Die Hamburger Rapperin Finna, die “grinsende Rebellin mit Riesenstimme”, macht sich seit ihrem ersten Release 2015 ( “Musik ist Politik”) für Themen wie sexuelle Selbstbestimmung stark und kämpft gegen Homophobie. Supernova hat Finna getroffen und mit ihr über ihre neue Single “Overscheiß” gesprochen, in der sie das Thema Fatempowerment und Bodypositivity behandelt.
Finna, wer bist du und was tust du so?
Ich bin Finna und bin queerfeministische Rapperin aus Hamburg bei Audiolith Records und Aktivistin.
Was für eine Aktivistin bist du?
Haha, ja, gut, wenn man sowas sagt, ne… (lacht). Man versucht so der Gesamtscheiße etwas entgegen zu halten. Dazu zählt nicht nur Bodyshaming, was durch die neue Single aber gerade ein großer Part ist. Aber eigentlich geht es um das Gesamte. Auch Homophobie, Transphobie, Rassismus, Sexismus oder Faschismus. Es gibt so viel Kacke gerade, gegen die man sich aktiv einsetzen kann. Für eine bessere Gesellschaft.
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Du hast eine neue Single rausgebracht.
Die Single heißt „Overscheiß“. Es geht um Bodypositivity, ums Fettsein im positiven Sinne und um Körperliebe zu sich selbst. Auch wenn man zum Beispiel von Fatshaming betroffen ist.
Dein letztes Release war 2016, danach hast du eine Pause gemacht. Warum wolltest du als erste Single nach der Pause genau dieses Thema anschneiden?
Weil es das Thema ist, was mich in der Pause am meisten beschäftigt hat. Ich habe viel zugenommen durch Medikamente. Das wurde vermehrt auf Social Media kommentiert, auch auf der Straße. Immer wieder.
Beschäftigt dich das immer noch in deinem Alltag?
Ja. Ich werde noch immer ständig mit Kommentaren konfrontiert. Nicht nur auf Social Media, nicht nur, wenn man eine Single released. Das fängt ja schon dabei an, dass Leute einen auf der Straße anbrüllen und sagen: “Pack das Bier weg, das schadet deinem Baby” und sowas. Mir wird immer unterstellt, dass ich schwanger wäre. Oder wenn ich bei der Frauenärztin sitz‘ und die sagt: “Oh, ich dachte, sie wären eine von den Schwangeren”, obwohl man gerade irgendwas anderes dort macht. Kommentare kommen andauernd, jeden Tag kommt irgendetwas. Oder man wird angeguckt, wenn man Pommes isst. Finde ich einfach kacke. Man hat einfach andauernd damit zu tun. Es wird auch kategorisch pathologisiert: Adipositas ist eine Krankheit. Dass es dieses Wort überhaupt gibt, ist schlimm genug. Fette Menschen werden einfach nur als krank gelesen und nicht als ein Bodytype von vielen.
In deinem Song sagst du “Kein Foto für Heidi Klum”. Wie sollte die perfekte Modelwelt aussehen?
Darin wäre die Vielfältigkeit und Diversität von verschiedenen Bodytypes sichtbar und würde auch als schön anerkannt werden.
Glaubst du, da entsteht schon ein Prozess?
Es gibt immer wieder so kleine Ansätze. Zum Beispiel diese Dove-Werbung damals, die war voll revolutionär. Damit, nicht nur dünne Körper, nicht nur weiße Körper zu zeigen. Manchmal gibt es so helle Momente der Werbeindustrie, aber auch da ist immer noch eine Vermarktungsstrategie hinter. Ich würde mir wünschen, dass Diversität Normalität wäre und sich nicht mehr daran orientiert wird, sowas als exotisch, neuartig und wahnsinnig krass darzustellen. Denn die Realität sieht total divers aus. Und Werbung, zum Beispiel, halt nicht. Diversität als Marketingstrategie ist auch wieder Kapitalismuskacke, ne.
Kann sich das im Kapitalismus überhaupt ändern?
Ich finde das super schwierig. Natürlich wünschen wir uns alle, dass wir den Kapitalismus einfach abschaffen können und das alles einfach kackegal ist. Aber leider leben wir nunmal im Kapitalismus und ich finde, man könnte einfach versuchen, da anzusetzen, wo sich etwas verändern kann. Da muss jede Person erstmal für sich selber anfangen, abseits von allen kapitalistischen Verwertungslogiken. Was kann ich eigentlich tun, um diese Gesellschaft vielleicht ein kleines Stückchen besser zu machen? Da fängt es dann damit an, Körperbilder, auch Rassismus, zu hinterfragen. Und sich dann auch dafür einzusetzen, dass sich was ändert.
