Hey DJ Chi! Erzähl mal ein paar Worte von dir. Du bist ja schon seit einigen Jahren als DJ unterwegs. Was für Musik spielst du und auf was für Partys bist du so unterwegs?
Ich lege seit 2015 auf, also inzwischen schon seit fünf Jahren. Die Zeit verging auf jeden Fall schnell. Ich lege hauptsächlich Hip-Hop und Trap auf, aber auch viel mit Bassmusikeinflüssen, teilweise auch Ballroomparts. Hauptsächlich ist das Musik von LGBTIQ*, sowie auch viel von People of Color, das ist mir auch wichtig. Gleichzeitig sind mir auch die Einflüsse, die ich durch meine Hip-Hop Sozialisierung und Geschichte habe wichtig. Das heißt, dass da auch mal ein paar oldschool Tracks drin sind, die mir am Herzen liegen. Die Partys, auf denen ich spiele, haben sich ein bisschen gewandelt. Am Anfang waren das hauptsächlich private Veranstaltungen, dann linke Szene Freiräume, bis ich dann auch irgendwann in kommerzielle Clubs gebucht wurde. Das sind hauptsächlich Clubs mit einem Awarenesskonzept, das ist mir wichtig.
Du legst deinen Fokus musikalisch hauptsächlich auf Femmes, Women, Women of Color, Non-Binarys und Queers. Warum ist dir dieser Fokus wichtig?
Ich glaube, dass es generell Musik ist, die mich mehr anspricht. Die Themen, über die gerappt oder gesungen wird, die Hintergründe der Artists, die Sachen, die ich so fühlen kann, die Bezugspunkte die ähnlich sind. Egal, ob es traurige, fröhliche oder animierende Themen sind. Ich kann besser zuhören, wenn es Leute sind, die aus einem ähnlichen Spektrum kommen wie ich selbst. Die Musik von Femmes, Queers und Women of Color spricht mich mehr an als die Musik von weißen Dudes. Was die so zu sagen haben fühle ich meistens nicht so. Ein anderer Aspekt ist auch, dass ich Texte und Inhalte, die nicht politisch korrekt sind, oder sich zumindest erst einmal so anhören oder so anfühlen, von Women of Color, Queers, Non-Binarys ganz anders wahrnehme als von weißen cis Typen. Es ist auch ein ganz einfaches Ding, dass ich beim Tanzen auf dem Dancefloor nicht durch eine männliche Stimme, die durch die Musik transportiert wird, permanent angeschrien werden will, dass ich jetzt mit meinem Arsch wackeln soll. Das ist mir irgendwann fremd geworden, da richtig cool zu feiern zu können. Das ist das eine. Außerdem glaube ich auch, dass die Musik, die ich spiele, wenig gespielt wird oder unterrepräsentiert ist und Leute nach einem zwei Stunden Set immer noch überrascht sind, dass da keine Stimme von einem Typen drin war. Zumal ich gleichzeitig auch sagen muss, dass ich meine Sets auch mische. Da sind teilweise auch Stimmen von cis Männern drin, weil ich beim Hip-Hop finde, dass es Musik ist, mit der sich People of Color Gehör verschaffen und verschafft haben und das historisch einfach ein wichtiger Punkt für mich war. Und da ist der antiracist Fokus mein Hauptfokus geworden in letzter Zeit. Deswegen spiele ich auch viel Musik von Typen, deren Profil oder Auftritt ich aber fühlen kann.
Hip-Hop und auch die verwandten Genres haben immer die Möglichkeit für Menschen geboten, die keine Bühnen und keine Mikros zu Verfügung hatten, trotzdem zu vielen Leuten zu sprechen, im übertragenen Sinne. Das ist das absolut Geilste am Hip-Hop. Dabei bleibe ich auch und muss nicht unbedingt von irgendwelchen weißen Mittelschichtstypen Musik spielen, weil die von Geburt an meistens sowieso schon eine Bühne haben.
