Musa trat 2017 zum ersten Mal mit BSMG (Black Superman Group) öffentlich in Erscheinung. Zusammen mit dem Rapper Megaloh und dem Produzenten Ghanaian Stallion veröffentlichte er das viel beachtete Album „Platz an der Sonne“ – eine musikalische Anklage von Kolonialismus und Alltagsrassismus. Nun legt der Berliner Student der Kriegs- und Konfliktforschung mit seinem Debüt-Soloalbum „Berliner Negritude“ nach. Supernova sprach mit Musa über Flucht, die deutsche Kolonialgeschichte und Luftballon-Musik.
Du hast vor Kurzem dein erstes Album „Berliner Negritude“ released. In dem Video zu dem Song „Intro“ wirst du von zwei weißen Jägern durch einen Wald gejagt. Ist das eine Anspielung auf den gegenwärtigen Rassismus in Deutschland?
Wir wollten eher eine Fluchtgeschichte zeigen. Das Video steht symbolisch für das Schicksal von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, dann von Grenzbeamten verfolgt werden und durch die deutschen Wälder streichen.
Trotzdem scheust du nicht davor, Rassismus zu thematisieren. Oder?
Ja, das stimmt. Ich verstehe meine Musik aber weniger als Anklage von Rassismus. Es geht eher darum, mein Selbstverständnis als Schwarzer in Deutschland darzustellen. Berliner Negritude eben. Da spielt Rassismus natürlich auch mit rein, aber das ist nicht alles. Wenn ein Schwarzer irgendetwas politisches sagt, dann heißt es oft: „Der Schwarze redet wieder über Rassismus.“ Natürlich ist das Teil meines Lebens, aber es definiert nicht hauptsächlich meine Musik.
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Fast überall befinden sich rechte Kräfte im Aufwind. Die rassistische AfD ist mittlerweile fest verankert in der deutschen Parteienlandschaft. Wie nimmst du die derzeitige politische Entwicklung wahr?
Auch ich bin privilegiert: Ich habe einen deutschen Pass, ich habe hier studiert, ich habe Möglichkeiten. Für Menschen, die das alles nicht haben, ist die Entwicklung natürlich ziemlich bedrohlich. Aber ganz egoistisch muss ich sagen: mich freut das auch ein bisschen. Weil Menschen, die bestimmte Entwicklungen lange Zeit verneint haben, jetzt nicht länger die Augen verschließen können.
Mittlerweile sieht man deutlicher, wie es hier wirklich abgeht
Meinst du damit, dass dir Rassismuserfahrungen abgesprochen wurden?
Rassismus kann sehr subtil sein – oft durch die Blume oder auch „positiv“ intendiert. Viele Leute können nicht verstehen, wenn ich zum Beispiel keine Lust habe, so oft rauszugehen. Manchmal habe ich einfach keinen Bock, wieder der Schwarze zu sein, der auffällt und angestarrt wird. Mittlerweile sieht man deutlicher, wie es hier wirklich abgeht. Für mich ist der konservative Flügel der CDU und CSU fast noch schlimmer als die AfD, weil die ihre rechten Positionen im subtilen Kleid verkaufen. Aber das Problem ist größer als die AfD. Als wir damals abgeschoben wurden, hat die CDU regiert.
Was ist genau passiert?
Meine Eltern hatten ein Stipendium, mein Vater für die Tschechoslowakei, meine Mutter für Deutschland. Als sie fertig studiert hatten, mussten sie das Land verlassen – und ich auch. Obwohl ich hier geboren bin, habe ich damals keinen deutschen Pass bekommen. Ich bin zur Schule gegangen, ich war Deutscher – konnte aber nicht bleiben. Warum? Nur weil ich nicht blutsdeutsch bin? Das ist doch rassistisch. So eine Denkweise zeigt sich übrigens auch heute noch, zum Beispiel wenn Menschen erstaunt sind, dass ich perfekt Deutsch sprechen kann.
Natürlich kann ich verstehen, dass Menschen fliehen
Prägt deine eigene Fluchtgeschichte deine Sicht auf die aktuellen Debatten über Flucht und Asyl?
Auf jeden Fall! Insbesondere, wenn es um Mütter mit ihren Kindern geht. Ich bin ja mit meiner Familie aus Sierra Leone geflohen, als dort der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Mein Vater ist dort geblieben, und ich bin mit meiner Mutter und meinen Geschwistern geflohen. Mein Bruder und ich wären wahrscheinlich als Kindersoldaten eingezogen worden. Daher kann ich natürlich verstehen, dass Menschen fliehen. Wenn es um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge geht, begreifen viele Leute nicht, dass das auch historische Gründe hat. Gerade in Deutschland sollte man mehr Verständnis dafür aufbringen.
