Teil der bitter nötigen Debatte um Rassismus und Rassismus-Prävention besteht für uns weiße Feminist*innen auch darin, den eigenen Feminismus und die eigenen Privilegien zu hinterfragen. Das verlangt radikale Selbstreflexion.
Der weiße Feminismus steht in der Kritik. Zurecht, denn er hat ein Inklusionsproblem. Primär geht es um die Probleme weißer, oftmals heterosexueller Frauen, mit Klassenprivilegien. Im Mittelpunkt steht die Gleichstellung der weißen Frau mit dem weißen Mann und nicht die aller Menschen. Somit werden die Bedürfnisse, Erfahrungen und Probleme insbesondere von Frauen ethnischer Minderheiten, nicht-heteronormativen und anderen marginalisierten Frauen, nicht berücksichtigt. Doch nur wenn wir weiße Feminist*innen unser weiß-Sein und damit verbundene Privilegien reflektieren, können sie unsere eigene Dominanz in der Frauen*rechtsbewegung erkennen. Dabei meint weiß nicht die tatsächliche Hautfarbe, sondern vielmehr die Privilegien, die weiß-Sein mit sich bringt, anderen wiederum verwehrt bleiben.
Die US-amerikanische Firma „The Wing“ bot jüngst ein Beispiel für solch einen weißen, eindimensionalen Feminismus. Das Unternehmen verkauft sich selbst als feministisch, nur Frauen dürfen Mitglied ihrer Community und der Co-Working-Spaces mit hohen Beitragsgebühren sein. Als „The Wing“ in Reaktion auf den Mord des Afro-Amerikaners George Floyd ein schwarzes Bild mit der gelben Aufschrift „Black Lives Matter“ auf Instagram postete, meldeten sich Women of Color zu Wort, die dort angestellt sind oder waren: Sie warfen dem Unternehmen zum wiederholten Male systemischen Rassismus vor und ein Arbeitsklima, das diesen befördere. Die Mitglieder des Netzwerkes wären überwiegend weiß, viele der Servicemitarbeiter*innen hingegen Women of Color, so die Kritik. Betroffene berichteten von Situationen, in denen sie wie Dienstmädchen behandelt wurden. „Weißer Feminismus glaubt, dass alle Probleme gelöst sind, weil ein Arbeitsplatz nur für Frauen geschaffen wurde“, äußerte sich eine Managerin von „The Wing“ auf dem feministischen Blog „Jezebel“. Schnittstellen der Unterdrückung von Schwarzen Kolleginnen und Women of Color im Unternehmen würden nicht anerkannt, es werde eine „Kultur der weißen Stille“ aufrechterhalten. Letztendlich werde das Unternehmen dem eigenen feministischen Anspruch nicht gerecht.
Ein weiteres Negativ-Beispiel veröffentliche kürzlich die Publizistin Alice Schwarzer. Sie schrieb Anfang Juni in der Zeitschrift „Emma“ über die Spannungen zwischen weißen und Schwarzen Amerikaner*innen. Bereits im ersten Satz des Artikels „Angst in Amerika“ positioniert Schwarzer die Angst der Weißen in den Mittelpunkt. Und trotz der herrschenden Polizeigewalt und Ermordungen afro-amerikanischer Menschen heißt es weiter: „Ja, dieses Volk hat Angst. […] Angst vor Rache. Angst vor den Schwarzen.“ Damit ignoriert Schwarzer nicht nur die alltägliche Gefahr, der People of Color (PoC) ausgesetzt sind, sondern impliziert, dass Schwarze Menschen nicht zum „Volk“ dazugehören. Nicht überraschen also, dass der selbst bezeichneten Feministin in der Vergangenheit schon häufiger Rassismus vorgeworfen wurde.
Bereits die Anfänge des modernen Feminismus zeigen die problematische Beschaffenheit des weißen Feminismus auf: Mitte des 19. Jahrhunderts begannen Frauen in vielen Ländern um das Wahlrecht zu kämpfen. An die Spitze der sogenannten Suffragetten-Bewegung stellten sich weiße Frauen, die jedoch nur für das Wahlrecht weißer Frauen kämpften. In der heutigen Geschichtserzählung sind nur wenige nicht-weiße Suffragetten bekannt. Women of Color der Bewegungen in Großbritannien und den USA wurden ausgegrenzt und rassistisch angefeindet.
Zumindest in der Theorie gibt es jedoch ein hilfreiches Tool für einen inklusiven Feminismus: Die Theorie der Intersektionalität. Noch bevor das Konzept in feministischen Kreisen zum Stichwort wurde, sprach die US-amerikanischen Literaturwissenschaftlerin und Feministin bell hooks in ihrem 1984 erschienen Buch „Feminist theory: from margin to center“ bereits über Rassismus und Sexismus als sich unterstützende und erhaltende Unterdrückungsformen. 1989 prägte die Juristin Kimberley Crenshaw dann den Begriff „Intersectionality“ (Intersektionalität). Er beschreibt die Überschneidungen (intersections) und Gleichzeitigkeit verschiedener Diskriminierungsformen, beispielsweise aufgrund von Geschlecht, race und Klasse. Was Feminist*innen mit weißen Privilegien daraus lernen können, ist, verschiedene Diskriminierungsformen mitzudenken und solidarisch zu handeln. Wir müssen uns gegen jegliche Form der Diskriminierung – nicht nur die aufgrund des Geschlechts – einsetzen.
Ein positives Beispiel lieferte jüngst die Komikerin und Feministin Carolin Kebekus. In ihrer Show am 4. Juni kritisierte sie die ARD, noch keinen Brennpunkt zum Thema Rassismus gemacht zu haben. Danach übergab sie das Mikrofon der afrodeutschen Moderatorin Shary Reeves, die mit Hilfe von anderen bekannten PoC über ihre Alltagserfahrungen mit Rassismus in Deutschland aufmerksam machten. Weiße Feministinnen, die ihre Privilegien solidarisch nutzen, wir brauchen mehr davon!