Immer, bevor sich Keyzuz an die Turntables stellt, setzt sie sich eine schwarze Maske auf. „Mir ist die Anonymität wichtig. Die Leute sollen sich auf meine Musik konzentrieren und nicht auf mein Geschlecht.“ Kurz denkt sie nach und lacht: „Vielleicht verwandele ich mich aber auch in eine Superheldin.“
Mit ihren pulsiernden DJ-Sets ist Keyzuz eine der Pionier*innen der noch jungen elektronischen Musikszene in Ghana. Zwar hat das westafrikanische Land eine lebendige Musiklandschaft, doch beherrschen Afrobeats die Clubs und Radios. Elektronische Musik fristet dagegen ein Nischendasein. Keyzuz will das ändern.
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„Mich hat gelangweilt, dass in den Clubs fast nur Afrobeats gespielt werden“, sagt die 27-Jährige im Gespräch mit Supernova. Vor sieben Jahren begann sie, selbst aufzulegen. Erst in der Universität, wo Keyzuz Computer-Ingenieurwesen studiert hat, irgendwann organisierte sie ihre ersten eigenen Partys. Das Auflegen brachte sie sich selbst bei. Heute feiern immer mehr Menschen zu ihrer Musik. Im Juni spielte sie beim Fusion-Festival in Deutschland. Und auch in Accra bringt sie Tanzflächen zum Beben. In der Hauptstadt Ghanas gibt es mittlerweile eine kleine, aber wachsende alternative Musikszene. Oft spielt Keyzuz bei Partys in alten Warehouses, in Galerien oder bei unkommerziellen Festivals.
Ich habe keine Lust einfach nur das zu spielen, was die Leute hören wollen – auch nicht für Geld.
Wie sie ihre Musik beschreiben würde? „Ich mache mein eigenes Ding“, meint Keyzuz. In ihren Sets wandert sie geschickt zwischen den Genres. Dadurch entsteht ein Klanghybrid zwischen Dubstep, Trap, Future-Bass, Drum‘ n Bass. Diese Sound-Vielfalt ist in Ghana ein Risiko – vor allem finanziell. Denn um mit Musik Geld zu verdienen, kommt man eigentlich um Afrobeats nicht herum. Die Stilrichtung verspricht in Ghana immer noch den größten kommerziellen Erfolg. Doch Keyzuz will sich nicht anpassen. „Ich habe keine Lust einfach nur das zu spielen, was die Leute hören wollen – auch nicht für Geld.“
Und ihre Ziele? „Ich will nicht die bekannteste DJ werden, sondern einfach mein Ding durchziehen und gute Musik spielen.“ Neben ihren Live-Auftritten produziert sie eigene Musik und unterstützt andere Künstler*innen. Als Creative Director der Plattform Beat Phreaks vernetzt sie Musiker*innen und bietet dort Talenten durch Interviews, Radioshows und Videos eine Bühne. Keyzuz will noch etwas: patriarchale Strukturen wegbassen.
Denn Frauen haben es in der Musikindustrie schwer. Männer geben dort den Ton an. Das ist auch in der elektronischen Musikszene nicht anders. Viele Frauen trauten sich oft gar nicht erst aufzulegen. Und wenn sie es wagen, werden sie häufig nicht ernst genommen, verspottet oder nicht für Auftritte gebucht. „Das ist leider auch in Ghana ein Problem“, meint Keyzuz. „Ich will mich aber von Geschlechterstereotypen nicht einengen lassen, sondern mich auf meine Musik fokussieren.“ Keyzuz hat sich durchgebissen – und hat sich Anerkennung erkämpft. Dennoch: „Ich spiele keine Musik, um Bestätigung von den Jungs zu bekommen.“ Mit ihren androgynen, futuristischen Outfits grenzt sie sich auch optisch von traditionellen Geschlechtskonstruktionen ab. Keyzuz steht für Feminismus mit Style, der gut klingt.
Ich spiele keine Musik, um Bestätigung von den Jungs zu bekommen.
Im 2016 wurde sie für einen Preis als beste weibliche DJ Ghanas nominiert. Klingt doch gut, oder? Nicht für Keyzuz. „Ich will für meine Skills gewürdigt werden, nicht für mein Geschlecht.“ Außerdem: Es gab keine Kategorie für Männer, die den besten männlichen DJ auszeichnete. Deshalb lehnte sie die Nominierung ab. Keyzuz meint: „Ich will nicht die Quoten-Frau sein.“
In Ghana löste sie mit der Ablehnung eine Debatte aus – und bekam viel Zuspruch für ihre Entscheidung. Langsam würden sich die Dinge verändern, meint sie. So stünden in Ghana heute immer mehr Frauen hinter den Decks. Doch viel muss sich noch ändern.Ob sie ein Vorbild sei? „Ich würde mich nicht so nennen“, meint Keyzuz und denkt kurz nach. „Aber eigentlich könnte man das schon sagen. Wenn nur zwei oder drei Mädchen durch mich Mut zum Auflegen bekommen, habe ich mein Ziel erreicht.“
Alle Fotos von Kristin Bethge