Liz*, 26:
Wenn ich abends mit Freundinnen zusammen sitze, reden wir immer öfter über Kinder. Ich will keine Kinder. Nie.
Das liegt nicht daran, dass ich Kinder nicht mag. Mit dem zweijährigen Sohn eines guten Freundes habe ich ein enges Verhältnis, wir verbringen regelmäßig Zeit zu zweit miteinander, als er noch kleiner war sogar mehrmals die Woche für ein paar Stunden. Ich finde Kinder total toll: wie klug und unverblümt sie sind, dass sie ihren eigenen Kopf haben und Quatsch machen. Ich kann mit ihnen eine Seite von mir ausleben, die ich mit Erwachsenen oft nicht so ausleben kann. Trotzdem will ich auf keinen Fall Mutter werden.
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Mit einem Kind könnte ich nicht einfach mal die Tür zumachen oder spontan wegfahren.
Ich möchte einfach nicht in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, vor allem nicht in einem so ungleichen. Natürlich sind wir in allen sozialen Beziehungen ein Stück weit abhängig voneinander. Ich bin total gerne für meine Freundinnen da, aber mit Erwachsenen lässt sich das besser aushandeln. Mit einem Kind könnte ich nicht einfach mal die Tür zumachen oder sagen: ich bleibe jetzt doch noch mal zwei Stunden länger hier auf der Veranstaltung oder ich fahre spontan weg oder lebe eine Weile im Ausland. Mutter sein bedeutet, ständig verfügbar zu sein – und ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man es nicht ist. Ich brauche meinen Rückzug. Ich bewundere es total, wenn Mütter da einen guten Umgang mit finden, ich glaube nur einfach nicht, dass ich das gut hinbekommen würde.
Auch schwanger sein, der Gedanke, dass da etwas in mir drin ist, das meinen Körper verändert und ich keinen Einfluss darauf habe – das finde ich eine sehr unangenehme Vorstellung. Ich hätte auch keine Lust, als Schwangere immer weniger mobil zu werden, nicht mehr Fahrradfahren zu können…
Es ist krass, mit welchen Stereotypen Mutterschaft belegt ist. Als Schwangere wird einem sofort jede Form von Sexualität abgesprochen. Und eine Mutter hat immer noch die Liebende, die Zärtliche, die Fürsorgliche zu sein. Mal mit dem Kind Quatsch zu machen, passt da schon nicht mehr ins Bild: Wenn ich mit dem Sohn meines Freundes mal mit der Hand an einem Metallzaun entlang rassele und wir uns darüber kaputt lachen, wie viel Lärm das macht, ernte ich gleich seltsame Blicke. Einmal, als er noch kleiner war, war ich mit ihm im Tragetuch einkaufen. Ich habe etwas fallen gelassen und dann laut über meine eigene Tollpatschigkeit gelacht. Allein dafür wurde ich schon komisch angeguckt.
Von einer Mutter wird absolute Selbstaufgabe erwartet
Wenn die Mutter stillt, ist sie dadurch am Anfang natürlich körperlich viel mehr an das Kind gebunden. Aber auch danach schleichen sich diese Bilder der fürsorglichen Mutter, glaube ich, schnell in Hetero-Paarbeziehungen ein, selbst wenn beide alles ganz gleichberechtigt machen wollen. Dann ist die Mutter diejenige, die das Kind ohne Worte versteht, die erste Ansprechpartnerin, wenn das Kind Kummer hat, diejenige, die es abends ins Bett bringt. Das kann schnell dazu führen, dass man als Mutter weniger Zeit für andere Dinge als der jeweilige Vater. Von einer Mutter wird absolute Selbstaufgabe erwartet. Wenn man das nicht erfüllt, ist das ein Tabubruch.
Tatsächlich kann es ja auch zum Problem werden, wenn Mütter nicht so viel Zeit haben. Meine Eltern waren getrennt und meine Geschwister und ich haben vor allem bei meiner Mutter gewohnt. Sie hat sehr viel gearbeitet und hatte nicht viel Zeit für meine Geschwister und mich. Sie hat bis heute ein schlechtes Gewissen deswegen. Als meine Schwester in der Pubertät war, haben sie und meine Mutter sich ständig gestritten. Das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter ist auch kein einfaches. Ich habe keinen Groll gegen sie, aber ich möchte einfach nicht an ihrer Stelle sein.
Oft höre ich: „Naja, du bist ja noch jung…“
Elternliebe ist offensichtlich kein Garant dafür, dass man sich gut versteht. Du kannst so viel falsch machen! Mutter sein ist dadurch echt ein undankbarer Job: Du machst ihn 24/7 und wenn du Glück hast, kommt da ein toller Mensch bei raus, der dir aber auch nicht ständig dafür dankt, dass du ihm dein ganzes Leben gewidmet hast. Und wenn du Pech hast, sitzt da jemand, der dir sagt, wie scheiße du bist.
Dass ich keine Kinder will, löst oft Irritation aus, vor allem bei entfernteren Verwandten: „Wie, du willst keine Kinder?!? Naja, du bist ja noch jung…“ Sogar von meiner Mutter höre ich diesen Satz, manchmal ist sie auch ein bisschen traurig und sagt „Oh, von dir werde ich wohl kein Enkelkind sehen“.
Ich habe schon ein wenig Angst, dass ich es bereue
Ich habe schon ein wenig Angst, dass der Tag kommt an dem ich es bereue und denke: „Hätte ich mal für‘s Alter vorgesorgt“. Ich stelle mir meine Zukunft gemeinsam mit Freund*innen vor. Ich fände es schön, sich auch später noch umeinander zu kümmern, am besten gemeinsam zu wohnen. Ich möchte auch gerne Bezugsperson für eines ihrer zukünftigen Kinder sein. In meinem Freundeskreis fangen die ersten an, konkret über Kinder nachzudenken. Manchmal macht mir das Angst, dass später vielleicht niemand mehr da ist, der gemeinschaftlich mit Freund*innen leben möchte. Gleichzeitig habe ich großes Vertrauen in meine Freundschaften. Selbst wenn wir nicht zusammen leben, bin ich mir sicher, dass wir immer eine enge Beziehung haben und füreinander da sein werden.
Kann sein, dass sich meine Prioritäten irgendwann ändern. Trotzdem weiß ich: Ich will niemals, dass mein Leben aus Küche, Kinder, Herd, Mann, Job besteht. Ich möchte weiter politisch aktiv sein, verrückte Sachen machen, einen großen Freundeskreis haben. Und das alles zusammen, das erlaubt einem die Gesellschaft eben fast nie, vor allem uns Frauen.
*Name von der Redaktion geändert.