nach einem schlimmen Schicksal, das aber immer nur den anderen passiert, Alkoholiker*innen oder HartzIV-Empfänger*inner vielleicht. Mit einem selbst hat das auf jeden Fall nichts zu tun.
Jeden zweiten bis dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner umgebracht
Dass in Deutschland Leute auf die Straße gehen, weil eine Frau ermordet wurde oder dass zumindest eine gesellschaftliche Debatte darüber entsteht – dafür muss der Täter schon Ausländer sein. So wie vor einem Jahr in Kandel, als ein Geflüchteter aus Afghanistan seine 15-jährige Freundin ermordete. Seitdem wird dort immer wieder demonstriert, aber natürlich nicht gegen Gewalt an Frauen an sich, sondern gegen Einwanderung.
Frauenmorde sind keine tragischen Einzelschicksale, keine privaten „Familiendramen“, sondern ein strukturelles Problem. Jeden Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem Ehemann, Partner oder Ex-Freund lebensgefährlich attackiert. In vier von zehn Fällen stirbt die Frau tatsächlich. Im Jahr 2017 bedeutete das 141 getötete Frauen – und da sind noch nicht diejenigen mit eingerechnet, die später an ihren Verletzungen starben oder beispielsweise von ihrem Onkel umgebracht wurden.
Auch Männer erfahren Gewalt in Partnerschaften. Etwa 20 Prozent der Opfer von Mord und Totschlag in Beziehungen sind Männer. Allerdings sind Männer auch in über 80% der Fälle die Täter. Die meisten von ihnen haben dabei kein Alkohol getrunken. Außerdem werden 68 Prozent der Gewalttaten in Beziehungen von Deutschen verübt.
Attentate aus Frauenhass
Und dann gibt es noch die Hassattacken auf Frauen in der Öffentlichkeit, so wie in Nürnberg oder in Toronto, vergangenen April. Als dort ein Mann in einem Kleinbus über einen vollen Gehweg in einer Einkaufsstraße fuhr, zehn Menschen tötete und 13 verletzte, dachten natürlich alle sofort an islamistischen Terrorismus – bis herauskam, dass der Mann es gezielt versucht hatte, möglichst viele Frauen umzubringen. Die Tat wurde im öffentlichen Gedächtnis erstaunlich schnell in die Akte „irgend so ein Psycho“ einsortiert, so als könnten jetzt alle erleichtert aufatmen, weil es zum Glück kein islamistisches Attentat war.
Als Frauen können wir nicht aufatmen. Feminizide sind nicht nur in Lateinamerika oder in Südeuropa ein Problem, wo sich „Ni Una Menos“ massiv zur Wehr setzt. Sie sind nicht das Problem von Einwanderern. Sie sind genauso ein deutsches Problem. Wir müssen aufhören, so zu tun, als sei es das private Schicksal von Einzelnen, wenn jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau von ihrem Partner umgebracht wird. Sonst bleiben die Einzigen, die sich dafür „interessieren“, die AfD und andere rechtsradikale Gruppen. Und denen geht es ganz sicher nicht um Geschlechtergerechtigkeit, sondern einzig darum, die Gewalt gegen Frauen für ihre rassistischen Parolen zu benutzen.