In kleinen Haufen liegen sie da, die Reste eines langen Wochenendes: Bierflaschen, Strohhalme, schwarzer Dreck. Es ist Dienstagvormittag, im Berliner Technoclub ://about blank herrscht reger Betrieb. Mitarbeiter*innen wuseln umher, es wird gefegt, geputzt, gehämmert, gebastelt. In einem kleinen Raum mit Blumentapete und Acrylboden scheint die Wintersonne durch ein verschmiertes Fenster. An den Wochenenden ist hier der Backstagebereich, jetzt sitzen Coze*, Kyle und Mary auf grünen, durchgesessenen Couches. Die drei organisieren zusammen mit ihrem Kollektiv die linke Soliparty Love Techno Hate Germany. Seit zehn Jahren wird für die gute Sache gefeiert. Doch wie passen Party und linker Aktivismus zusammen?
Coze ist seit der „Stunde Null“ dabei. Damals war sie 19, in einer Jugendantifa-Gruppe organisiert – und ging gerne auf Technopartys. Nur wenige Linke in ihrem Alter feierten damals zu elektronischer Musik, eine regelmäßig stattfindende linke Technoparty gab es nicht. Zusammen mit einem Freund hatte Coze die Idee, etwas eigenes zu starten: Die Geburtsstunde von Love Techno Hate Germany.
Am Anfang war der Punk
Die ersten Partys fanden in einer Punk-Kneipe in Berlin-Mitte statt. „Die haben uns die Bude eingerannt“, sagt Coze und lacht. „Aber ehrlich gesagt, waren es vor allem Teenies, die froh waren, irgendwo günstig feiern zu können.“ Aufgelegt haben unter anderem „DJ Frühschicht“ und „DJ Spätschicht“, am Tresen gab es Sternburg-Bier, als letzter Song wurde immer „Für immer Punk“ von den Goldenen Zitronen gespielt.
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2011 zog die Party in das gerade eröffnete ://about blank – der Start einer Liebesbeziehung. „Wir haben quasi auf einer Baustelle gefeiert“, erinnert sich Coze. Die Lichtanlage mussten sie mitbringen, aufgeräumt haben sie nach der Party selbst, im Winter war es bitterkalt. Voll war es trotzdem immer.
Das ://about blank ist kein normaler Techno-Club. Die Location im Berliner Partykiez Friedrichshain wird kollektiv betrieben, an den Wänden hängen Demo-Poster und Antifa-Aufkleber, ein riesiges „Refugees Welcome“-Graffiti prangt am Eingang. Trotz des Charmes einer autonomen Jugendzentrums zählt das ://about blank heute zu den angesagtesten Partylocations in Berlin. Weltbekannte DJs legen regelmäßig auf, Menschen aus der ganzen Welt schlagen sich hier die Tage um die Ohren.
Auch auf die Love Techno Hate Germany kämen viele Menschen, die wenig Berührungspunkte mit linken Themen hätten. Das ist gut, meint Kyle, der zusammen mit Mary und zwei anderen das Booking macht und im Club als Türsteher arbeitet. So käme viel Geld für linke Projekte zusammen. Und darum gehe es ja schließlich.
Über den Namen der Party gebe es in sozialen Netzwerken häufig Diskussionen, auch einige DJs hätten sich beschwert. Klar, der Name ist „plakativ“, meint Mary. Aber: „Wir haben ein Problem mit Nationen, auch als Ausdruck einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Und Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte schon ein Sonderfall.“ Coze meint, dass es nicht nur gegen etwas gehe. „Wir verstehen uns als feministisch und inklusiv.“ Was das bedeutet? Die kompletten Einnahmen werden gespendet: für Antifas in Ostdeutschland, Seenotretter*innen, Frauen im Knast. Die Arbeit des sechsköpfigen Kollektivs ist komplett ehrenamtlich, politische Debatte spielen eine wichtige Rolle. Dennoch: „Wir wollen die Leute nicht mit politischen Inhalten auf der Party zubomben“, meint Mary, die zusammen mit Kyle das Booking macht und selbst auflegt. „Wir versuchen eher das, was viele Leute sowieso machen, für einen guten Zweck zu nutzen.“
Doch auch die Berliner Clubkultur verändert sich: Techno ist mittlerweile ein Millionengeschäft, die Szene wird immer kommerzieller. „Das führt auch dazu, dass sich der Umgang in den Clubs verändert“, kritisiert Mary. „Die Solidarität unter den Partygänger*innen bleibt immer mehr auf der Strecke.“ In weltbekannten Clubs wie dem Berghain oder dem Watergate habe sie schlechte Erfahrungen gemacht. Auch deshalb wolle sie bei einer Party mitwirken, wo einiges anders läuft.
Saubere Ziehröhrchen und Frauen an den Decks
Doch was genau läuft anders? Beim Line-Up wird darauf geachtet, so viele Frauen wie möglich zu buchen. Das sei leider immer noch keine Selbstverständlichkeit – auch nicht in der sich oft progressiven gebenden Berliner Szene. Eine spezielle „Awareness“-Gruppe, wie auf anderen Partys, gibt es nicht. Übergriffiges Verhalten kann aber bei allen Mitarbeiter*innen und dem Kollektiv gemeldet werden. Das Ziel: ein sicheres und entspanntes Umfeld für alle. Manchmal werden auch Gruppen der akzeptierenden Drogenarbeit eingeladen, die saubere Ziehröhrchen verteilen und Hilfe bei schlechten Trips leisten. Dennoch läuft auch auf ihren Partys natürlich nicht alles perfekt, gibt Coze zu. So sei das Publikum trotz des feministischen Anspruchs auf bestimmten Partys „super mackerig“ gewesen, Partygänger*innen hätten sich auch auf ihrer Feier unwohl gefühlt. „Dann kommen schon Zweifel auf, weil man ja genau so eine Party nicht machen wollte.“
Dass Linke zu Techno feiern, finden sowieso nicht alle gut. Viele sind genervt vom Hedonismus der Berliner Linken. Das kann Kyle nicht verstehen: „Natürlich bauen wir mit unseren Partys nicht die befreite Gesellschaft auf. Allerdings bieten wir einen Raum für Menschen mit alternativen Lebensentwürfen.“ Auch Coze meint: „Im Kapitalismus, wo es immer nur darum geht, zu funktionieren, kann eine Party auch mal eine kurze Auszeit sein.“
Nur noch eine Party von vielen?
In den letzten Jahren hat Love Techno Hate Germany Konkurrenz bekommen: Es gibt immer mehr linke Technopartys und Clubs mit politischem Anspruch. Das führt auch dazu, dass das Stammpublikum, die „Zecken“ wie Kyle sagt, kaum noch auf die Party kommen. Nach zehn Jahren stelle sich außerdem eine gewisse Routine und ein Abnutzungseffekt ein. Neue Leute sollen deshalb frischen Wind ins Kollektiv bringen. Aufhören ist keine Alternative, meint Coze. Denn: „Linke Strukturen brauchen ja immer Geld.“
Zum Jubiläum soll es noch einmal richtig krachen. Auf fünf Floors wird Musik gespielt werden – auch Punk. Die ersten Besucher*innen bekommen Bücher geschenkt, es wird „kommunistische Süßigkeiten“ geben – und ein Schnapsrad. „Wenn man Glück hat, bekommt man einen Schnaps“, sagt Coze. „Und wenn nicht dann bekommt man auch einen.“