In deinem Song „Splitter“ rappst du: „Ich sehe keine Sonne über Afrika“. Was meinst du damit?
Es ist ein Wortspiel: Afrika als Kontinent, der ein näher am Äquator und heißer ist. Und die Sonne als Symbol des Wohlstands und der Hoffnung.
Woran liegt es, dass der afrikanische Kontinent immer noch vor vielen Problemen steht?
Weil Afrika sich nicht selbst staatlich und eigenständig definieren konnte. Durch die koloniale Politik der europäischen Staaten wurden Grenzen gezogen, Gesellschaften infiltriert, kolonialisiert, unterdrückt und ausgeraubt. Es gibt mehrere Seiten des Kolonialismus. Hier in Deutschland wird oft der Rassismus angesprochen. Wenn ich in Sierra Leona bin, merke ich, dass es noch andere Faktoren gibt, die zeigen, wie der Kolonialismus gewirkt hat – und bis heute wirkt.
Hast du Beispiele?
Ja, zum Beispiel die Fremdinvestoren. Die machen heute im Grunde das gleiche, was auch die Handelskompanien damals gemacht haben. Oft halten sich ausländischen Firmen nicht an die sozialen Verantwortlichkeiten, die Social Responsibilities. Es wird argumentiert, dass da ja auch die Afrikaner mitmachen würden. Aber auch während des Kolonialismus wurden bestimmte Volksgruppen von den europäischen Staaten unterstützt und als Verwalter eingesetzt.
Es geht nicht darum, zu sagen, dass ich Richboy bin und Gucci trage

Im deutschen Rap werden gerne Heldengeschichten erzählt, es wird rumgeprotzt und häufig eine neoliberale Erzählweise bedient. Du rappst über andere Dinge, zeigst Schwächen, thematisierst auch Depression und Kriegstrauma. Warum hast du dich für eine andere Art von Rap entschieden?
Für mich persönlich ist es gar keine so andere Art. Okay, es geht nicht darum, zu sagen, dass ich Richboy bin und Gucci trage. Aber auch ich beschreibe den Hustle, den Weg nach oben. Ich erzähle es einfach nur aus meiner Perspektive, was bei mir vorgefallen ist. Ich identifiziere mich ja auch mit den Leuten von der Straße und den Ausländern. Aber meine Geschichte reflektiert vielleicht ein bisschen mehr.
Verstehst du deine Musik als politisch?
Nicht in erster Linie. Zumindest ist es nicht mein erster Ansatz, eine politische Message zu verbreiten. Für mich ist das, was ich mache, eher sozialkritisch.
Kommerzieller Rap in Deutschland ist relativ unpolitisch und sucht oft sogar die Nähe zu menschenfeindlichen Ideologien. Ist es schwerer, mit sozialkritischen Texten Erfolg zu haben?
In Deutschland auf jeden Fall. Die Leute hier wollen Leichtkostmusik und Spaß haben.
Festivals wollen uns nicht buchen, weil wir zu politisch sind
Hast du Beispiele aus deiner eigenen Karriere?
Ja, Festivals wollen uns nicht buchen, weil wir zu politisch sind. Es gibt Vertriebe die sagen: „Das ist coole Musik, aber das passt nicht in die Modus-Mio-Playlist (erfolgreichste deutsche Rap-Playlist auf Spotify, Anm. d. Red.). Ich bin wahrscheinlich teilweise ein Störfaktor für das Wohlbefinden einer sich aus Almans und Shishabars konstituierenden Szene. Aber hey, scheißegal. Ich versuche langsam, nicht mehr so viele negative Sachen zu sehen. Ich habe mich ein bisschen davon verabschiedet, ein Superstar in Deutschland zu werden.
Du spielst also nicht mit dem Gedanken, deine Musik massentauglicher zu machen?
Doch, das ist schon die Mission. Aber ich kann nicht ganz aus meiner Haut. Ich werde keine Luftballon-Musik machen. Viele Typen ziehen sich an wie Rapper, bewegen sich wie Rapper und sind deswegen angesagt. Um die Skills geht es weniger. Das ist bei mir anders.
Es geht um mein Mindstate
Was ist auf deinem Album „Berliner Negritude“ zu erwarten?
Nice Beats, freshe Flows, hier und da bisschen Auto-Tune (lacht). Ansonsten geht es um mein Mindstate. Ich zoome auf meine Person, vielleicht nicht ganz so politisierend, aber natürlich mit gewissen Inhalten. Und eben nicht zu kompliziert.
Gibt es eine Persönlichkeit, die dich besonders inspiriert?
Jesse Owens symbolisiert ein bisschen das, für was auch wir stehen. Unter den Augen von Leuten, die uns stigmatisieren, beweisen wir, dass wir uns durchsetzen, keine Angst haben und über uns hinauswachsen.