„Toll, dass unser „Nein“ mittlerweile vor Gericht gilt – doch was bringt dieses „Nein“, wenn wir nicht gefragt werden?!“ schreiben die Frauen, Lesben, Nicht-binäre- Trans- und Inter- sowie queere und Agender Menschen (Flint*A), die hinter der Demo „My Body is not your Porn“ am 14. Februar in Berlin stehen, in ihrem Statement. Im Januar erfuhren sie durch eine Doku der ARD, dass ein Mann sie auf dem Festival Monis Rache in den Toiletten gefilmt hat und die Videos teils auf einer Pornoseite veröffentlichte, teils getauscht oder verkauft hat. Doch statt sich in die Opferrolle pressen zu lassen und sich über die „Entwürdigung“ zu beklagen, wie die Videos oft in der Presse betitelt wurden, zeigen die Betroffenen, dass sie auch als solche Würde und Power besitzen. Und dass sie sich wehren. Im Supernova-Interview erzählen zwei der Organisator*innen, was sie fordern, wovon sie träumen und warum sie besonders von linken cis-Männern enttäuscht sind.
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Ihr habt zu einer reinen Flint*A- Demo am 14. Februar aufgerufen. Welche konkreten Forderungen wollt ihr nach außen tragen?
Klara: Mir geht es vor allem um die politische Aufarbeitung. Frauen, die sexuelle Gewalt erleben und die bei der Polizei Anzeige erstatten, werden gefragt, warum Sie das tun. Aber was heißt es, sexualisierte Gewalt, körperliche Gewalt als Frau zu erleben? Es ist wichtig, Themen zu setzen und zu sagen: Über das reden wir jetzt und vielleicht ist das unangenehm, aber die Gewalttaten passieren. Und sie passieren tagtäglich. Wie geht eine Gesellschaft mit sexualisierter Gewalt um? Selbst im Jahr 2020 wird noch viel zu oft behauptet, die Frau wäre dran Schuld.
Anka: Das andere ist die Gesetzeslage. Die Täter müssen keine Angst haben, das sie wirklich Konsequenzen zu spüren bekommen.
Klara: Zu den politischen Forderungen ist vielleicht auch zu sagen: Der Rückschritt ist weltweit zu beobachten. In der Türkei wurde gerade eingeführt, wenn man eine Frau vergewaltigt und der Altersunterschied nicht größer als zehn oder 17 Jahre ist und die Frau danach geheiratet wird, dann ist halt auch wieder gut. In Polen ist es mit den Abtreibungsgesetzen das gleiche. Es gibt so viele Punkte, die wir erkämpft haben, die uns gerade wieder unter einem konservativen Rechtsruck streitig gemacht werden. Unsere Körper werden weiterhin vermarktet und verkauft. Irgendwie ist das ein Dauerkampf.
Wie kam es, dass ihr euch in der Orgagruppe engagiert?
Klara: Bei mir kam das, weil ich als potenziell Betroffene am ersten großen Berliner Treffen teilnahm, bei dem wir uns zusammengesetzt haben und in der Politgruppe bin ich auch, die dann Aufgaben mit übernommen hat, um das zu unterstützen.
Anka: Ich bin auch dazu gekommen, weil ich bei dem ersten Treffen der potenziell Betroffenen war, und ich fand das so einen bewegenden Moment, so viele Menschen zusammen zu sehen. Dieser Abend hat mir rgendwie nochmal Kraft gegeben. Trotzdem würde ich als Kritikpunkt einbringen: Es ist ja nicht das erste Mal passiert, es gab Fälle beim Hurricane. Jetzt haben wir so ein Sprachrohr, was wir auf einmal nutzen konnten, was ich super finde.
Was bedeutet es für euch, die Demo zu organisieren?
Klara: Empowerment. Arbeit und Empowerment.
Welche Rolle spielen cis-Männer bei der Orga?
