Wo sich früher gigantische Stahlmonster durch die Landschaft baggerten, wird am Wochenende eine bunte Parallelwelt entstehen. Im ehemaligen Tagebau Golpa-Nord in Sachsen-Anhalt, besser bekannt als Ferropolis, findet ab Freitag das Whole-Festival statt. Die Veranstalter*innen sprechen vom „ersten queeren, elektronischen Camping-Festival der Welt“. Das Ziel: Ein Ort schaffen, an dem queere Menschen für drei Tage entspannt und ohne Diskriminierung feiern können.
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„Es ist ziemlich überraschend, dass so etwas wie das Whole-Festival nicht schon vorher existiert hat“, meint Giovanni Turco, einer der Organisator*innen. „Ein Festival, wo queere Menschen in der Natur tanzen und sich vernetzen können, war mehr als überfällig“. Zum dritten Mal findet die Megaparty statt – seit letztem Jahr in der futuristischen „Stadt aus Stahl“, wo auch regelmäßig Konzerte und Festivals wie das Melt und Splash stattfinden.

Doch warum braucht es überhaupt ein weiteres Festival? „Andere Festivals sind vor allem für ein weißes, heterosexuelles cis-Publikum“, meint Turco. „Wer will schon irgendwo hinfahren, wo man verspottet oder sogar dafür angegriffen wird, wie und was man ist?“ Das Whole-Festival soll anders sein: Ein Ort von der Szene für die Szene. Ein Ort für diejenigen, die durch den Rest der Gesellschaft marginalisiert werden. Ein Ort für alle Geschlechter.
28 queere Kollektive aus der ganzen Welt organisieren das Festival, die meisten kommen aus Berlin. Für ein Wochenende ziehen Partys wie Buttons, Trashera, CockTail d’Amore und Pornceptual aus den dunkeln Bunkern, Kellern und Fabriken der Partyhauptstadt in die sachsen-anhaltinische Provinz. Neben Berliner Partys sind in diesem Jahr auch Kollektive aus London, Mexiko Stadt, New York, Tiflis, Lissabon, Amsterdam und Moskau an Bord. Für die Organisator*innen soll das Festival auch ein internationaler Treffpunkt der alternativen queeren Szene werden.
Ein Festival auf die Beine zu stellen, ist kein Spaziergang, betonen die Organisator*innen, vor allem, wenn große Sponsoren oder Investor*innen fehlen. Das Whole-Festival ist auf die Mitarbeit von Freiwilligen und die Solidarität der Teilnehmer*innen angewiesen. Während im letzten Jahr noch externes Sicherheitspersonal eingestellt werden musste, wurden in diesem Jahr Menschen aus der Community gefunden.
Doch was ist genau geplant? Auf mehreren Bühne spielen internationale DJs wie Black Madonna, Discodromo, Jennifer Cardini und Deepneue. Die einzelnen Acts werden nicht von den Veranstalter*innen, sondern von den einzelnen Partykollektiven gebucht. Dadurch wird das Line-Up vielfältiger, betonen die Organisator*innen.

Neben elektronischer Musik treten Künstler*innen wie der US-Rapper Mister Wallace und der Berliner Opernsänger Ludwig Obst auf. Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Kunstinstallationen und Workshops begleiten das musikalische Programm. Performer*innen wie die australische Dragqueen Olympia Bukkakis sind ebenfalls im Programm.
Auch in der Berliner Partyszene geben weiße, schwule cis-Männer nach wie vor den Ton an. Wie soll das auf dem Whole-Festival anders werden? Turco sagt: „Wir haben Kollektive eingeladen, die das gesamte queere Spektrum abbilden: Frauen, Trans*, People of Color.“ Frauen und Trans*-Kollektive wie Room4Resitance, noshade und ¡MASH-UP! werden eigene Bühnen bespielen. 80 Prozent der Headliner werden Frauen* sein. Mit der US-amerikanischen DJ Black Madonna spielt eine Künstler*in, die mehrmals als bester Live-Act ausgezeichnet wurde und als Vorkämpferin für Feminismus in der Clubszene gilt. Das Berliner Kollektiv Trhans wird auf dem Festival einen Rückzugsort für trans* und non-binäre Menschen einrichten. Außerdem wird es ein Awareness-Team geben, das bei Übergriffen einschreiten kann.
Das es um mehr als um das Feiern geht, zeigt auch der Festival-Trailer: Zwischen der dystopischen Szenerie von Ferropolis tanzen und voguen fünf Tänzer*innen. Zwischen die Sequenzen werden historische Ereignisse wie die Gründung des Bauhauses, die Ermordung von Rosa Luxemburg und die Stonewall-Ausschreitungen eingeblendet. Politik und Party sollen auf dem Whole-Festival zusammen gedacht werden, erklärt Jacob Meehan, Mitorganisator und DJ. „In Zeiten, in denen rechter Extremismus immer stärker wird und queere Menschen zunehmend Gefahr laufen, ist es notwendig, sich zu positionieren – auch auf Partys.“ In diesem Sinne: Rave on!


