Am 19. Oktober 2019 wurde in den USA der allererste National Period Day begangen – ein Tag mit landesweiten Demos gegen die Tamponsteuer. Eine Woche zuvor gab Finanzminister Olaf Scholz bekannt, die Tamponsteuer in Deutschland zu senken. Heute wird im Petitionsausschuss des Bundestages über das Thema beraten. Endlich wird auch in Deutschland darüber gesprochen, dass der Zugang zu Menstruationsartikeln kein nice-to-have sondern essentiell ist. Denn die sogenannte Periodenarmut – Menschen, die sich keine Menstruationsartikel leisten können – ist ein globales Problem, das fatale Auswirkungen hat.
Die Folgen von Periodenarmut werden nicht nur einmal im Monat deutlich, sie prägen ein ganzes Leben. Die Steuer auf diese Produkte zu senken, kann helfen und zu Gerechtigkeit beitragen. Eigentlich sollte diese Forderung ein no-brainer sein. Trotzdem muss man immer wieder die gleichen Leiern hören, von Menschen, die sich durch eine Senkung der Tamponsteuer scheinbar bedroht fühlen. Vielleicht haben sie aber auch einfach nur Fragen. Zur besseren Einordnung hier das Best-Of zum Tamponsteuer-Bullshit-Bingo:
1. Es gibt gar keine Tamponsteuer, nur eine Mehrwertsteuer.
Mit Ausnahme weniger Länder werden fast überall auf der Welt Steuern auf Menstruationsprodukte erhoben. In vielen Ländern werden diese Produkte nicht einmal als lebensnotwendig eingestuft und entsprechend hoch besteuert. Steuern sind nicht nur reine Staatsfinanzierung, sie haben auch eine Lenkungsfunktion – so wie es Geld immer hat. Wer Kaviar, Viagra und Fast Food niedriger besteuert als Tampons, erzielt eine bestimmte Wirkung und gibt eine deutliche Haltung zum Ausdruck.
Denn unterschiedliche Steuersätze lassen auf unterschiedliche Wertung rückschließen: Mein Burger ist mehr wert als deine Menstruation. Unsere Erektion ist mehr wert als deine Menstruation. Mein schickes Firmenevent-Häppchen ist mehr wert als deine Menstruation. Diese Besteuerung von lebensnotwendigen Artikeln für die Periode wird daher als sogenannte Tamponsteuer bezeichnet. So zahlen wir in Deutschland zur Zeit 19 Prozent Steuern auf Tampons und Co, auf Lachskaviar aber nur sieben Prozent.
2. Aber auf Rasierer zahlen wir Männer auch den hohen Steuersatz.
Das Spannende an der Menstruation ist auch, dass es nichts gibt, mit dem sie verglichen werden kann. Sie ist einzigartig. Keine andere körperliche Funktion eröffnet so viele Möglichkeiten und schränkt gleichzeitig so sehr ein. Vollbart tragen oder glattrasieren: Das ist eine persönliche Entscheidung. Einmal im Monat die Gegend vollbluten – das ist einfach keine Option. Und sonderlich exklusiv sind Haare auch nicht. Die wachsen nämlich allen Geschlechtern.
3. Ich habe auf Amazon geschaut und man spart nur 2,07 Euro aufs ganze Jahr.
In manchen Ländern geht es um viel Geld, in manchen um weniger Geld. Der Steuersatz variiert zudem je nach Produkt. In beiden Fällen geht es bei der Tamponsteuer um das dahinterstehende Prinzip der Gerechtigkeit (und auch um Geld). Es ist nicht gerecht, wenn eine Bevölkerungsgruppe mit einer finanziellen und ideellen Belastung leben muss. Wieso gibt es überall kostenfrei Papier auf den Toiletten, aber keine Binden oder Tampons? Weil eine Hälfte der Bevölkerung keinen Platz im öffentlichen Raum hat. Weil Frau selbst für ihre Bedarfe zuständig ist und die Menstruation sowieso Privatsache. Weil das Blut ist. Weil das eklig ist. Weil unsere Welt verklemmt und unaufgeklärt ist, was das Thema Menstruation angeht. Gerecht ist das nicht.
