Der 8. März steht bevor. Yeah!, sagen wir und meinen das heute sogar ernst. Wir sind dankbar für den Kampf, den Generationen von Feministinnen vor uns geführt haben. Dafür, dass wir wählen können, studieren können, keine Kinder austragen oder heiraten müssen, arbeiten können, obwohl wir es lieber ohne kapitalistische Zwänge tun würden – kurz an dieser Gesellschaft, so unfertig und mangelhaft sie noch immer ist, zumindest etwas mehr teilhaben können, als es viele Personen einige Generationen vor uns konnten. Wir freuen uns auf die Demos und Veranstaltungen, die anstehen, und darüber, dass auch im Mainstream mal ein paar mehr Menschen über Feminismus sprechen werden.
Das war allerdings nicht immer so: Lange Zeit unseres Lebens waren wir eher peinlich berührt von dem, was Feministinnen zu sagen hatten. Wir wollten Feministinnen sein, aber konnten es nicht. Verstanden haben wir das damals nicht.
Heute können wir es benennen: Lange fühlten wir uns nicht mitgemeint, obwohl wir für uns allein dieselben Kämpfe gegen Diskriminierung und Unterdrückung geführt haben. Lange fühlten wir uns von Feministinnen auf das vermeintliche „Frau“-Sein reduziert und ebenso fremdbestimmt wie von der patriarchalen Gesellschaft.
Wenn aber über körperliche Merkmale eine vermeintliche Gemeinschaft geschaffen wird, dann schließt das viele Menschen aus. Trans*-Frauen zum Beispiel. Die Parole „Vulva la Revolucion“ löst bei uns deshalb eher Brechreiz aus.
Daneben haben Zweite-Welle-Feministinnen wie Alice Schwarzer oft nur ein sehr bestimmtes Bild von „Frauen“ im Kopf: eine weiße, heterosexuelle, mittelständische, meist schlanke cis-Frau ohne Behinderung. Geschlecht ist für sie die einzige, vereinende Unterdrückungsform gegen alles vermeintlich „Andere“. Die Bösen sind dann wahlweise die „südländischen“, die „muslimischen“ oder andere Cis-Männer, die den Sexismus angeblich erst nach Deutschland importieren. Uns ist dieses Korsett von Frau-Sein nicht nur viel zu eng, es reproduziert auch Rassismus-, Trans*-, und Queerfeindlichkeit.
Migrantische Erzählungen, alleinerziehende arbeitslose Mütter, ostdeutsche „Frauen“-bilder, die auf westdeutsche Definitionen von Feminismus prallen, sexpositive Selbstermächtigung – all das fand und findet in den Diskussionen des Zweite-Welle-Feminismus kaum statt.
Dabei ist es doch einer der wichtigsten Bestandteile von Empowerment, zu merken, nicht allein mit dem ganzen Scheiß zu sein. Zu realisieren, dass andere Menschen, die gleichen Kack-Erfahrungen machen. Sich zu verbünden und daraus Kraft zu schöpfen.
Erst als der Feminismus begann, queer und intersektional zu werden, also auch Mehrfachdiskriminierungen mitbedacht wurden, haben wir gemerkt, dass wir alle gemeinsame Sache machen können. Um feministisch kämpfen zu können – also gegen Femizide und sexualisierte Gewalt, den Gender Pay Gap und Care Work Gap, Abtreibungsverbote oder zermürbende Diskriminierung im Alltag – braucht es keine Gebärmutter oder Vulva. Obwohl Menschen mit Gebärmutter und Vulva zum größten Teil von diesen zerstörerischen gesellschaftlichen Mechanismen betroffen sind. Sie sollten Sichtbarkeit und Stimme bekommen, aber nicht auf das Betroffensein reduziert werden.
Und Feminismus, oder besser die Feminismen, hören da für uns nicht auf: Wir kämpfen für eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Gehalt, Klimagerechtigkeit, Barrierefreiheit und vieles mehr.
Bis heute löst ziemlich viel von dem, was am 8. März passiert, was auf den Demos und Veranstaltungen gesagt wird, Unbehagen in uns aus. Feministische Kämpfe sind für uns keine „Frauenkämpfe“.
Der 8. März hat für uns nicht so viel mit „Frau“sein zu tun, sondern viel mehr mit Feminismus, und zwar intersektionalem Feminismus. Wir feiern Femmes und Butches, Girlfags und Guydykes gleichermaßen – und vor allen müssen wir nicht als Frau gelesen werden, uns als Frau definieren – keine Frau sein, um am 8. März mitzukämpfen.
Gerade weil Queerfeminismus viel mehr Menschen mit einschließt, holt diese feministische Bewegung auch viel mehr Menschen ab. Deswegen ist der 8. März wieder ein zentraler Tag des feministischen Kampfes und Feminismus überhaupt zu einer Massenbewegung geworden.
Der Text erschien zuerst beim nd.