Bill de Blasio staunte, als er hörte warum seine Tochter vom Unterricht ausgeschlossen wurde. Der Bürgermeister von New York City hatte sich darüber noch nie Gedanken gemacht. Die Periode seiner Frau und seiner Töchter war kein Thema für das Abendessen. Nun aber war sie auf einmal präsent. Denn seine Tochter bekam während der Schule überraschend ihre Menstruation und musste das gesamte Gelände durchqueren, durch zahlreiche Gänge laufen, bei Regen den Sportplatz passieren, bis sie endlich im Krankenzimmer angelangt war, wo sie einen Tampon erhielt.
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Sie kam zu spät zum Unterricht und ihr Lehrer ließ sie nicht mehr ins Klassenzimmer. Stattdessen musste sie in das Büro der Rektorin und dort die restliche Stunde absitzen. Wenn auf den Toiletten der aufgeklärten Schule eine Auswahl an Produkten zur freien Verfügung gestanden hätte, wäre das nicht passiert. Also wurde ein Gesetz für kostenfreie Menstruationsprodukte auf den Damen-Toiletten von Schulen, Gefängnissen und anderen öffentlichen Einrichtungen geschrieben. So oder so ähnlich wird sich die Geschichte erzählt, wie New York lernte, Frauen mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen. Zumindest auf der Toilette.
Viagra ist steuerfrei, Tampons nicht
Im gleichen Jahr, in dem New York City beschloss, Menstruationsprodukte als lebensnotwendig anzuerkennen und auf eine Stufe mit Toiletten- und Handtuchpapier zu stellen, wurde im Staat New York die Steuer von neun Prozent auf diese Produkte abgeschafft. Ebenso wie zuvor schon Produkte wie Medikamente, zum Beispiel Viagra, auch schon steuerfrei waren, sind es nun auch Tampons, Binden und Co. Für Linda Rosenthal, federführende Abgeordnete des New Yorker Unterhauses, ist die regressive Steuer ein Relikt aus Zeiten, in denen Frauen kein Teil der Regierung und der Entscheidungsprozesse waren. Ihre Aufhebung sei eine Frage der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit.
Seit dem 01. Januar 2019 wird auch in Australien keine Umsatzsteuer mehr auf Menstruationsartikel erhoben. 18 Jahre, eine Petition, unzählige Demonstrationen und viel Blut später, ist es endlich so weit. Vertreterinnen und Vertreter aus 16 unterschiedlichen bundesstaatähnlichen Territorien, die mehr als 24 Millionen Menschen repräsentieren, mussten einer entsprechenden Änderung zustimmen. Für Premierminister Scott Morrison ist die Steuer „eine Anomalie, die schon lange in das System eingebaut ist.“ Eine Anomalie, bei der Kondome und Viagra steuerfrei sind, Tampons, Binden und Menstruationstassen aber nicht.
Auch Deutschland erhebt Steuern auf Tampons, Binden und Menstruationstassen: 19%. Dabei gibt es eine Alternative, die reduzierte Umsatzsteuer. In seiner 5. Wahlperiode stimmt der Deutsche Bundestag 1967 einem von der Union und der FDP eingebrachten Gesetzesentwurf zur Umsatzsteuer zu. Vorher wurden Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft angehört. Während Leistungen aus dem Hotel- und Gastgewerbe, der Lebensmittelindustrie, die Provision von Bausparkassenvertretern, Theaterbesuche, Briefmarken und Kunstgegenstände mit dem ermäßigten Steuersatz beschenkt wurden, sah man offenbar keinen Bedarf darin, Frauen zu entlasten.
Selbst MDMA wechselt ungenierter die Besitzerin als ein Tampon
Dabei listet die Anlage 2 des Umsatzsteuergesetzes hauptsächlich Gegenstände des täglichen Bedarfs auf. Auf unverarbeitete Lebensmittel, Wasser oder Prothesen wird der geringere Steuersatz von 7 % erhoben. Auch Schnittblumen, Hundekekse, Sammelmünzen und Lachskaviar werden steuerlich begünstigt. Was fehlt, sind Babywindeln, Medikamente, Menstruationsartikel. Denn diese Produkte sind in den Augen männlicher Gesetzgeber wohl nicht essentiell und werden entsprechend hoch besteuert.
Das Selbstverständnis des Staates, an dieser Stelle die Hand aufzuhalten, wundert wenig. 1967, als Frauen noch per Gesetz dazu verpflichtet waren, ihren Mann um Erlaubnis zu bitten um arbeiten gehen zu können, waren von den insgesamt 518 Abgeordneten gerade einmal 36 Frauen. Wer keine Lobby hat, wird nicht berücksichtigt. Heute sind mehr Frauen im Parlament, die Lobby ist größer geworden, geändert hat sich nichts. 219 Frauen stehen immer noch der absoluten Mehrheit von 490 Männern gegenüber.
Im Durchschnitt bluten Frauen in ihrem Leben 2535 Tage lang. Insgesamt Sieben Jahre, in denen Binden und Co., immer dabei sein müssen. Und sind sie es einmal nicht, wird verstohlen danach gefragt. Selbst MDMA wechselt ungenierter seine Besitzerin als ein Tampon.
Jede zehnte junge Frau kann sich keine Tampons leisten
Auf der ganzen Welt haben Frauen mit der Stigmatisierung ihrer monatlichen Blutung zu kämpfen. So gelten Frauen während ihrer Periode zum Beispiel in Indien noch immer als unrein und werden ausgegrenzt. Fast harmlos gegen die Tatsache, dass Menstruationsartikel insbesondere in wirtschaftlich schwachen Regionen eher die Ausnahme als die Regel sind. Staaten, die auf diese Produkte Steuern erheben, erschweren den Zugang zu ihnen weiter. Frauen sind gezwungen, auf fragwürdige Stofflappen und andere unhygienische Alternativen zurückzugreifen. Aus der Notwendigkeit des Bedarfs jedoch, entsteht die sogenannte Perioden-Armut. Sie zwingt Mädchen von der Schule fern zu bleiben und beschneidet so ihren Zugang zu Bildung und einer unabhängigen Existenz. Laut Plan International kann sich selbst in Großbritannien jede zehnte junge Frau keine Menstruationsprodukte leisten.
Auf dem Papier besteht in Deutschland Gleichberechtigung. Ja, wir dürfen mittlerweile wählen und uns wählen lassen, wir dürfen sogar arbeiten und ein eigenes Konto haben. Tatsächliche Gleichbehandlung haben wir aber noch lange nicht erreicht. Weder dürfen Frauen komplett über ihren eigenen Körper bestimmen – siehe Abtreibungsparagraf 218 – noch herrscht berufliche Chancengleichheit und damit finanzielle Unabhängigkeit der Geschlechter. Solange die gesetzlichen und damit gesellschaftlichen Strukturen den Geschlechtern nicht die gleichen Rechte und Pflichten, in Abhängigkeit ihrer Eigenschaften zugestehen, ist dieses Land weit von echter Gleichberechtigung entfernt. Frauen aufgrund ihrer Fähigkeit zur Reproduktion mit einer Steuer zu bestrafen, ist dabei nur eines der vielen Symptome einer ausgeprägten Missachtung des weiblichen Geschlechts in unserer Gesellschaft. Wir wollen doch sonst auch immer bei allem Vorreiter sein, warum dann nicht auch für das gesellschaftliche Zusammenleben, für die Anerkennung der Geschlechter, für die Abschaffung der Tamponsteuer?