In diesem Text wird rassistische Sprache reproduziert
Ich hatte mich sehr bemüht, der Debatte um True Fruits aus dem Weg zu gehen. Vieles ärgerte mich einfach zu sehr. Vor Kurzem entdeckte ich dann jedoch einen Facebook-Post des Smoothie-Herstellers. In der Stellungnahme zu dem „White Smoothie“ in der schwarzen Flasche heißt es: „Er ist das schwarze bzw. weiße (?) Schaf der Familie. Seinetwegen haben wir uns oft schwarz ääähh weiß geärgert.“ Für mich ist dieses Statement vor allem eins: ein weiteres Beispiel für rassistische Sprache.
Wir kennen sie alle: das Schwarze Schaf (der Familie), die von klein auf erlernte Angst vor dem Schwarzen* Mann, die Schwarzfahrer*innen, die Schwarzarbeiter*innen auf der nervigen Baustelle vor dem Haus oder das ewige sich schwarzärgern. Diese Formulierungen sind die nicht so netten, kleinen (oder auch großen) rassistischen Redewendungen, die die deutsche Sprache mit sich bringt.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen?
Leider wird hate speech – der englische Begriff für diskriminierende Sprache – in den meisten Fällen ignoriert, oder vielmehr: Eine rassismuskritische Auseinandersetzung über diskriminierende Sprache gibt es hierzulande selten. Wir leben in Deutschland in einem Land, in dem Sätze wie „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ oder „Das ist Sprachzensur!“ Normalität sind.
Ich frage mich häufig: Woher kommt das eigentlich? Und warum ist das Alltagssprache? Warum geht es nicht darum, wie verletzend und traumatisierend bestimmte Begriffe sein können?
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Die Geschichte von Schwarz und Weiß ist sehr alt und sehr einseitig. Sie hat ihre Wurzeln in der christlich-mythischen Konnotation der europäischen Farbsymbolik. Dort ist Weiß das Reine, die Unschuld, das Helle – und schlussfolgernd das Gute. Schwarz stellt nicht nur sein Pendant dar, es ist darüber hinaus die Abwesenheit des Hellen, des Guten. Die Abwesenheit des Lichts. Alltägliche Konnotationen mit Schwarz sind daher die Verbindungen mit etwas Negativem, Störenden, Schlechten, Unheilvollem oder Gefährlichem.
So what? Das sind eben Konnotationen, könnte darauf erwidert werden. Oder wie truefruits argumentiert: es sei scherzhaft gemeint, ein Spiel mit der Sprache. Doch wie äußert sich so ein „Scherz“ im Alltag?
Es scheint witzig zu sein, wenn ein Jugendlicher, der soeben eine Schwarze Person in die U-Bahn einsteigen sieht, grinst und sagt: „Da fährt schon wieder einer schwarz!“ Es scheint witzig zu sein, wenn ich im Laufe meines Lebens viel zu häufig gefragt werde, ob ich mich schwarzärgern könne oder was denn bei mir passiert, wenn ich mich ärgere. Ich lache mich kaputt – nicht. Ich finde das nämlich gar nicht witzig. Ist es auch nicht. Denn: Sprache beeinflusst, wie Menschen wahrgenommen werden. Solche Assoziationen schaffen und verbreiten auf sprachlicher Ebene rassistische Stereotype.
Sprache beeinflusst, wie Menschen wahrgenommen werden
Sprache darf nicht im luftleeren Raum betrachtet werden. Sie ist Teil einer Gesellschaft, ein aktiver Mechanismus, der sich mit der Gesellschaft entwickelt. Sprache benennt und drückt Situationen aus, speichert und kategorisiert diese dadurch. Dabei wird ein Wort eingefärbt, unterlegt mit einer Wertung und einem Verständnis über richtig und falsch, Gut und Böse. An diesen Stellen enthält Sprache eine gesellschaftliche Wertung, auch eine Abwertung oder jahrelang andauernde Verurteilung und einen gesellschaftlichen Ausschluss.
Deswegen sagen Wörter und Begriffe mehr aus. Mit der Zeit können sie sich von ihrer Geschichte lösen. Sprache wandelt sich und Begriffe werden auch in anderen Kontexten verwendet als ursprünglich gedacht. Häufig bedeutet dies jedoch nur, dass diskriminierende Begriffe alltagsfähig gemacht werden, denn ihre Inhalte und ihre Ursprünge gehen nicht verloren.
Viele Wörter tragen sie die Gräuel der Kolonialzeit in sich.
Viele Wörter, die wir verwenden, sind alt. Sie sind ein Teil der Vergangenheit und im Falle rassistischer Sprache, tragen sie die Gräuel der Kolonialzeit und der Sklaverei in sich. Die christlich-mythische Farbsymbolik passte nahtlos in die rassistischen Vorstellungen der Kolonialzeit, denn sie legitimierte die Abwertung und Entmenschlichung Schwarzer Menschen. Es ist somit kein Wunder, dass schwarz aus christlich-weißer** Perspektive nicht positiv konnotiert wird oder wir nicht schwarz werden vor Glück.
Auch wenn ein Begriff über seinen Ursprung hinaus angewendet wird, bleibt seine Vergangenheit und damit seine Konnotation vorhanden. Heutzutage besteht diese Verbindung nicht mehr in der Legitimation der Versklavung – eine Abwertung findet jedoch nach wie vor statt. Die Verbindung besteht hier in der Wahrnehmung Schwarzer Menschen als kriminell, gefährlich oder bedrohlich mit illegalisierten oder negativen Verhaltensweisen.
Rassismus ist ein konstanter Begleiter der deutschen Sprache
Rassismus ist ein konstanter Begleiter der deutschen Sprache und in vielen Formen, Fragen, Assoziationen oder Redewendungen zu finden. Dies mitzudenken und die eigenen Formulierungen entsprechend zu hinterfragen und neu zu denken, hat dabei nichts mit Zensur zu tun, sondern bedeutet aufmerksam und diskriminierungsarm zu sprechen. Darüber hinaus hilft es konkret und verständlich zu kommunizieren.
Meine Empfehlung? Sag genau das, was du ausdrücken willst: Wenn du ohne Ticket durch die Gegend düst, dann sag doch genau das. Wenn du dich ärgerst, dann ärgerst du dich eben. Wenn du unangemeldet arbeitest, arbeitest du unangemeldet. Und wenn du nicht genau so bist wie der Rest deiner Familie, dann machst du eben dein eigenes Ding. Ist doch cool, zieh es durch!
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*Schwarz: Der Begriff beschreibt keine Hautfarbe, sondern benennt ein gesellschaftlich-soziales Konstrukt, in dem Schwarze Menschen, Indigene Menschen und People of Color Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt sind.
**weiß wird klein und kursiv geschrieben, um dieses als eine Konstruktion zu markieren. Es handelt sich um keine Hautfarbe, sondern benennt Privilegien, die mit einer gesellschafts-politischen Position einhergehen.