Während die Sicherheitskräfte kurz vor dem 1. Mai gespannt nach Friedrichshain-Kreuzberg blicken, hat eine Gruppe Jugendlicher am Donnerstagmorgen im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ein leerstehendes Haus besetzt. »Während Berlin immer unbezahlbarer für Jugendliche, Geringverdiener*innen und gesellschaftlich Benachteiligte ist, gibt es trotzdem sehr viel Leerstand in der Stadt. Es ist besonders während dieser Pandemie verantwortungslos, Wohnraum leer stehen zu lassen, der von Menschen gebraucht und genutzt werden könnte«, teilte die Gruppe Brani03 am Donnerstag mit.
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Seit 15 Jahren steht das Haus der Gruppe nach leer, die Besetzer*innen wollen es nun gemeinsam mit der Nachbarschaft einer neuen Nutzung zuführen. »Wir wollen daraus ein Jugendprojekt machen, weil es im Westen der Stadt keine selbstverwalteten Räume für Jugendliche gibt«, sagt ein Sprecher der Gruppe, der sich Charlie nennt. Alle vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen im Rahmen der Corona-Verordnung seien eingehalten worden.
Laut Besetzer*innen ist die Polizei mit Einsatzkräften vor Ort und fängt zur Stunde mit der Räumung an. Einzelne Aktivist*innen würden bereits aus dem Haus getragen. Verhandlungen mit dem Eigentümer seien zuvor gescheitert, weil dieser auf einer Räumung bestanden habe. Auf Anfrage bestätigte die Polizei den Einsatz am Branitzer Platz, Näheres konnte die Polizeisprecherin jedoch nicht sagen.
Die Besetzung ist auch eine Solidaritätsaktion mit den räumungsbedrohten Projekten Liebig34, Potse und Drugstore in Berlin. Die Entscheidung des Berliner Landgerichts zur Räumungsklage gegen das anarcha-queerfeministische Hausprojekt in der Liebigstraße 34 war ursprünglich für diesen Donnerstag angesetzt, vergangene Woche aber auf den 3. Juni verschoben worden. »Die Liebig34 ist einer der letzten Orte in Berlin, die einen hierarchiefreien Schutzraum bietet für alle Menschen die Zuflucht suchen vor den Unterdrückungsmechanismen einer männerdominierten Gesellschaft«, so die Besetzer*innen.
Aus den Vorgängen rund um die Jugendzentren Potse und Drugstore habe man zudem gelernt, »dass sich der Berliner Senat einen Dreck um die Bedürfnisse junger Menschen schert«. Um selbstverwaltete Jugendzentren zu erhalten, seien Besetzungen »das einzige effektive Mittel«. Die Mietverträge der beiden ältesten Jugendclubs in Schöneberg waren Ende 2018 ausgelaufen, neue Räume wurden bislang vergeblich gesucht. Die Potse ist seitdem besetzt, eine Entscheidung im laufenden Räumungsprozess ist auf den 8. Juli angesetzt. Bis dahin wollen die Jugendlichen schon mal Fakten schaffen: »Wir nehmen uns die Stadt zurück«, sagt Sprecher Charlie.