Tiny Houses, in denen Menschen auf wenigen Quadratmetern leben, sind voll angesagt. Fans der Minihäuser reduzieren ihre Besitztümer auf ein Mindestmaß, stopfen das Restliche in eine rollende Behausung und ziehen damit ins Grüne oder an den Stadtrand. Aber Tiny Houses sind ein Trend, der nichts wirklich besser macht. Hinter der scheinbar neuen Idee steckt kaum Innovatives.
„Tiny House“ heißt erst einmal kleines Haus. Auf wenig Platz ist die gesamte Inneneinrichtung einer Wohnstätte untergebracht. Küche, Bad, Schlaf- und Essbereich befinden sich auf maximal 50 Quadratmetern. Von außen sind die Häuschen meist mit Holz verkleidet. Man könnte auch sagen, ein Tiny House ist eine zusammengestauchte Wohnung, bewegbar auf fahrbarem Untersatz. Dadurch lässt sich die Hütte überallhin transportieren, was durch viele gesetzliche Auflagen recht kompliziert ist.
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Die kleinen Häuser, teils gekauft, teils selbst gebaut, sind als Trend aus den USA nach Deutschland geschwappt. Die Besitzer*innen feiern ihre Behausung und den minimalistischen Lebensstil auf dem Land ab. Auf Ebay Kleinanzeigen verkaufen Leute alte Bauwägen, Zirkuswägen oder Mobilheime von Campingplätzen als Tiny House. Familien suchen per Annonce Stellplätze und Gleichgesinnte als neue Nachbar*innen.
Aber mit den Häuschen ist auch keine Revolution zu machen. Gegen Tiny Houses sprechen so einige Argumente.
Die DIY-Kultur kam schon längst drauf
Dass Menschen auch in Deutschland in fahrbaren ausgebauten Untersätzen leben, ist nicht neu. Seit Langem bauen Linke im Sinne der Do-It-Yourself-Idee Bauwägen aus, mit denen sie auf Wagenplätzen wohnen. Dafür brauchen sie kein Hochglanzlabel. Und oft finden die Stadt oder Nachbar*innen Wagenplätze nicht so toll, sodass sie von Räumung bedroht sind. Wägler*innen müssen sich ihren Wohnort hart erkämpfen. Tiny Houses dagegen kommen als die bürgerliche, saubere Variante daher, bei der sich Menschen, meist weiß und unpolitisch, ohne große Diskussionen einen Stellplatz mieten und sich niederlassen können.
Minimalismus ist ein Privileg
Menschen, die sich Tiny Houses bauen, finden oft einen minmalistischen Lebensstil gut, also den Trend, seine Habseligkeiten zu reduzieren. Nur zu besitzen, was man wirklich braucht. Vielleicht ist es gut, dass der Gedanke von Konsumkritik für mehr Leute attraktiv wird. Dass Verzicht nicht mehr als selbstauferlegte Last der Linken oder Ökos gesehen wird, sondern als eine Alternative zu dem Anhäufen von immer mehr Besitztümern. Aber Minimalismus leben zu wollen, ist ein Privileg. Wenig besitzen zu wollen, weil man vorher so viel hatte, können nur die, die eben mal viel hatten. Wer immer auf eine größere Wohnung sparen musste, auf eine Couch, auf einen Laptop, der*die wird das weniger-Besitzen nicht zum Lifestyle erheben. Und für Menschen mit meist viel Geld und viel Bildung ist der minimalistische Ansatz zum Prestige geworden (ich brauche nichts, außer meinem Macbook, meiner Kreditkarte, meiner Bambusfutonmatratze). Für Menschen mit weniger Geld und weniger Chancen sind vielleicht eher ein Haus oder Markenklamotten Statussymbole.
Außerdem: Trailer Parks in den USA feiert niemand ab. Seit den 1930ern wohnen Menschen mit wenig Geld in den Siedlungen aus Wohnwägen oder Mobilheimen. Deren Bewohner*innen werden auch in Deutschland abfällig „White Trash“ genannt und gelten als das stereotype Bild der Armut in den USA. Würden Menschen hierzulande, die auf Hartz IV angewiesen sind, sich in bester Lage ein Dorf mit fahrbaren Häuschen errichten, würden Anwohner*innen da wahrscheinlich auch nicht jubeln.
Keine Lösung gegen Wohnungsnot
Tiny-House-Besitzer*innen sehen ihren Lifestyle als Alternative zum teuren Leben in der Stadt, wo sie mit ihren vielen Habseligkeiten viel Miete zahlen. Die Luxushütten sind zwar billiger als Häuser oder Eigentumswohnungen. Aber Wohnungsnot lösen sie nicht. Sie sind keine wahre Alternative zu Wohnungsbau und sozialerer Vermietung in Städten. Nicht alle wollen oder können auf Wiesen im Umland oder in Gärten ziehen, ewig zum Arbeitsplatz in die Stadt pendeln und den Kindern den Schulweg verlängern. Und für die 20.000 bis 80.000 Euro, die so ein Tiny House kostet, bekommt nicht jede*r einen Kredit bei der Bank oder hat Ersparnisse.
Nur für mobile, gesunde Menschen
Schaut man in ein Tiny House hinein, mit dem Schlafbereich, der über eine Leiter zugänglich ist, den oft mehreren Stufen von Haus zu Rasen, und den engen Gängen, wird schnell klar: Man muss gesund sein, um sich darin gut bewegen zu können. Ein Rollstuhl etwa, oder jemand, der*die sich nicht so gut fortbewegen kann, hat keinen Platz in der trendigen Behausung.
Der Umwelt bringt es nichts
So ein Häuschen mag weniger Materialien verbrauchen als ein großer Betonneubau. Oder weniger Energie verbrauchen als eine Wohnung mit kaum benutzten Zimmern. Aber für Tiny Houses, deren Besitzer*innen mehr in der Natur leben wollen, müssen genauso Wasser-, Strom- und Abgasleitungen gelegt werden. Dort, wo die Natur vorher in Ruhe gelassen wurde, laufen nun Rohre entlang.
Vielleicht wäre es umweltfreundlicher und gemeinschaftsfördernder, alte Gehöfte und Häuser in Bundesländern wie Brandenburg oder Sachsen-Anhalt zu kaufen und nachhaltig zu renovieren. Da braucht man kein schlechtes Gewissen mit all dem Platz zu haben. Und das Naturerlebnis gibt es auch. Ganz ohne Trendfaktor.