Als letzte verbliebene Volkspartei hat man eine große Verantwortung. Alle mitnehmen, Nase putzen, bei den Toilettenpausen durchzählen und im Zweifel die Eltern anrufen – bis vor einer Weile haben sich die meisten die CDU so vorgestellt wie den Busfahrer am Wandertag. Außer dass einem der damals noch richtige Pornos gezeigt hat und keine Bilder von Paul Ziemiak.
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Während sich nach Thüringen jetzt viele auf die FDP als Steigbügelhalter des Faschismus einschießen, sollte man sich sehr genau anschauen, was die CDU eigentlich damit zu tun hat. Genau, die CDU, die jetzt nach Neuwahlen ruft! Die diese Situation überhaupt erst geschaffen und zugelassen hat. Die ums Verrecken den mörderischen Gulag-Stalinisten Ramelow loswerden wollte, den 60 Prozent der CDU-Anhänger für einen guten Ministerpräsidenten hielten und auf den man sich auch bei den Konservativen immer verlassen konnte – aber dessen Sozialpolitik leider das entscheidende Bisschen teurer war. Die CDU, die für ihr Spielchen Thüringen in ein monatelanges Patt setzte. Die CDU, die zuließ, dass ihre “Werteunion” praktisch den AfD-Wahlkampf mitorganisierte, das Pfannkuchengesicht vom Verfassungsschutz widerstandslos durch die Nazibezirke touren liess. Die in aller Gemütsruhe zusah, wie die FDP ihren schmutzigen Deal mit der AfD auskungelte, faktisch in aller Öffentlichkeit, mit Mitwissern bis hinauf zur grauen Eminenz Kramp-Karrenbauer. Und diese Partei inszeniert sich jetzt als Hüterin der Demokratie? Wer noch lachen kann, darf es jetzt.
Wir sind doch alle nur Menschen. Schreckliche, widerwärtige Menschen. Aber Menschen!
Die Parteistrategen werden sich das so gedacht haben: In Abwesenheit der SPD kann man nicht mehr ohne die Linken regieren, aber die stellen im Gegensatz zur SPD sogar noch ein paar Forderungen, außerdem verlieren wir dann noch weiter am rechten Rand. Daher müssen wir die Linken in eine Situation bringen, in der sie uns stützen müssen, ohne dass wir uns von ihnen abhängig machen. So schicken sie einen nützlichen FDP-August vor, dessen Komplettüberforderung einen aus jedem Interviewfetzen angrient, und lassen ihn von den Nazis wählen. Sodann grenzt man sich als CDU wieder von den Nazis ab: Immerhin hat man ihnen ja noch keine Ministerämter gegeben! “Für uns war und ist klar. Wir werden uns an keiner Landesregierung unter Einschluss der AfD beteiligen”, heißt das bei der Thüringen-CDU. “Einschluss” ist semantisch clever gewählt: Denn dass die AfD weiter für unsere Anliegen stimmt, dafür können wir ja nichts! Dass die unsere Regierung faktisch in der Hand hat, erst recht nichts! Und dass wir auf der Ebene des Flurfunks natürlich unsere Anliegen mit den ihren abstimmen, das lässt sich leider auch nicht vermeiden. Wir sind doch alle nur Menschen. Schreckliche, widerwärtige Menschen. Aber Menschen!
Und überhaupt: Den Linken stünde es ja nun frei, mit “wechselnden Mehrheiten” Ideen des FDP-Clowns umzusetzen. Denn sonst müsse man, leiderleider, wieder die Stimmen der Nazis annehmen. Ihr zwingt uns dazu! Ihr müsst jetzt gegen die Nazis stimmen, die wir überhaupt erst in die Parlamente gelassen haben! So perfide appellieren CDU und FDP taktisch an einen antifaschistischen Konsens, den sie auf einer strategischen Ebene längst verlassen haben.
Dass das Echo so laut wird, damit wird man im Büro Kramp-Karrenbauer wohl auch nicht gerechnet haben; die letzten Stellungnahmen waren dann doch etwas hektisch. Überall anders hätte es vermutlich weniger Widerstand gegeben, wie ärgerlich, dass in Thüringen ausgerechnet der Höcke sitzt, nunja, dann machen wir eben Neuwahlen. Ist ja kaum was passiert. War ja nur ein Versuchsballon, Leute! Wir konnten ja nicht wissen, dass der Typ Nazi ist, wir haben leider unsere eigenen Gutachten nicht gelesen. Im nächsten Bundesland finden wir dann respektablere AfD-Leute! Für deren Bürgerlichkeit wir uns verbürgen!
Thüringen aber hat sich schon jetzt vielfach rentiert: als Versuchsfeld, als bewährte Probebühne für ein neues Modell konservativen Regierens, in welchem man rechtsradikale Strukturen duldet, sich dann von ihnen ins Amt bringen lässt, um später lammfromm mit den Stimmen der Linken weiterzuwursteln – denen man gleichzeitig kein einziges Zugeständnis macht. Wichtig ist nur, einen opportunistischen Kasperkopf zu finden, der das ganze mitträgt. An solchen aber ist in diesem Land selten Mangel.