Ludwigsburg hat es doch auch geschafft. Am Dienstag ist Sindelfingen nachgezogen. Ganz ehrlich, Hamburg – und ich meine die Stadt- und Bezirksverwaltung, nicht uns Hamburger*innen – warum hast du immer noch nicht das letzte verbliebene Deutschlandkonzert von R. Kelly abgesagt?!
Es gibt eine sechsteilige Doku namens „Surviving R. Kelly“, in der um die 50 Frauen berichten, was der Schnulz-R’n’B-Sänger ihnen alles angetan hat: Von Freiheitsberaubung über Sexsklaverei bis zu sexualisierter, körperlicher und emotionaler Gewalt. Viele von ihnen waren da noch minderjährig. Die Petition gegen die zwei Deutschlandkonzerte hat innerhalb von 9 Tagen mehr als 38.000 Unterschriften gesammelt. Sony hat die Zusammenarbeit aufgekündigt. Lady Gaga und Chance the Rapper haben ihre Kollaborationen mit R. Kelly aus dem Netz genommen. In den USA ist er völlig unten durch, da lässt ihn niemand mehr auftreten. Nur du, Freie und Hansestadt Hamburg, „Tor zur Welt“, hältst immer noch daran fest, dem Typen eine Bühne zu bieten.
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So viel ist uns das mit dem Feminismus dann doch nicht wert
Die Sporthalle Hamburg, wo das Konzert am 14. April stattfinden soll, wird vom Bezirk Hamburg-Nord betrieben. Deren Pressesprecher sagt, das Bezirksamt sei an „vertragliche Verpflichtungen gebunden“ und habe „Zweifel, dass aufgrund der Vorwürfe der Vertrag einseitig aufzukündigen wäre“. Das heißt so viel wie: Das Konzert abzusagen wäre Vertragsbruch, das würde uns ein Schweinegeld kosten und so viel ist uns das mit dem Feminismus dann doch nicht wert. Warum, fragt man sich, habt ihr den Vertrag dann überhaupt abgeschlossen? Die Doku ist zwar erst im Januar herausgekommen, aber die Vorwürfe gegen R. Kelly sind teilweise schon 20 Jahre alt.
In der Hamburger Kulturbehörde wusste man noch nicht mal, dass sich die Petition auch an sie richtet. „Wir können da nichts machen, wir sind dem Bezirk gegenüber nicht weisungsbefugt“ hieß es aus der Pressestelle. „Wir würden R. Kelly keine Bühne bieten, haben hierbei als Kulturbehörde allerdings keinerlei Handllungsmöglichkeit“.
Hauptsache, nicht verantwortlich sein
Die Moderatorin Salwa Houmsi und das feministische Partykollektiv hoe_mies sind auch niemandem gegenüber weisungsbefugt. Handlungsmöglichkeiten hatten sie offensichtlich trotzdem – sie haben diese wahrgenommen und mit dem Druck ihrer Petition bewirkt, dass bereits zwei Konzerte abgesagt wurden. Die Kulturbehörde hat noch nicht einmal vor, eine einfache öffentliche Stellungnahme zu schreiben.
Sowohl die Behörde als auch das Bezirksamt schieben die Verantwortung natürlich auf den Veranstalter, der die Halle vom Bezirk Hamburg-Nord gemietet hat: „Es obliegt dem deutschen Veranstalter die Wertung, ob es opportun erscheint, das Konzert wie geplant am 14.04. stattfinden zu lassen“, schreibt das Bezirksamt an Supernova. Der Veranstalter Thomas Bernard wiederum rechtfertigte sich gegenüber der ARD: „Jeder kann frei entscheiden, ob er das Konzert besuchen möchte, oder nicht“.
So wie auch jede*r frei entscheiden kann, ob sie*er Verantwortung übernehmen möchte, oder nicht. Auch du, Hamburg.