Anka: Da gab es ein paar cis-Männer, die dann auch eine Telegram-Gruppe gegründet haben. Daraus ergab sich eine Support-Demo-Gruppe, das fand ich ganz gut.
Ihr sprecht von potenziell Betroffenen, wer sind diese Betroffenen?
Klara: Betroffen sind ja potenziell alle in unserem Alltag, wie wir festgestellt haben. Ob das jetzt auf dem Festival passiert ist oder auf einem anderen oder Zuhause, wer weiß. Tendentiell bedeutet Flint* zu sein, objektifiziert und verkauft und vermarktet und missachtet zu werden. Diesen Übergriffigkeiten ausgesetzt zu sein, von dem Moment an, seitdem wir auf der Welt sind. Das ist ja auch eine der ersten Sachen, die Frauen, Mädchen oder Flint-Personen beigebracht wird, „du musst dich zurücknehmen und schüchterner sein“. Potenziell sind alle Frauen, Lesben, Nicht-binäre-, Inter und Trans-Menschen von dieser patriarchalen Gesellschaft betroffen.
Habt ihr euch deshalb dafür entschieden, dass die Demo nur für Flint*As sein soll?
Klara: Ich glaube, das sind Bedürfnisse, die empowerend sein können: sich Räume zu nehmen und sich Räume zu schaffen. Wenn ich dann auf Facebook bin und Typen anfangen rumzuheulen, dass sie an einer Demo nicht teilnehmen dürfen und dass sie jetzt auf einmal die Opfer sind, dann denke ich: Da hast du doch grundlegend etwas nicht verstanden. Jetzt weiß ich: genau deswegen brauchen wir Demos ohne euch. Und ich glaube auf der anderen Seite ist es auch wichtig, sich zusammenzutun.
Was bedeutet es, sich Raum zu nehmen und wieso ist es euch wichtig?
Anka: Schon aufgrund dessen, dass uns als Betroffene nicht der Raum gegeben wurde. Aber das ist unser Körper, wir entscheiden, nicht du! Ich hab ja richtig Bock auf dieses Megaphone. Es wird von irgendjemandem getragen und man darf einfach losschreien. Da auch mal so laut zu werden, den Emotionen Raum zu geben, egal welche Emotion das ist. Ich habe von Anfang an in meinem Leben nicht so viel Raum bekommen und habe gemerkt, dass ich mir meinen Raum erstreiten muss, erkämpfen muss, ansonsten wird über mich entschieden.
Was können cis-Männer tun, um euch diesen Raum zuzugestehen?
Klara: Ich finde, oft können sie ihre Feminismusjogginghose ausziehen. Mich nerven besonders linke, feministische Männer, die einfach ihre Sprache geändert haben und auf einmal ganz weichgespült reden, um die Dominanzstruktur zu verstecken, weil sie wissen, hier kommen sie mit der Sprache nicht voran. Manchmal habe ich da lieber einen Macker vor mir, dem ich einfach sagen kann: Halt die Fresse, ey. Vielleicht möchte ich auch, dass sie einfach zuhören.
Was glaubt ihr, wird sich durch das, was passiert ist und durch die Demo ändern?
Anka: Ich glaube, dass wir es schaffen, dass sich ein Netzwerk bildet. Ich weiß, das ist nur Symptombehandlung, aber ich hoffe, dass Festivals sagen: Wir haben jetzt cleane Duschen und Toiletten, die werden regelmäßig gecheckt.
Und gesamtgesellschaftlich gesehen?
Klara: Das wäre super, wenn das Thema nicht in dieser linken Blase bleibt. Es ist ja ein gesamtgesellschaftliches, das sieht man ja an Korea mit den »My body is not your porn«-Protesten. Und feministische Kämpfe dann noch mal internationaler zu sehen, ist wichtig. Wenn wir in der Blase bleiben, bleiben wir halt in der Blase. Neu ist die Betroffenen-Arbeit. Das wurde glaube ich in so einem großen Spektrum noch nie angesprochen: Wie geht man mit Betroffenen um?