Du spielst auf linken und queeren Partys und positioniert dich auch immer wieder politisch auf Social Media, alleine und mit deiner Gang, der B2B Crew. Ist Musik machen, DJ sein und Gigs spielen, für dich immer etwas Politisches?
Ja, sicherlich. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass alles, was ich tue, politisch ist. Selbst wenn ich schlafe, ist das politisch (lacht). Wenn ich mir angucke, wer ich bin, was meine Geschichte ist, also dass ich eine bisexuelle Frau bin, deren Vorfahren auf der einen Seite vor drei Generationen noch versklavt waren und deren Vorfahren auf der anderen Seite vor zwei Generationen Nazis waren, und dass ich dann jetzt heute existiere, dass es mich überhaupt gibt, ist schon ein crazy revolutionäres Moment.
Zu sagen, dass man “nicht politisch” sei oder neutral sei oder sich aus etwas raushalten würde, ist eine Entscheidung und ist meistens auch eine Entscheidung für oder gegen etwas. Ich glaube nicht, dass es irgendetwas nicht-politisches gibt, mir fällt nichts ein. Selbst wenn man selfcare macht, selbst wenn man Urlaub macht, selbst wenn man überhaupt nichts macht. Es ist ja immer in einem Kontext und der kann glaube ich nicht nicht-politisch sein.
Als B2B Crew seid ihr in Berlin, Hamburg und Bremen als DJs und MCs wichtige Stimmen im Hip-Hop. Was bedeutet die Crew für dich?
Ui, ja! B2B Crew. Wenn es darum geht, über B2B Crew zu reden, kommt da immer ganz schnell viel Pathos und Emo mit rein. B2B Crew ist für mich alles. Es ist Leben, Familie, best friends. Jede einzelne Person aus der Crew kann mich innerhalb von fünf Minuten daran erinnern, wer ich bin und was ich mache, wenn ich mal ein bisschen lost bin. Wir pushen uns gegenseitig immer wieder, weiter in unserem Leben zu gehen und möglichst großartig zu werden. Für mich ist das absolut die Wunschfamilie, die ich mir ausgesucht habe und die mich ausgesucht hat. Auf so vielen Ebenen bringen wir uns weiter: Was unsere Musik angeht, unser Privatleben, was unsere Emotionen und unser Mindset angeht, die Beschäftigung mit politischen Themen. B2B ist ein Punkt des Zusammenhalts und der Begegnung und ich habe auch den Eindruck, dass das rüberkommt, wenn wir zusammen auf der Bühne stehen. Ich kann allen empfehlen, die die Möglichkeit dazu haben: Sucht euch eine Crew, bildet ein Gang, schließt euch zusammen und versucht nicht so zu sein wie die anderen. Etabliert Fähigkeiten, die oft belächelt oder femininisiert werden, wie emotionaler support, sich gegenseitig zuzuhören und zärtlich miteinander umzugehen in euren Crews und ihr werdet unbesiegbar. Das ist einfach großartig.
Und zum Schluss: Willst du noch irgendetwas loswerden?
Was ich noch wichtig zu sagen finde, ist, dass man sich niemals von irgendjemandem sagen lassen darf, dass man etwas nicht kann, denn es stimmt einfach nicht. Man kann bis zu einem gewissen Grad so vieles lernen und sich in so vieles reinfuchsen. Meistens geht es eher um Zugang und um Möglichkeiten, die man nicht hat. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr coole Personen, Lust haben Musik zu machen und richtig rumnerden damit. Ich würde mir wünschen, dass alle ein bisschen nerdiger damit werden. Alle Femmes, Women of Color, BiPOC, Feminist*innen, LGBTIQ*, Non-Binarys, einfach alle. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr Leute Bock haben.
DJ Chi findet ihr bei Instagram unter @dj_chi_official, sowie bei soundcloud.com/djchihamburg. Ihre Gang, die B2B Crew, findet ihr bei Instagram unter @b2bcrew_official, sowie unter soundcloud.com/b2bcrew

DJ Chi: „Ich muss nichts von weißen Mittelschichtstypen spielen, die sowieso eine Bühne haben“
3. August 2020