Neue Brüste oder Penisaufbau, tiefe Stimme und Bartwuchs – ohne das komplette geschlechtsangleichende Programm fühlen sich Trans*personen nicht wohl in ihrem Körper – denken Viele. Das ist aber nicht immer so. In Wirklichkeit sieht es viel diverser aus: Es gibt Trans*personen wie Tatjana, die es vor ein paar Monaten unter die Top 12 bei Germany‘s Next Topmodel geschafft hat. Sie ließ in den letzten acht Jahren drei Operationen vornehmen. Heute fühlt sie sich besser, sagt sie. Aber Menschen wie die Mitte fünfzigjährige Carina, die vom Hessischen Rundfunk interviewt worden ist, fühlen anders. Sie findet: Trans* sein geht auch ohne OPs und Hormone.
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Der 30-jährige Leon befindet sich in der Mitte zwischen diesen beiden Positionen. Bei der Geburt wurde ihm das weibliche Geschlecht zugewiesen – so fühlt er sich aber nicht. Seit sechs Jahren nimmt er Testosteron, die Brüste hat er entfernen lassen, einen Penisaufbau plant er nicht. Seitdem ist sein schmaler Körper muskulös geworden, Leute die ihn neu kennenlernen, ordnen ihn sofort als männlich ein. Für diesen Text will er anonym bleiben, „Leon“ ist ein Pseudonym.
So unterschiedlich wie die Transitionsmöglichkeiten sind auch die Meinungen darüber. Kritik an OPs und Hormoneinnahmen kann schnell als transphob verstanden werden. Leider können die Eingriffe mit emotionalen Tiefschlägen verbunden sein. Auch muss eine physische Transition nicht immer von innen heraus motiviert sein – so wie bei Leon. Er hat mit Supernova darüber gesprochen, warum er die Hormontherapie manchmal bereut.
Weshalb hast du dich für die Einnahme von Testosteron entschieden?
Ehrlich gesagt hätte ich Testo nicht gebraucht. Ich habe mich schon immer männlich gefühlt. Auch, wenn ich als Kind mal auf einer Hochzeit ein rosa Kleid anhatte. Von meinem eigenen Gefühl her würde ich sagen, ich kam eigentlich gut damit zurecht vor den Hormonen. Ich hatte eine höhere Stimme und gewisse Merkmale, wo man sagen kann: Ok, das ist eher weiblich. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass jeder Tag ein Kampf ist. Ich hatte das Gefühl, von mir wird erwartet, dass ich Testo nehme. Es hat sich so angefühlt, als ob das noch nicht so richtig passt für die anderen, wenn ich mich einfach Leon nenne und sich sonst nichts ändert.
Du musst dich schon entscheiden. Entweder richtig oder gar nicht!
Meine kleine Schwester, die damals selber in der Pubertät war, fand es komisch, dass ich als Mann leben wollte. Sie war wahrscheinlich auch ein bisschen überfordert. Sie sagte mir: „Du musst dich schon entscheiden. Entweder richtig oder gar nicht!“ Der größte Wunsch ist, dass man so gesehen wird, wie man sich fühlt. Ich hatte das Gefühl, es ist leichter für Andere, wenn sie nicht kognitiv nachhelfen müssen, sondern wenn sie einfach von außen die Information bekommen, dass ich ein Mann bin. Es kann sein, dass sie das gar nicht so gedacht haben. Während der Zeit war ich aber auch einfach extrem unsicher.
Wie war es, als du das erste Mal Testosteron eingenommen hast?
Das war in einer Klinik. Der Arzt hat mir die Hormone verschrieben und ich habe die dann gespritzt bekommen. Danach sah ich wochenlang aus wie ein Elefant. Meine Beine sind angeschwollen und ich musste erst mal Stützstrümpfe tragen. Ich vermute, dass mir der Arzt zu viel Testosteron gespritzt hat. Damals war ich untergewichtig. Vielleicht hat er mir einfach die ganz normale Dosis gegeben. Das war ziemlich krass, weil ich so etwas noch nie vorher hatte. Und es war sehr eindeutig, dass es etwas mit dem Testo zu tun hatte.
Es ging echt bergab mit meiner Stimmung und das hat mehrere Monate angehalten
Danach war ich nicht sicher, ob ich es nochmal bei einem anderen Arzt probieren will. Ich hatte auch einfach eine Riesenangst, dass es wieder passiert. Nach drei Wochen sind die Wassereinlagerungen zurückgegangen. Aber psychisch war das schon so, dass ich gedacht habe: Ok, damit ist nicht zu spaßen. Hormone, das sind keine eine lockere Sache. Ein paar Monate später habe ich einen zweiten Versuch gestartet. Und es kam wieder zu Komplikationen. Ich hatte dann dieses Implantat, das die Ausschüttung weiblicher Hormone unterdrückt. Das war schon sehr hart. Es ging echt bergab mit meiner Stimmung und das hat mehrere Monate angehalten. Ich bin jetzt bei einer Endokrinologin, die sich auch auskennt mit den Zusammenhängen zwischen Stimmung und Hormonen.
Die Anfangszeit deiner Transition klingt ziemlich hart. Wolltest du manchmal zurück?
Während der Zeit hatte ich Zweifel, ob die Hormoneinnahme das Richtige für mich ist. Es kamen viele Fragen auf. Ob ich vielleicht doch wieder zurückgehen sollte. Eigentlich könnte ich es weiter nehmen, dachte ich. Aber so viel einfacher wäre es doch, wieder zurück zu gehen. Ich hatte schon die Personenstandsänderung und die Namensänderung. Da habe ich gedacht: Du kannst bequem so leben, ohne Testosteron.
Ich würde es auf keinen Fall nochmal machen
Wer hatte noch Erwartungen an dich?
Die Ärzte haben immer gefragt: „Wann ist es denn bei Ihnen so weit für die große OP?“ Oft wollen die Ärzte einem ein Komplettpaket anbieten. „Wir machen das so und so und nehmen Ihnen dann die Eierstöcke raus. Dann sind Sie das auch gleich los“, habe ich schon gesagt bekommen. Die haben ganz oft ein Bild im Kopf: Das ist der Trans*mann, der will ein Mann werden und es muss ganz schnell passieren.
Was würdest du anderen raten, die das Gefühl haben trans* zu sein?
Sich ganz viel Zeit für solche Entscheidungen zu lassen, keine Dinge zu überstürzen. Und auch auszuwählen, zu welchem Arzt man geht. Ich war bei vielen verschiedenen Ärzten – es gab solche, die haben gesagt: bei der Brust-OP schneiden wir jetzt auch gleich noch die Brustwarze mit ab. Als sie mir gesagt haben, dass es nicht anders geht, bin ich woanders hingegangen.
Gibt es etwas, das du heute bereust?
Ich bereue nicht komplett alles. In den letzten Monaten war ich auch sehr dankbar, dass ich das gemacht habe. Aber ich würde es auf keinen Fall nochmal machen.