„Ich kann wenn ich in den Spiegel schaue, Gott erkennen.
Dis is wie N****r: Nur ich darf mich Fotze nennen.“
Coole, empowernde Line von Juju denken sich jetzt bestimmt viele, darunter ich auch. Leider ist Juju oder die jetzt aufgelöste Band SXTN für mich ein Triggerthema.
Warum? Weil ich ein Spasti bin, der seit seiner Kindheit Hiphop-Fan ist. Und SXTN hat diese eigentlich gute Line ad absurdum geführt, denn die
beiden treten auch nach unten – auf Behinderte, die sie gerne mal als Spast bezeichnen:
„Vodka-Energy, Weed und Schweiß
Jeder Spast hier im Club weiß, wie ich heiß“
(Von Party zu Party)
Ich mache SXTN keinen Vorwurf. Sie stellen sich bewusst in keine politische Ecke, das äußern sie sehr oft in Interviews. Sie sind Rapperinnen. Und Rapperinnen leben von einer großen Klappe und Provokationen.
Vielmehr mache ich den Leuten einen Vorwurf, die dazu auf linken oder queeren Soliparties abgehen. Ich mache den Leuten einen Vorwurf, die sagen, Nura würde sich in der queeren Szene engagieren. Ich höre diese empowernden Zeilen und dann „Spast“ oder „behindert“ und ich denke mir: Warum treten marginalisierte Gruppen immer wieder aufeinander ein? Hiphop war mal ein Zeichen des Widerstands gegen das System. Warum kämpfen marginalisierte Gruppen nicht miteinander statt gegeneinander?
Das passiert auf antifaschistischen Protesten, wo ich oft schon „Nazispast“ oder „Behinderter Bulle“ gehört habe. Oder auf Soliparties, wo der Punkrockfrontsänger die Parole „Alle Nazis sind Spasten“ ruft. Oder eben auf „queeren“ Hiphop-Parties, wo das Lied „Von Party zu Party“ mich auch dann triggert, wenn es an den problematischen Stellen runtergepitcht wird. Ich bin nicht dement, ich erinnere mich, was die singen und nur, weil es runtergepitcht wird, macht es das Lied nicht besser. Dabei gibt es so viele empowernde Rapperinnen wie Finna, die bodypositive, sexpositive, explizit feministische, antifaschistische Texte haben und dazu noch eine mega Ausstrahlung besitzen.
Es gibt so viel auch unbeabsichtigte Diskriminierung, zum Beispiel wurde ich auf einer Demonstration gebeten aus dem Frontblock zu gehen, weil es angeblich zu gefährlich sei für einen Behinderten. Mal ehrlich, ich entscheide zusammen mit meiner Bezugsgruppe, wann wir gehen.
Es ist zweifelsfrei scheiße, wenn ein Behinderter auf einer Demonstration Opfer von Polizeigewalt wird, aber nicht beschissener als bei anderen Genoss*innen. Und auch, wenn ihr mir das eventuell nicht zutraut, kann ich mich alleine wehren.
Whacke Medien
Wenn Musiker*innen behinderte Menschen abwerten, kann man sie auf Events, denen es um Solidarität geht, nicht hören. Und die Hiphop-Medien machen es nicht besser. Im Gegenteil sind sie meistens leider Teil des Problems. Wenn Rapper*innen medial präsentiert werden, äußern sie sich meist sehr bedacht. Beide Seiten, Rapmedien und Rapper*innen betonen eine Differenz zwischen Musik und öffentlichen Äußerungen. Das mag für manche*n Rapper*in und manche*n Rapjournalist*in gut klappen, es gibt aber auch welche, die da einfach scheinheilig sind:
So zum Beispiel Ben Salomo, der Hubertus Koch ein Interview über Antisemitismus im Deutschrap gegeben hat. Hubertus Koch ist übrigens ein Typ, der auch eine Doku über behinderte Menschen gedreht hat. Die Message ist verkürzt wiedergegeben: Antisemitismus sei kacke und überhaupt nerve jede Form von Diskriminierung.
So weit, so gut. Wenn aber Hubertus nach der Aussage Bens, „wenn sich jemand rassistisch artikuliert, ist er auch ein Rassist“, raushaut: „Weißt du was ich so behindert finde, … „, dann ist das genau das Problem. Es regt mich dermaßen auf. Ableism gegen Rechts – in Paradoxon!
Kritik sollte immer zuerst bei einem selbst anfangen und ja, ich höre auch Deutschrap, der nicht immer politisch korrekt ist. Aufgewachsen mit Savas, Sido, Bushido, B-Tight (Yeah), habe ich früh gelernt, nicht jedes Wort dieser Vollidioten auf die Goldwaage zu legen. Es war auch eine Art Gruppenzwang. Auf einer Grundschule Ende der 90er, Anfang der 2000er in Kreuzberg 61 kam man schwer drum herum. Und mal ehrlich: Alle diese Rapper hatten und haben Talent. Und wer hat mit zehn Jahren schon auf die Texte geachtet? Dazu noch richtig gute Produzent*innen, eine gute Vermarktung und ein gutes Management. So läuft das Business.
Politik verändert alles
Als ich mich als Teenager politisierte, wurde mir klar, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Im Allgemeinen, wie auch speziell im Rap. Ich habe genauer hingehört und erschrocken festgestellt, dass die Musik, die ich geliebt habe mich, gehasst hat. Oder besser: Ich war und bin froh, dass es noch Amirap gab.
Besser spät als nie
Jetzt bin ich 29 und es wird Zeit mal auf die Kacke zu hauen. Kacke wie Ableism, Sexismus, Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Dreck. Rap oder Kunst darf vieles, aber eben nicht alles.
Vor ein paar Jahren habe ich Zeckenrap gepumpt. Ich war auf Konzerten von Pyro One, Sookee, Torkel T oder auchSpezial K . Ich bin sogar schon mal mit einem ausrangierten BVG-Bus ohne Toilette bei 35 Grad Celsius ohne Klimaanlage zu einem linken Hiphop-Festival nach Nürnberg gecruist. So sehr habe ich es gefeiert.
Es wurden keine Schlampen gefickt, keine Schwuchteln oder Spastis geslapped. Das große Manko bei so einer Musik ist genau das gleiche wie in der linksradikalen Szene: Es ist eine Szene, eine Bubble, ein Mikrokosmos. Es wird sich größtenteils abgeschottet. Der Rapper Weekend ist für mich eine echte Alternative. Er rappt gesellschaftskritisch, gibt jedoch auch Seitenhiebe in die eigene Bubble:
„In meiner Bubble seh’n alle gleich aus, scheiß drauf
Vollbart, Vans an und das Karohemd sieht nice aus.“
Aber als Fan will ich nicht nur Musik aus der Bubble, ich will Hiphop feiern können, ohne dabei ständig beleidigt zu werden!
Nachtrag: Im Artikel habe ich selber den behindertenfeindlichen Begriff „Vollidiot“ benutzt. Von dem Begriff distanziere ich mich. Auszug aus Wikipedia: „In der Medizin und Psychologie war „Idiotie“ als Diagnose bestimmter Formen geistiger Behinderung bis ins frühe 20. Jahrhundert gebräuchlich, ist aus der heutigen medizinischen Nomenklatur aber vollständig verschwunden.“ Sorry dafür.