Interview mit der afa [w] – autonome antifa wien zur Lage in Österreich
Was zur Hölle ist bei euch in Österreich los?
Zusammenfassend könnte man sagen, dass sich zwei der wichtigsten Führungsfiguren der extremen Rechten in der Bananenrepublik enorm blamiert haben. Bei einem Gespräch mit vermeintlichen Spender*innen aus Russland versprachen Vizekanzler Heinz Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Joshi Gudenus, die größte Zeitung Österreichs „Krone“ an sie zu verkaufen und ihnen ebenso Aufträge aus dem Infrastrukturministerium zu sichern. Dieses siebenstündige Abendessen – scheinbar ein Codewort für Vodkakoksparty – wurde heimlich mitgefilmt und zwei Jahre später veröffentlicht, was die beiden zum Rücktritt zwang. Babyhitler Sebastian Kurz hatte zunächst angeboten, die Regierung weiter zu führen, jedoch ohne Innenminister Herbert Kickl. Die FPÖ wiederum wollte da nicht mitspielen und so sind alle Regierungsmitglieder der Partei zurückgetreten. Kurz setzte daraufhin “Expert*innen” – die er nach seinem Ermessen ausgesucht hat – in die Ministerien. Nun warten wir alle darauf, ob am Montag ein angekündigter Misstrauensantrag eine Mehrheit im Parlament bekommt und ebenso Kurz zum Rücktritt zwingt.
Diese Falle, eine ganz klare antifaschistische Aktion, oder?
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Kein Kommentar.
Werden die Faschisten und Neoliberalen es schaffen, sich wieder aus der Nummer herauszureden?
Nachdem Strache seinen Rücktritt bekannt gab, mischte er sich via Facebook wieder ins Geschehen ein und verkündete: „Jetzt erst recht“. Heruntergebrochen betont Strache zwei Sachen: „I wor bsoffn und die Juden sind schuld“. Dass man in Anwesenheit einer „attraktiven Oligarchin“ nach ein, zwei Näschen und vier bis zehn Vodkabull zu adoleszentem Prahlen neigt, ist für die Kernwähler*innenschaft der FPÖ nachvollziehbar und beschwichtigt diese. Dass eine ominöse, ausländische Macht die Fäden gezogen hat, leuchtet ebenso jedem Durchschnitts-Antisemiten in Österreich ein. Einer, der vorerst verstärkt daraus hervorgeht, ist der Schulsprecher der Nation Sebastian Kurz. Dennoch: das autoritäre Projekt Schwarz-Blau ist erst einmal gescheitert.
Kurz hat das menschenfeindliche Programm der FPÖ übernommen
Wird der Skandal die Ergebnisse der Europawahl beeinflussen? Und wer profitiert letztendlich von dem Skandal?
Die europäische Rechte wird nach ersten Einschätzungen erst einmal nicht verlieren. Wie die FPÖ bei der Wahl abschneiden wird, ist derzeit schwer vorauszusagen. Es besteht eine realistische Gefahr, dass Babyhitler nun verstärkt versucht, die FPÖ Wähler*innenschaft ins Boot zu holen. Das menschenfeindliche Programm der FPÖ hat er ohnehin schon lange übernommen. Er selbst freut sich darüber, dass die Normalisierung des Rechtsextremismus erste Früchte trägt: „Vieles von dem, was ich heute sage, ist vor drei Jahren noch massiv kritisiert und als rechtsradikal abgetan worden, das hat sich geändert“. Geht es nach ihm, profitieren „Linke bis hin zu Kommunisten“ von den Skandalen und warnt vorm Linksruck in Europa..ein Optimist.
Wie reagiert die Linke und die antiautoritäre Szene in Österreich?
Hervorzuheben ist, dass sich direkt am Tag nach der Veröffentlichung des Videos Tausende vor dem Bundeskanzleramt versammelt haben und dort einerseits ihre Wut zu artikulieren, aber andererseits den politischen Selbstmord Straches zu feiern. Die Freude über den Rücktritt des Ex-Neonazis ist durchaus berechtigt, jedoch darf nicht vergessen werden: an den Verhältnissen und der rechten Hegemonie hat sich nichts geändert. Die parlamentarische Linke reagiert kaum und ist schwach wie nie. Der „Staatslinke“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen sorgt sich um das Image Österreichs und seinen Wirtschaftsstandort. Viele Linke labern irgendetwas von der Stabilität im Land, die gesichert werden müsse und verkennen, dass wir die Verhältnisse ins Wanken bringen sollten. Von der Straße sind aber durchaus emanzipatorische Forderungen zu hören, beispielsweise von der „Donnerstagsdemo“, die sich nicht zufrieden geben mit den aktuellen Rücktritten. Sie wollen ebenso Kurz „verjagen“ und öffnen eine Perspektive auf ein gutes Leben für alle, nachdem dieses System überwunden wurde.
Ihr protestiert schon seit der Regierungsbildung gegen Kurz, Strache & Co. Ist Ibiza der krönende Höhepunkt der Kampagne?
Auf jeden Fall ist es ein Erfolg und dabei ist sogar noch den Vengaboys geholfen worden, die derzeit auf Platz 1 der österreichischen Charts sind (lacht). Nein aber im Ernst, jetzt geht es nur noch darum, Babyhitler zu stürzen.
Was halten die progressiven Kräfte von dem Streit zwischen Faschisten und Neoliberalen? Und können die angekündigten Neuwahlen etwas Grundlegendes ändern oder bleibt alles beim Alten?
Selbstverständlich ist es ein Grund zur Freude, wenn ein derartiges Regierungsprojekt zerbricht. Die Linke hat damit aber noch nicht viel gewonnen. Wir müssen uns nun überlegen, wie wir die entstandenen Risse weiter aufreißen können, um einen solidarischen Gesellschaftsentwurf sichtbar zu machen. In diesem Sinne hoffen wir auf das Eintreten des viel benutzten Terminus der letzten Tage: Staatskrise!