Auch wenn der SPIEGEL und viele andere immer noch von einem ‚Hacker‘ schreiben: ‚Der‘ wohl bekannteste Hacktivist der letzten Jahre, Phineas Fisher, ist vermutlich eine Frau. Noch dazu eine, die Feministinnen zitiert und für die Kämpferinnen in Rojava brennt. Das legt die Hackerin in einem, letzten Sonntag veröffentlichten, Text nahe. Darin bekennt sie sich zu dem Diebstahl interner Daten der Offshore-Bank „Cayman National“, den diese wenig später bestätigte.
Noch ist unklar, ob aus den veröffentlichten Daten auch brisante Fälle von Steuerhinterziehung hervorgehen, wie bei den Panama Papers. Die Hackerin hatte aber vermutlich einen guten Riecher: Die Bank operiert von der britischen Isle of Man aus, einer Steueroase.
DIY-Anleitung zum Bankraub
Neben den Daten will die Hackerin auch Geld erbeutet haben. Und in ihrem Text bietet sie Belohnungen von bis zu $100.000 für weitere Leaks brisanter Unternehmensdaten an. Um „zu inspirieren“ schildert sie darin auch gleich die technischen Details ihres digitalen Banküberfalls.
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Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass Phineas Fisher aus linksradikaler Motivation heraus große Firmen hackt. „Hack Back!“ steht als Titel über ihrer „DIY-Anleitung zum Bankraub“ – genau wie bei einer älteren Hack-Anleitung, die sie 2016 veröffentlicht hatte. Damals hatte sie beschrieben, wie es ihr gelang, Hacking Team zu hacken, einen renommierten Hersteller von Überwachungssoftware aus Italien.
Auch der Text von damals war hochpolitisch: Nicht nur konnte Phineas Fisher beweisen, dass die umstrittene Technologie an autoritäre Staaten verkauft worden war. Mit den geleakten E-Mails machte sie auch darauf aufmerksam, dass der Chef von Hacking Team sich gerne mit faschistischen Grüßen verabschiedete. Ihren Hack widmete Phineas Fisher damals den Opfern einer besonders brutalen Räumung von Menschen, die 2001 in Genua gegen den G8-Gipfel protestiert hatten.
Sie hackte die türkische Regierungspartei AKP – und gab die Daten nach Rojava weiter
2014 hatte die Aktivistin bereits den Konkurrenten von Hacking Team, die GammaGroup, ähnlich schlecht aussehen lassen und war damit über Nacht berühmt geworden. 2016 hat sie außerdem die türkische Regierungspartei AKP gehackt und die Daten an die autonome kurdische Region Rojava gegeben. Im selben Jahr veröffentlichte sie auch eine Art Video-Anleitung davon, wie sie die katalanische Polizeigewerkschaft hackte – unterlegt mit Songs wie Fuck The Police von NWA.
In den den letzten Jahren will Phineas Fisher zudem weitere Banken bestohlen haben. Nicht jedoch um sich zu bereichern. Das Geld soll an „einfache, bescheidene Menschen, die Widerstand gegen Ungerechtigkeit leisten“ geflossen sein. Publik gemacht und bestätigt ist bisher eine Überweisung aus dem Jahr 2016: Es flossen Bitcoin im Wert von $10.000 an Rojava Plan, einem zivilen Teil der kurdischen Autonomieregierung in Nordsyrien, gesendet von „Hack Back!“.

Ihr Slogan „Hack Back!“ dürfte von einem queer-anarchistischen Netzwerk namens „Bash Back!“ inspiriert sein. Die aktivistischen Gruppen mischten vor ein paar Jahren die LGBTI-Szene in den USA auf und verhalfen dem Motto „Be Gay! Do Crime!“ zu einiger Bekanntheit. Dieses Motto findet sich ebenfalls im neuen Manifest der Hackerin. Einiges deutet darauf hin, dass Phineas Fisher selbst queer ist. Zumindest spricht sie im Manifest von Queers in der „wir“-Form. Außerdem ist sie möglicherweise Latina. Das Manifest wurde zuerst auf Spanisch veröffentlicht und sie spricht darin von „unserem schönen Lateinamerika“.
Das Manifest beinhaltet weitere Referenzen, allen voran der poetische erste Satz, sowie die Abschiedsformel „Aus den Bergen des Cyber-Südosten“: Sie sind Anpassungen der Sechsten Erklärung der Zapatistas. Diese schreiben in ihren Erklärungen ihre eigene Geschichte auf. Die Zapatistas erkämpften in Chiapas (Mexiko) ein Autonomiegebiet, ähnlich wie die Kurd*innen in Rojava (Nordsyrien). Beide Bewegungen beanspruchen dort Demokratie, Geschlechtergleichheit und Ökologie radikal umzusetzen.
Das Hacken habe ihr vor allem gegen Depressionen geholfen
Es bleibt aber nicht bei Symbolik: Die Hackerin nennt in ihrem aktuellen Text konkrete Unternehmen und Geschäftsfelder, die sie als beispielhafte Ziele für das von ihr ausgelobte Preisgeld an den Pranger stellt: Zwei Firmen, die am Krieg gegen Rojava verdienen würden, einen Spyware-Hersteller, Betreiber von privaten Gefängnissen, oder auch die Bergbau-, Vieh- und Abholz-Industrie.
Noch unüblicher für die Hacker*innen-Szene sind ihre Hinweise zur Selbstfürsorge. Feminist*innen weisen immer wieder darauf hin, dass Selbstliebe gerade für Frauen und unterdrückte Minderheiten ein politischer Akt sein kann. „I was a girl raised by the internet“, schreibt Phineas Fisher. Das Hacken habe ihr vor allem gegen Depressionen geholfen, später erst habe sie dann realisiert wofür es noch alles gut sei. Trotzdem habe sie irgendwann gespürt, dass sie sich mehr mit Menschen umgeben, sich öffnen und verletzbar machen müsse. Das sei schwerer als Hacken, aber auch lohnenswerter. Sie rät, darauf zu achten ob das Hacken einem selbst gut tut – „das verdienst du“, fügt sie abschließend hinzu.

Auch eine feministische Kapitalismus-Analyse steckt in Phineas Fishers Manifest. Wenn es darum geht Superreiche zu enteignen, indem man Offshore-Banken hackt, würden viele Leute falsche Assoziationen von Diebstahl haben. Die Hackerin empfiehlt dagegen unter anderem das Werk Caliban und die Hexe von der marxistisch-feministischen Theoretikerin Silvia Federici. Man müsse den Irrglauben verlernen, dass diese Leute sich ihren Reichtum verdient hätten. Und sie macht sich eine These zu eigen, die bell hooks, eine weitere feministische und antirassistische Wissenschaftlerin, in The Will to Change auf Männer im Patriarchat bezieht. Fisher argumentiert, auch auf die Reichen warte ein erfüllteres Leben jenseits des Systems, von dem sie nur verglichen mit den Massen profitieren würden. Trotzdem sei es naiv, darauf zu hoffen, sie würden ihre Privilegien aus Einsicht aufgeben.