Im Zuge der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie haben nicht nur kommerzielle Geschäfte und Clubs geschlossen, auch linke und autonome Zentren haben weitgehend ihre Türen zu gemacht. Viele konservative Politiker*innen fordern eine Schließung autonomer Zentren auch ohne Krise. Dabei sind diese Zentren wichtiger, als Konservative sich eingestehen wollen.
Linke Veranstaltungskalender wie die Hamburger Plattform Bewegungsmelder.org sehen aktuell anders aus als noch Anfang des Jahres. Die Website listet weniger Veranstaltungen auf als normalerweise und die, die angegeben sind, sind mit roten Buchstaben überschrieben: Abgesagt. Ein Nebeneffekt der Krise, der dem ein oder anderen vermutlich ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Ob Peter Tauber, Thomas de Maizière oder Armin Schuster (alle CDU): Mit der temporären Schließung von autonomen Zentren werden konservative Träume wahr. Schließlich haben all diese CDU-Männer schon einmal öffentlich gefordert, alternative Räume dichtzumachen.
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So bezeichnete zum Beispiel CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt 2018 sowohl die Rote Flora als auch die Rigaer Straße als “linke Propagandahöhlen”, welche “Bürger am Rechtsstaat zweifeln lassen” würden. Jedoch nicht nur die Politik, auch Investor*innen und anderen, die Interesse an der Aufwertung bestimmter Wohnviertel haben, sind emanzipatorische Räume, die zum Beispiel optisch nicht in ein gentrifiziertes Stadtbild passen, ein Dorn im Auge.
Ein aktuelles Beispiel hierfür findet sich in Hamburg: Das als Dauerkundgebung angemeldete Protestzelt der Gruppe Lampedusa in Hamburg, welches bereits seit 2013 einen wichtigen, öffentlichen Ort für den Kampf der Gruppe darstellt, wurde im Zuge der Einschränkungen der Versammlungsfreiheit Ende März geräumt. Als die Stadt der Gruppe durch die Räumung sowohl Obdach, als auch einen Ort der Solidarität raubte, meldete sich nur kurze Zeit später die Interessensgemeinschaft Steindamm zu Wort, die sich im Viertel unter anderem für “die Verbesserung des Images durch Pressearbeit” engagiert. “Liebe Nachbarn, wir atmen auf, so brutal sich das anhört. Das Lampedusa-Zelt ist weg.”, schreiben sie auf ihrer Website. In einer Auflistung von Gründen, warum das Zelt den Frieden im Viertel störte, bringen sie zum Beispiel folgendes an: “Die Unternehmen litten während der Wintermonate darunter, dass die Zeltbesucher sich in den Geschäften aufhielten um sich offensichtlich aufzuwärmen”. Solidarität sieht anders aus.
Diese Räume schaffen Angebote, an denen es von staatlicher Seite aus mangelt
Unter der Schließung emanzipatorischer Räume, wie der des Protestzelts von Lampedusa oder anderer autonomer Zentren jedoch leiden in der Regel weder die Leute, die besonders viel mit CSU-Politiker Alexander Dobrindt gemeinsam haben, noch diejenigen, denen die Image-Verbesserung ihres Viertels etwas bringen würde, im Gegenteil. Linke Räume fangen zum Beispiel die Menschen auf, die vom Staat strukturell benachteiligt werden. Denn in den Räumen, an denen sich im Stadtbild gestört wird, passieren Tag für Tag Dinge, die für Menschen relevant und unverzichtbar sind. Diese Räume schaffen Angebote, an denen es von staatlicher Seite aus mangelt: Essensangebote gegen freiwillige Spende, kostenlose Deutschkurse und Safe-Spaces für People of Colour und queere Personen.
Viele Zentren haben bereits vor dem offiziellen Verbot für Veranstaltungen unter 1000 Menschen selbstständig Partys, Vorträge und Workshops abgesagt, um das Ansteckungsrisiko während der Coronakrise zu minimieren. Natürlich trifft dies eine Menge Projekte auch monetär: Viele politische Gruppen und Projekte, insbesondere diejenigen, die keinen Verein im Rücken haben, finanzieren sich durch Soli-Partys oder Getränkeverkäufe in ihren lokalen Zentren. All diese Einnahmen fallen nun weg. Auch viele Räume selbst können kaum auf Rücklagen zurückgreifen, haben aber jeden Monat hohe Fixkosten zu stemmen. Zwar können zumindest Vereine, je nach Bundesland, Soforthilfen bekommen, unabhängige Häuser jedoch müssen sehen, wo sie bleiben. Und auch das im Verhältnis zu beispielsweise hohen Mieten wenige Geld der Soforthilfen wird viele Projekte kaum über Wasser halten können. Wer finanziert Protest und politische Arbeit in Zeiten der Krise?
Wer finanziert Protest und politische Arbeit in Zeiten der Krise?
Gegen ein mögliches Projektsterben kämpfen zum Beispiel „Let’s Stay United“, die sich vor einigen Wochen zusammenschlossen und nun online Merchandise verkaufen. Als Merchandise-Motiv stellten verschiedene Hausprojekte, Musiker*innen und Festivals ihre Logos zur Verfügung. Der Erlös des Verkaufs geht an bedrohte Projekte, welche über die „Let’s Stay United“-Website Unterstützung beantragen können. Bevorzugt supported werden die Projekte, die am wenigsten finanzielle Mittel zum Decken ihrer Fixkosten zur Verfügung haben. Die Beteiligten der Soli-Aktion setzen auf eins: Solidarität.
Solidarität, die wir sowohl im weiteren Verlauf dieser Krise, als auch danach brauchen werden. Was die mögliche Schließung von AZs mit der Bewegung macht, wird sich nach der Krise zeigen. Was sich hingegen schon jetzt ganz deutlich abzeichnet, ist die Notwendigkeit dieser Räume. Denn während CDU-Politiker*innen, Investor*innen und die AfD-Wählerin von Nebenan hoffen mögen, dass das lokale autonome Jugendzentrum die Krise nicht übersteht, fehlen anderen Menschen schon jetzt Safe Spaces und warme Mahlzeiten.