Vor allem führt es in vielen Teilen der Welt zu einem Problem, das weit größer ist als wir es uns in unserer eurozentristischen Blase vorstellen können: In den sogenannten Dritte-Welt-Ländern besuchen Mädchen im Durchschnitt knapp vier Tage pro Monat weniger die Schule als Jungs im gleichen Alter. Vielen von ihnen können nicht am Unterricht teilnehmen, weil sie keine Menstruationsartikel haben. Diese Frauen können ihr Potenzial aufgrund ihrer Monatsblutung nicht entfalten. Das ist nicht nur eine Frage von Geschlechtergerechtigkeit, es ist auch eine ganz simple ökonomische: Wenn die Hälfte der Bevölkerung ihre Fähigkeiten nicht einsetzen und entfalten kann, dann ist das gesamtgesellschaftliche Wachstum gebremst. Eine geringe Steuer auf Menstruationsartikel ist eine direkte Möglichkeit für den Staat, auf die gesellschaftliche Entwicklung und die Lebensverhältnisse einzuwirken.
4. Und was, wenn die Steuersenkung nur den Unternehmen nützt und gar nicht bei den Kund*innen ankommt?
Natürlich ist nicht sichergestellt, dass die Handelsunternehmen aufgrund einer Steuersenkung auch die Preise auf die entsprechenden Produkte anpassen. Doch wer sich mit dem Markt an Menstruationsprodukten auskennt, der kann zusehen, wie er sich explosionsartig entwickelt. Schon lange sind Johnson&Johnson und Procter&Gamble nicht mehr die einzigen, die sich im Drogerieregal tummeln. Vom Tampon aus Bio-Baumwolle, über Mooncups, hin zu Perioden-Pantys bietet die Startup-Welt so ungefähr alles, was das Menstruierendenherz begehrt. Die Produkte werden qualitativ hochwertiger und ökologisch nachhaltiger. Sie sind bunt, frech, schön und machen stolz. Und wer in der Schule aufgepasst hat, der kann sich ausrechnen was passiert: Eine gleichbleibende Nachfrage trifft auf ein wachsendes Angebot. In der Mainstream-Ökonomie heißt das zumindest nicht, dass die Preise steigen.
5. Frauen verschmutzen die Umwelt schon genug mit ihren Tampons, alle sollten Menstruationstassen nutzen.
Es ist gut, dass dieser Markt wächst. Nicht nur weil einige echt großartige Frauen einfach ihr Ding durchziehen und ihr eigenes Unternehmen gründen, sondern auch weil wir die Auswahl haben. Wir haben die Auswahl, ob wir unsere Tage am liebsten mit Panties überstehen, ein Cup für uns das Richtige ist, oder wir Slipeinlagen am praktischsten finden. Wir bestimmen selbst, wie wir unsere Körper behandeln, wie wir mit uns umgehen, wenn wir unsere Menstruation haben. Diese neu gewonnene Selbstbestimmung öffnet weitere Möglichkeiten, von denen wir bis vor kurzem noch gar nichts wussten. Das regt zum Reden an. Zum Reden über Schmerzen, über Glück und über Lösungen zum Umweltschutz.
6. Haben wir keine anderen Probleme?
Wir haben viele Probleme auf dieser Erde und in dieser Gesellschaft. Und sie werden auch nicht weniger, wenn man sich ihrer nicht annimmt. Die Menstruation ist ein Bereich unserer Gesellschaft, der weitreichende Folgen haben kann. Wenn wir anfangen, die Relevanz der scheinbar kleinen Dinge zu sehen und ihre Position im Gesamtgefüge zu erkennen, können wir einen Unterschied machen: Schritt für Schritt und Gesetz für Gesetz. Unsere Petition und unser Treffen mit Finanzminister Olaf Scholz waren nur der Anfang. Sobald die Steuer auf Tampons, Binden und Co. im Januar fällt, werden wir eine neue Kampagne starten. Wir fordern kostenfreie Menstruationsprodukte in allen öffentlichen Einrichtungen. Denn wir haben Blut geleckt und es schmeckt nach Menstrual Equity!