Ungewollt Schwangere haben es während der Corona-Pandemie noch schwerer, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Unter dem Motto #AbortionInCrisis kämpft das feministische Netzwerk “Stimmrecht gegen Unrecht” dafür, dass sichere Schwangerschaftsabbrüche auch jetzt gewährleistet sind.
Kriminalisierung, zu wenig ausführende Ärzt*innen, Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche durch den Paragraphen 129a, keine Thematisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Medizinstudium: Deutschland ist sowieso schon kein Vorzeigestaat wenn es um Fortschritt und Schwangerschaftsabbrüche geht.
Der Kampf um sichere, legale Abtreibung ist spätestens seit den Siebzigern eine Herausforderung für feministische Bewegungen. Nach wie vor sind Schwangerschaftsabbrüche hierzulande illegal und bleiben nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Schon ohne Krise gibt es ein Versorgungsproblem, weil in vielen Regionen zu wenig Ärzt*innen den Eingriff durchführen.
Durch die Corona-Pandemie verkompliziert sich vieles noch mehr. Deshalb fordert das feministische Netzwerk Stimmrecht gegen Unrecht, dem unter anderem Pro Familia und Doctors for Choice angehören, nun unbürokratische Lösungen, wie es sie auch für wirtschaftliche Problematiken geschaffen wurden.
Durch die Pandemie sind neue Problematiken aufgetaucht, wie Stimmrecht gegen Unrecht auf Facebook schreiben und Doctors for Choice auf ihrer Webseite mitteilen: Viele Pflichtberatungen sind inzwischen geschlossen, haben eingeschränkte Angebote oder finden nur noch als Telefon- und Videoberatung statt, die nicht für jede Person zugänglich ist. Auch in Praxen und Kliniken kann es zu Einschränkungen kommen, wenn es an Schutzmasken und Desinfektionsmittel mangelt, Schichtbetrieb herrscht oder längere Schließzeiten wegen Infektionen oder Quarantänezeiten von Ärzt*innen stattfinden. Abbrüche im Ausland, die für viele Schwangere eine Option sind, etwa wegen eines grenznahen Wohnorts oder günstigeren gesetzlichen Regelungen, sind durch die Reisebeschränkungen nicht mehr möglich.
Auch Ökonomie ist ein Faktor: Durch Geldeinbußen, wie Jobverluste oder Kurzarbeit, ist ein Schwangerschaftsabbruch für viele Menschen aktuell nicht bezahlbar. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist aber an strenge Voraussetzungen gebunden, die nicht jede nachweisen kann.
Dazu kommt, dass im Zuge der Ausgangsbeschränkungen die Zahlen ungewollter Schwangerschaften höher sein werden als gewöhnlich. “Unsere Forderungen stehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind eingebettet in aktuelle Umstände, welche ein sofortiges Handeln unmöglich machen. Denn in Krisensituationen steigen die Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und andere marginalisierte Geschlechter durch ihre Partner oder andere Mitglieder des Haushalts weiter an. Durch die gebotete häusliche Isolation sind Betroffene häufiger als sonst den Tätern ausgesetzt. Somit werden hier die Fälle von ungewollten Schwangerschaften unumgänglich steigen.”, erklärt Stimmrecht gegen Unrecht auf ihrer Petitionsseite zu #AbortionInCrisis.
Das feministische Bündnis zeigt außerdem auf, wie andere Länder die Pandemie nutzen, um Schwangerschaftsabbrüche unmöglich zu machen: In Texas und Ohio wurden im Zuge der Corona-Pandemie Abtreibungen verboten, da sie als medizinisch nicht notwendig kategorisiert wurden. Angeblich, um die Krankenhäuser zu entlasten.
Das Bündnis fordert nun, die unbürokratischen Lösungen, die für die Wirtschaft bereits genutzt werden, auf Schwangerschaftsabbrüche zu übertragen. Denn in Fragen der Wirtschaft scheinen Anpassungen auf die aktuelle Krise unkomplizierter und schneller zu gehen als gewöhnlich. Schwangerschaftsabbrüche als notwendige medizinische Leistung anerkennen, die Beratungspflicht aussetzen, unbürokratische Kostenübernahme und telemedizinischer Home-Use bei medikamentösen Abbrüchen – alles möglich, wenn nötig. Und nötig ist die Gewährleistung auf sichere Abtreibungen auf jeden Fall: Laut den Vereinten Nationen sterben jährlich 46.000 Menschen in Folge von Komplikationen durch unsichere Abtreibungen. 46.000 ist eine große Zahl, die nicht größer werden sollte. Im Gegenteil. Schwangerschaftsabbrüche müssen medizinische Grundversorgung sein, in Deutschland und überall. Schwangerschaftsabbrüche sind nötig. Immer, nicht nur während der Krise, und eine Entkriminalisierung ist lange überfällig.