Ok, Gillette. Du hast zehntausenden Männern, die sich täglich mit deinen Klingen das Gesicht rasieren, in deinem neuen Werbespot erklärt, dass sie mal ein bisschen weniger sexistisch sein könnten. Sollen wir Feminist*innen, die das seit Jahrezehnten tun, dir jetzt dafür auf die Schulter klopfen – beziehungsweise vor Freude deine Rasierer kaufen? Klar, ein Werbespot gegen toxic masculinity ist besser als einer, in dem Frauen nur als schmückende Sexobjekte vorkommen. Aber der Hype um das Video verkennt: Gillette ist ein großer Konzern wie jeder andere, dem es nicht um Feminismus geht, sondern um Profit.
Auf H&M-Shirts kann man seit einigen Jahren immer mehr Slogans wie „Power to the Girls“ lesen. Die Parfummarke Zadig&Voltaire wirbt mit dem Spruch „Girls can do anything“ – vor einem dünnen, weißen, normschönen Model auf einem Skateboard. Die Bindenmarke Always zog bereits 2014 die Aufmerksamkeit mit dem Video „#LikeAGirl“ auf sich, in dem es darum geht, dass „Du rennst wie ein Mädchen“ keine Beleidigung sein sollte.
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All diese Beispiele zeigen nicht, dass große Firmen immer feministischer werden – sie zeigen allein, dass feministische Bewegungen so einflussreich geworden sind, dass die Firmen sie nicht länger ignorieren können. Anstatt Gillette zu loben, können Feminist*innen den neuen Werbespot also als Zeichen ihrer eigenen Stärke begreifen.
Feminist*innen können sich selbst auf die Schulter klopfen – nicht Gillette
Das Ziel von Konzernen ist, ihren Profit zu steigern. Viele Jahrzehnte lang hat das sehr gut mit Werbung funktioniert, in der extrem dünne Frauen viel nackte Haut zeigen oder aber fröhlich staubsaugen und sich glückserfüllt um Kinder kümmern. Das funktioniert auch immer noch sehr gut. Nur eben nicht mehr ganz so gut wie früher. Durch jahrzehntelange politische Arbeit haben Feminist*innen erreicht, dass einige ihrer Positionen jetzt auch im Mainstream diskutiert werden.
Zumindest die leicht verdaulicheren von ihnen: Dass Männer aufhören sollten, Frauen* sexuell zu belästigen zum Beispiel. Sogar gegen diese Forderung gibt es noch jede Menge Widerstand, wie der männliche Shitstorm gegen das Gillette-Video zeigt. Aber spätestens seit #metoo wird zumindest über das Problem gesprochen. Für die Firma ist es ganz einfach eine kluge Marketingstrategie, auf den Zug mit aufzuspringen und etwas von der Aufmerksamkeit für sich zu nutzen.
Schlechte Arbeitsbedingungen, abgeholzter Regenwald
Andere feministische Forderungen würde Gillette sicher nicht so einfach unterstützen: zum Beispiel, den Kapitalismus abzuschaffen. Oder zumindest, für faire Arbeitsbedingungen zu sorgen und das Klima und die Lebensräume von Menschen nicht völlig zu zerstören. Arbeiter*innen haben immer wieder gegen Gillette protestiert, weil der Konzern zum Verpacken seiner Rasierer teilweise zu zwei Dritteln Zeitarbeiter*innen beschäftigte. Sie wurden tageweise beauftragt, schlechter bezahlt als Festangestellte und hatten kaum Arbeitsrechte. Die meisten von ihnen waren Migrant*innen, viele unter ihnen Frauen.
Procter & Gamble, der Großkonzern zu dem Gillette gehört, stand unter anderem in der Kritik, weil er die indigenen Bevölkerungsgruppen der Tupinikim und der Guaraní von ihren Ländereien vertrieb, um den dortigen Amazonas-Regenwald abzuholzen und Monokulturen anzulegen. Kein Konzern, der so handelt, hat es verdient, von Feminist*innen gefeiert zu werden.