Sie werfen die Arme hoch, drehen sich schwungvoll im Kreis und stolzieren synchron durchs Wohnzimmer: in blau glitzernden Kleidern tanzen ein Vater und sein vierjähriger Sohn vor der Kamera. Dazu dröhnt die Stimme von Eiskönigin Elsa: „Ich lass es los, lass es los. Es ist mir egal, was sie sagen werden. Lasse den Sturm weiter toben.“
Der Vater, dessen Video gerade viral geht, heißt Ørjan Burøe und kommt aus Norwegen. Über 200 Millionen Leute haben ihm bisher dabei zugesehen, wie er als Königin Elsa mit seinem Sohn tanzt. „Ich denke, als Vater muss ich versuchen, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Ich muss auf seiner Ebene mitspielen“, sagt der 44-jährige. Sein Sohn zieht auch im Kindergarten manchmal Kleider an.
Wenn darüber gesprochen wird, wie Kinder Geschlechterrollen lernen, geht es oft um den Einfluss der Mütter. Diese verbringen derzeit auch noch mehr Zeit mit ihren Kindern als Väter. Eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat ergeben, dass erwerbstätige Frauen, die mit ihrem ebenfalls erwerbstätigen Partner zusammen leben, sich im Durchschnitt länger um die Kinder kümmern als ihre Partner. Im Jahr 2014 verbrachten diese Frauen fast fünf Stunden am Tag mit der Betreuung der Kinder. Vollzeit arbeitende Männer durchschnittlich nur ein bis zwei Stunden.
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Männer leben ihren Kindern vor, was Männlichkeit bedeutet
Die Väter von heute nehmen generell jedoch mehr Anteil an dem Leben ihrer Kinder als noch vor 40 Jahren. Viele nutzen zumindest anteilig die Elternzeit. Dennoch leben Männern ihren Kindern vor, was Männlichkeit bedeutet. Blättert man durch Ratgeber für Eltern, ließt man von Vätern, die den Entdeckergeist von Kindern, das Selbstbewusstsein und das erforschende Verhalten mehr fördern als Mütter. Inzwischen gibt es aber auch einige Väter, die ihre traditionelle Rolle hinterfragen.
Der 38-jährige Wolfgang* aus Berlin zieht seine sechsjährige Tochter im Wechsel mit der Mutter auf. Er findet, Teilzeit alleinerziehend zu sein, mache es ihm einfacher, sich zu fragen, wie ein moderner Vater agieren kann „weil dann entweder der Papa oder die Mama in beide Schuhe schlüpfen muss.“ Er berät sein Kind zum Beispiel beim Fingernägel lackieren. „Das ist etwas, das vor ein paar Jahren ein Vater wahrscheinlich noch nicht gemacht hätte, weil er findet, das gehört zum Repertoire der Mama.“
Väter müssen ihre Autorität zurückschrauben
Wolfgang ist es wichtig, dass Väter Teile der stereotyp maskulinen Verhaltensweisen ablegen. „Sie sollten ihre Autorität zurückschrauben.“ Den Klassiker „da musst du deinen Vater fragen“ findet er furchtbar. Wolfgang empfiehlt, Väter sollten auch mal trösten und sich mit Themen auseinandersetzen wie: welcher Rock passt zu welchem Haarreifen. „Der Heimvorteil von neun Monate unter dem Herz tragen, kann man nicht aufholen. Aber man kann ein Leben lang genau das versuchen“, sagt Wolfgang.
Der Sohn des 31-jährigen Robert* aus der Nähe von Kassel hat als Kleinkind gerne Röcke getragen. Robert hat sein Kind dabei sehr unterstützt. Mittlerweile hat der Sohn darauf aber keine Lust mehr. „Ich merke, dass ich versuche, ihm manchmal wieder den Rock nahe zu legen.“ Robert betont den Unterschied zwischen „etwas an seinem Kind akzeptieren“ oder „etwas seinem Kind aktiv vorschlagen“. Er sagt, er versuche, seinem Sohn auch mal gegengeschlechtlich konnotierte Angebote zu machen. Aber er hinterfragt sich dabei selbst. „Da denke ich manchmal: Mensch Robert, vielleicht solltest du es einfach selbst anders vorleben, anstatt von deinem Kind zu erwarten, dass es seinen Horizont erweitert.“ Neuerdings probiert er sich an Haarbändern aus. Die findet er praktisch, weil er lange Haare hat, sehen aber nicht besonders männlich aus. „Eine kleine Sache, aber ich schaue gerade, was das mit mir und der Interaktion mit anderen macht“, sagt Robert.
Warum muss ein Video im Eisköniginnen-Kleid ins Netz?
Wenn Frauen ihren Job als Mütter gut machen, wird das oft als selbstverständlich angesehen. Wenn Männer etwas Tolles mit ihren Kindern machen, werden sie schnell gehypt, weil es eben noch nicht die Norm ist, dass sie sich gleichwertig um ihre Kinder kümmern. Einerseits kann man es stark finden, dass Ørjan, um seinem Sohn eine Freude zu machen, ein Eisköniginnen-Kleid für sich und ihn gekauft hat. Mit seinem Video schafft er eine Aufmerksamkeit dafür, dass man seinen Kinder auch alternative Geschlechterbilder präsentieren kann. Andererseits musste er davon ein Video machen und ins Netz stellen? „Ich habe viel darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass mein Sohn bei Instagram zu sehen ist“, sagt Ørjan, der als Komedian in Norwegen bekannt ist. Er findet: „Wenn du eine öffentliche Person bist, dann musst du versuchen, deine beste Seite von dir zu zeigen, um ein Vorbild zu sein.“
Väter wie Wolfgang, Ørjan und Robert versuchen zu vermitteln, dass sie auch weibliche Attribute verkörpern können. Dazwischen und darüber hinaus gibt es natürlich noch viele weitere Möglichkeiten. Entscheidend ist aber, dass sich unsere Gesellschaft hauptsächlich noch in zwei Geschlechter unterteilt. Was Väter ihren Kindern deshalb am besten mitgeben können, ist, wie sie persönlich mit den Geschlechternormen interagieren. Sie bilden ein mögliches Vorbild von Männlichkeit unter vielen. Und einen möglichen Umgang mit den Anforderungen, die an sie als Väter gestellt werden. Elternschaft wird immer noch sehr binär gedacht. Das Bild der besorgten Mutter und dem risikofreudigen Vater zum Beispiel ist sehr weit verbreitet. Gerade Väter können diese Binarität hinterfragen und ein neues Bild des modernen Vaters entwerfen.
* Namen von der Redaktion verändert