Die Zeichentrickserie „She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen“ wird in feministischen Kreisen positiv rezipiert und von Mädchen, Frauen und Enbies* gefeiert. Insbesondere, weil sich die Serie neben der abenteuerlastigen Geschichte auf die Beziehungen unter den vielen weiblichen Protagonistinnen fokussiert. Doch wie weit reicht die Kraft der Liebe – und ist das noch gesund?
Auf dem Planeten Eteria weht, beziehungs- und gendertechnisch, ein anderer Wind. Bow hat zwei Väter, die von ihm erwarten, Historiker zu werden. Der Junge sieht sich aber eher als Soldat und schließt sich heimlich einer Rebellion gegen die Horde an, die Tod und Leid über den Planeten Eteria bringen. Zwei der namensgebenden Rebellen-Prinzessinnen, Spinnerella und Netossa, sind miteinander verheiratet und mit Double Trouble stellt sich ein*e nichtbinäre*r Söldner*in in die Dienste der Horde.
Es sind vor allem körperlich greifbare Emotionen und die Liebe, die die Hauptfiguren immer wieder antreiben, gegen das Böse und seine Dystopie eines galaktischen „Friedens“ in den Kampf zu ziehen. In diesem Frieden gibt es keine Spannung und keinen Widerstand mehr. Sprachlose Helden, die ihren Schmerz herunter schlucken, um aus bloßem Soldatentum oder Idealismus zu handeln, findet man in Eteria dagegen wenig – selbst bei den „Bösen“ nicht.
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In der Netflix-Serie passiert Folgendes: Adora und Catra werden von der Horde-Dienerin Shadow Weaver adoptiert und von klein auf zu Offizierinnen im Dienst der gruseligen, technisch überlegenen Truppe erzogen. Dabei geht die Adoptiv-Mutter manipulativ vor, verwickelt die Mädchen in Konkurrenz und demütigt die eine (Catra), wo sie die andere (Adora) mit Lob überschüttet. Eines Tages muss Adora mit ansehen, wie ihre eigene Truppe mitnichten Frieden bringt, sondern ein wehrloses Dorf mit Kriegsverbrechen überzieht. Sie wechselt die Seiten – und verlässt Catra.
Mit Zuneigung bekehren
Während Adora nach und nach das Geheimnis um ihre mysteriöse Auserwähltheit in einem irgendwie sehr bedeutenden Kampf entdeckt, steigt Catra zweiten Hand der Horde-Filiale auf Eteria auf. Immer wieder begegnen die beiden sich in Kämpfen und Schlachten. Dabei setzt Adora, die sich mithilfe eines magischen Schwertes in die namensgebende Heldin She-Ra verwandeln kann, immerzu auf ihre Zuneigung zu Catra, mit der sie sie bekehren will. Die wiederum will davon wenig wissen. Catra hat dermaßen mit ihren widersprüchlichen Gefühlen und Loyalitäten sowie dem Wunsch nach Lob und Anerkennung zu kämpfen, dass sie für großes Chaos auf allen Seiten sorgt.
Stattdessen bekämpft sie Adora, getrieben von der Wut darüber, von ihr verlassen worden zu sein. Mehrfach rettet sie sie jedoch wieder, heimlich und in letzter Sekunde. In ihren Kämpfen führen die beiden ihre verzwickte Beziehung fort: Adora wird von ihrer Liebe zu Catra eingeschränkt und macht sich verletzlich. Catra nutzt Adoras Offenherzigkeit brutal aus, um sie dann, aus Angst, sie endgültig zu verlieren, doch wieder zu verschonen. Catra macht sich unentbehrlich, strickt Intrigen und ist stets in doppelter Mission unterwegs – meist, ohne selber zu wissen, in welcher eigentlich. Treibende Kraft sind ihre emotionale Instabilität, ihre Traumata und das immer wiederkehrende Motiv des Verlassenwerdens.
Catra spielt auf der Klaviatur der großen politischen Fragen, des Ehrgeizes, der Intrigen und des Machthungers und kennt doch keinerlei weltlichen Maßstab. In Wahrheit lebt sie nur in den prekären Beziehungen zur kaltherzigen Mutter Shadow Weaver, zu ihrem bösartigen Boss und zu Adora. In einer Szene durchkreuzt sie die Pläne des Oberbösewichtes des Universums, um ihm zu erklären, dass er seine Widersacherinnen falsch eingeschätzt habe: „Wir Eterianer sind alle sowas von emotional!“ – und meint doch vor allem sich selbst als emotional Unberechenbarste von allen.
Dickicht der Emotionen
Catra kann in ihren verzweifelten Versuchen, sich durch das Dickicht ihrer Emotionswelt zu manövrieren, unglaublich liebenswürdig sein. Als Zuschauer*innen werden wir, durch die Perspektive Adoras und ihrer naiven Liebe zu allem und jedem, samt Bereitschaft zur völligen Selbstaufopferung, auch immer wieder auf diese Seite Catras gestoßen. Und doch ist gerade dies das Problem an dieser großartigen Serie:
Die Charakterzüge, die wir an Catra beobachten dürfen, sind die einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Keine Gemeinheit, keine Verletzung reicht aus, um Adora von der Idee abzubringen, sie mit Zuneigung zu retten – dafür sorgt Catra, wenn auch unbewusst. Man hätte Adora darüber hinaus wachsen lassen können. Doch in der finalen Szene sind es die einander gestandene Liebe und der Kuss der beiden, die überraschend doch noch einen uralten Mechanismus in Gang setzen und dem Oberbösewicht um seine Superwaffe, das Herz von Eteria, erleichtern.
Doch was ist so feministisch daran, die alte Leier wieder aufzugreifen, dass die bedingungslose, bis zur Selbstaufopferung reichende Liebe einer Frau zu einem unverstandenen, hier eben weiblichen, Monster alles gut machen und die beiden zusammen führen könnte? Die Power of Love in Ehren – was die Catra in unseren eigenen Freund*innenkreisen zur Heilung braucht, ist nicht bedingungslose Zuneigung, sondern ihre Knüpfung an Bedingungen. Die wichtigste davon ist, dass Catra für sich und für alle, denen sie charmant das Leben zur Hölle macht, Verantwortung tragen muss. Liebe ist möglich – aber Catra muss sich verdammt nochmal eine Therapie suchen.
She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen, USA 2018 – 2020, 52 Episoden, verfügbar auf Netflix
* Enbies = nichtbinäre Personen