Und im Deutschrap? Hast du das Gefühl, da ändert sich was, wenn jetzt Themen wie Fatempowerment Platz finden? Über Deine Single wurde ja auch schon einiges in den Medien geschrieben.
Ich glaube, dass sich insgesamt etwas verändert hat, was Weiblichkeiten im Rap angeht, weil auch kommerziell erfolgreiche Rapperinnen jetzt in den Rap-Medien unterwegs sind. Aber trotzdem hat es mich gewundert, dass diese Message Platz findet. Ehrlich gesagt habe ich das nicht erwartet. Ich weiß auch nicht so richtig, vielleicht ist das auch sowas Voyeuristisches. Vielleicht ist es auch einfach gut. Lizzo zum Beispiel war auf jeden Fall eine Wegbereiterin dafür, fat-positiv als Thema ins Musikbusiness zu bringen. Betho Ditto vor vielen Jahren natürlich auch, aber halt in einem anderen Genre. Es gab das natürlich schon immer, mit Missy Elliott zum Beispiel, aber es ist krass, dass das jetzt so zündet. Lizzo hat einfach Grammys gewonnen, die ist krass, die Frau. Das hat ganz andere Türen und Wege geöffnet, auch zu Mainstreammedien.
Hast du im Hip-Hop-Kontext schon Body Shaming erlebt?
Ehrlich gesagt habe ich sehr viel Glück, viel in meiner Blase stattgefunden zu haben. Das ist meistens in Kontexten, wo ich eigentlich nicht so viel Berührungspunkte mit Hater*innen habe. Aber auch auf Partys passiert es. Trotzdem wird mir gesagt: “Boah, du hast aber ganz schön zugenommen”. Oder: “Ich hab dich vor drei Jahren beim XY Festival gesehen, da warst du ja noch ganz dünn, was ist passiert?” und solche Sachen. Es wird schon kommentiert. Es ist auch Bodyshaming, aber vielleicht wünsche ich es immer so ein bisschen weg, weil ich hoffe, dass die Leute es nicht böse meinen.
Was wünscht du dir vom Deutschrap in Sachen Bodypositivity?
Ich wünsche mir vom Deutschrap, dass er wieder die Wurzeln zum ursprünglichen Hip-Hop zurück findet. Dass man eine Message hat, sich gegen Diskriminierungsformen aufzulehnen, zu rebellieren und Probleme dieser Gesellschaft insgesamt sichtbar zu machen. Denn da gibt es so viel. Das würde ich mir richtig doll wünschen, dass sich das im Deutschrap ändert, die Stimme gegen Ungerechtigkeit zu erheben.
Was wünscht du dir von Leuten, die nicht von Fatshaming betroffen sind? Wie können sie Betroffene unterstützen?
Ich wünsche mir, dass Leute sich solidarisch zeigen und die eigenen Privilegien checken und sich darüber Gedanken machen, wie man Menschen supporten kann, die die Privilegien, die man selber hat, nicht haben. Auch in Situationen einzugreifen, in denen man merkt, dass andere Menschen gerade in einer Diskriminierungssituation sind. Die zu supporten und die Klappe aufzumachen. Zum Beispiel, wenn eine betroffene Person gerade nichts sagen kann. Immer wieder darauf hinweisen, dass es Diskriminierung ist, dass es Leute kränkt und nicht cool ist. Immer wieder darauf verweisen. Wenn man das gecheckt hat, warum nicht anderen Leuten davon erzählen? Da Sichtbarkeiten schaffen, wo keine sind.
…Und an Leute, die auch von Fatshaming betroffen sind?
Bildet Banden! Es ist so leicht gesagt, aber es ist so schwer, sich ein empowerndes Umfeld zu schaffen. Vielleicht fängt es schon damit an, Leuten auf Social Media zu folgen, die einen empowern. Das Internet ist da, also warum nicht nutzen? Warum nicht die Power nutzen, sich selber immer wieder positiven Kram ranzuholen und sich vielleicht von gewissen Dingen so gut es geht entfernen? Und dann, mit der Kraft, die man woanders getankt hat, also hoffentlich auch im real life, wieder zurück gehen und den Mittelfinger gegen den ganzen Scheiß erheben. Die Kraft muss man erstmal haben, die Power muss irgendwo herkommen. Ich bin manchmal ganz leise, ich kann auch nicht in jeder Situation etwas sagen. Kraft sammeln, damit man damit rausgehen kann und den Mittelfinger zeigen.
Finna: Overscheiß (Single), erschienen am 6. Februar bei Audiolith Records