Die Aktivistin und Trans-Frau Nina Jaros hört die Frage andauernd: „Was bedeutet Frausein für dich? Wie hast du bemerkt, dass du eine Frau bist“? Sie kann die Frage verstehen – nerven tut sie trotzdem. Und sie stellt Jaros unter Rechtfertigungszwang. „Was bei der Frage immer mitschwingt ist, dass die fragende Person mein Frausein in Frage stellt“, erzählt sie Supernova. Sie fand es nur logisch, das ganze mal umzudrehen. Auf Twitter gab sie die Frage an Cis-Frauen zurück. Von Frauen, die nicht trans sind – also seit der Geburt im weiblichen Geschlecht leben und sich da richtig fühlen – wollte sie wissen: „Was macht euch zur Frau?“
„Ich habe mich bewusst an die Menschen gewandt, die eben Uterus und co. haben und habe gefragt, was sie zur Frau macht. Die Antworten sind unglaublich vielfältig und es sind sehr viele echt interessante Gedankenanstöße dabei“, findet die zweifache Mutter und Urheberin einer Petition gegen HartzIV-bedingte Kinderarmut. Ihr Tweet rief innerhalb eines Tages über 200 Antworten hervor. Wir haben die spannendsten Antworten für euch zusammengestellt.
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Der Thread zeigt: Die meisten Cis-Frauen haben noch nie über ihr Frausein nachgdacht! Jaros‘ Tweet war für Viele der erste Anlass, sich überhaupt damit zu beschäftigen, was Weiblichkeit für sie bedeutet – und oft kamen sie zu keiner Antwort. Jaros hat mit ihrer simplen Frage ein Privileg von Cis-Frauen offen gelegt: Denn nur, wessen Identität vom Umfeld nie infrage gestellt wird, hat den Luxus, sich damit auch nicht weiter beschäftigen zu müssen. Jaros erlebt das ganz anders. Sie beschäftigt die Frage, was Frausein für sie bedeutet, seit ihrer Kindheit. „Ich hoffe, dass einige erkennen können, was es bedeutet, sich ständig mit dem eigenen Gender oder Geschlecht auseinander zu setzen“, sagt sie gegenüber Supernova.
Make-Up tragen oder nicht, schwanger werden oder nicht – all das kann Jaros sich nicht einfach so aussuchen. „Gehe ich ungeschmickt vor die Tür, nennen mich die Paketboten „Herr Jaros““, schreibt sie. Viele Frauen schreiben in ihren Kommentaren, ihre Gene, ihre Menstruation oder ihre Vagina machten sie zur Frau – oder ihre Fruchtbarkeit und die Fähigkeit, Kinder zu gebären. „Ich war etwas überrascht, wie viele Frauen sich über Genitalien und Fortpflanzung definieren“, erzählt Jaros. „Man könnte natürlich sagen, dass diese Definition automatisch zu einer Ausgrenzung von Trans vom Frausein bedeutet, aber ich habe nicht nach einer allgemeinen Definition gefragt, sondern zu einer Selbstbetrachtung eingeladen“. Jaros antwortet im Thread:
Und eine andere Nutzerin schreibt:
Eine weitere Cis-Frau antwortet, ihr Körper hätte noch nie richtig menstruiert und auch sie könne nicht schwanger werden – trotzdem sei sie eine Frau. Die Diskussion im Thread zeigt: Biologische Merkmale allein können nicht erklären, was Frausein ausmacht.
Einige Nutzerinnen haben andere Ideen, was es bedeutet, eine Frau zu sein:
Für einige Frauen im Thread scheint es allein die Gesellschaft zu sein, die sie zur Frau macht: Die Rolle, die ihnen von außen zugewiesen wird und die Diskriminierung, die sie erfahren. Etwa so, wie es die feministische Schrifstellerin Simone de Beauvoir schon 1949 schieb: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“.
Oft kommt der der Einwand, es sei doch eigentlich egal, was Frausein bedeutet, wir seien doch alle Menschen. Was die Nutzerinnen dabei nicht mitdenken: Trans-Frauen und Cis-Frauen machen sehr unterschiedliche Erfahrungen – und es ist wichtig, darüber zu sprechen. „Ich fühle mich einfach als Mensch“ ist vor allem für diejenigen leicht zu sagen, die ihre Weiblichkeit nicht ständig erklären, verteidigen, oder rechtfertigen müssen. Jaros antwortet:
Wenn Kleidung, Vorlieben oder Menstruation nicht erklären können, was Frausein bedeutet – was ist es dann? Jaros sagt: „Seit ich diese vielen Antworten bekommen habe, sehe ich mich als eine von sehr vielen, die keine klare Antwort hat“. Im Thread kommen Viele zu dem Schluss: „Ich fühle mich einfach so“. Und das gilt sowohl für Cis- als auch für Trans-Frauen gleichermaßen.