Manchmal tanzt ihr während des Auflegens in der Crowd mit, »um DJing zu entmystifizieren«, wie ihr das nennt. Was ist denn der Mythos am DJing?
Cäcilia: Wenn wir mit der Crowd tanzen, versuchen wir, uns ansprechbar oder verfügbar für Fragen und Anliegen zu machen. Der Mythos speist sich aus Vielem, was das Auflegen oder DJing umgibt. Die Technik, das Auftreten oder auch die Anordnung von Tanzfläche und DJ im Clubraum.
Das ist jetzt noch etwas abstrakt. Wie genau brecht ihr das dann auf?
Tobi: Zum Beispiel legen wir nicht mit dem heute in der Clubszene standardisierten DJ-Player auf, der viel Geld kostet und erst einmal sehr groß und unübersichtlich ist. Wir legen mit unserem Laptop und viel kleineren, übersichtlicheren Controllern auf. Weil wir glauben, so gibt es eher die Vorstellung bei Leuten, ich könnte jetzt auch meinen Laptop aufklappen und Musik anmachen. Oder dass wir auch mal lächeln, wenn ein Fehler beim nächsten Übergang passiert.
Cäcilia: Aber es ist nicht nur die Technik. Der*die DJ ist die Person, die die Musik bereitstellt, aber als solche relativ unnahbar oder unzugänglich erscheint. In einem großen Club ist es natürlich etwas anderes als in einem Jugendzentrum. Aber erst mal ist da ein Raum, in dem ich als Tanzende eigentlich nicht hinter dieses DJ-Pult gehen kann. Zudem entsteht der Mythos auch durch die Raumordnung. Dadurch dass viele Menschen eben beim Tanzen diese eine Person angucken.
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Meistens tanzen ja alle so zum Pult hin, statt im Kreis mit Freund*innen bei Elektromusik.
Cäcilia: Genau, die Blicklinien treffen sich am DJ-Pult. Man könnte auch sagen, es gibt so eine Blickhierarchie. Es gibt diese eine Person, die an diesem Abend die Kontrolle hat, über das, was gespielt wird. Damit gehen Raumpolitiken einher, oder musikalische Politiken.
Ist es dann gleichzeitig auch eine Kritik von euch an anderen DJs, die eben so was nicht mitbedenken?
Cäcilia: Abgrenzungen in diesem Sinne sind nicht so unser Ding. Wir versuchen einfach Räume zu schaffen, die wir gerne gehabt hätten oder die wir uns wünschen. Und das ist ja auch die Möglichkeit, die wir haben, wenn wir eingeladen sind, aufzulegen und ein DJ-Set, eine bestimmte Zeit und einen bestimmen Raum zu gestalten.
Ihr habt das ja anscheinend alles theoretisch ganz schön durchdacht. Wie seid ihr zum DJing gekommen?
Cäcilia: Weil immer wieder Freund*innen gesagt haben : ‚Traut euch doch.‘ Eine gemeinsame Freundin hat ihren Abschied gefeiert und wir sollten spielen, so ist das erste Set entstanden. Außerdem wurde in der Zeit, in der wir in Hildesheim studiert haben, sehr viel Musik, die an Techno und House erinnert, gespielt. Ich habe mir gewünscht, dass es noch andere musikalische Räume gibt.
Tobi: Ein weiterer wichtiger Moment war, als wir das zweite Mal aufgelegt haben bei »hi*queer«, einer queer-feministischen Initiative, die Veranstaltungen macht, die sich kritisch mit Machtverhältnissen auseinandersetzen. Da haben wir den Opener für Sarah Farina gespielt. Und Sarah Farina, die sehr viel Erfahrung hat, hat uns danach Feedback und Tipps gegeben. Sie hat uns einfach ernst genommen, als wir uns selber noch nicht ernst genommen haben.
Und an welchen Orten oder Locations legt ihr am liebsten auf?
Tobi: Wir kommen beide eher aus dem ländlichen Raum und deswegen legen wir auch sehr gerne in mittelgroßen oder kleineren Städten auf, meist angebunden an queer-feministische Initiativen.
Cäcilia: Es ist uns ein Anliegen, Clubkultur dezentral und solidarisch zu denken, so wie Kollektive wie »Oramics«, »trouble in paradise« oder wir mit unserem Kollektiv »soft spot« es tun. Deswegen freuen wir uns, in mittelgroßen Städte aufzulegen und zu merken, hier wird jetzt gerade in Kooperation mit dieser Initiative ein Raum geschaffen, der vielleicht so noch nicht da oder etabliert ist. In mittelgroßen Städten gibt es vielleicht eine andere Offenheit als etwa in Berlin.
Die Leute in Berlin sind vielleicht blasiert durch das große Angebot, oder?
Cäcilia: Ja vielleicht. Wir haben diese Erfahrung gemacht. Die Tanzfreude und die Lust daran, zu feiern, ist in kleineren Städten eine andere als in Großstädten. Die Nähe ist eine andere, sowohl in queeren Kontexten als auch in kleineren Städten.