Melanie Lueft (26) hat mit »Sexism is a bitch« einen Film über und mit Frauen im Hiphop gemacht: Sprayerin SYME, Moderatorin Helen Fares, DJ Josi Miller, Rapperin Antifuchs, Bookerin Anja Jadryschnikowa und die Tänzerin Nicole Adriana erzählen von Rollenbildern, persönlichen Grenzen beim Musikgeschmack und ihren Erfahrungen als Frau in der Szene. Über Rap auf dem Dorf, Feminismen und Line-Ups mit der Regisseurin sprach Lea Schönborn.
Wieso hast du diesen Film gemacht?
Da sind zwei Sachen zusammen gekommen. Ich musste meine Bachelorarbeit machen, habe Kommunikationsdesign studiert. Und in der selben Zeit habe ich in einem Hiphop Magazin über eine Frau gelesen, die auf einem Festival sexuell belästigt wurde. Ich habe dann herausbekommen, dass das Helen Fares war. Die hat das Open Air Frauenfeld moderiert. Ich mag Hiphop sehr gerne, mag aber auch gerne diese Kontroversen aufzeigen. Also habe ich Helen angeschrieben, habe ihr alles erklärt und sie war direkt dabei.
Du wolltest ja bewusst alle Bereiche des Hiphops abdecken: Graffitisprayerin, Tänzerin, DJ, Rapperin. Hast du auch überlegt, wen du genau ansprichst, weil ja jede Frau eine andere Geschichte erzählen würde?
Ich hatte ein paar Frauen auf der Liste stehen und musste natürlich gucken, wie ich an die herankomme. Antifuchs fand ich zum Beispiel spannend, weil sie eine Maske trägt und auch wegen der Art und Weise, wie sie rappt. Sie hat einen Track, der heißt »Wie ein Mann«. In einem anderen Track heißt es »Wenn ich rappe, sind sie leise.« Sie nimmt sich ihren Raum einfach.
Was hat dich während des Filmdrehs überrascht?
Für mich war es insgesamt ein sehr krasser Prozess. Ich hatte mich davor nicht so intensiv mit Feminismus und Sexismus beschäftigt, hatte das Gefühl, davon nicht so stark betroffen zu sein. Und erst beim Drehen sind mir viele Sachen bewusst geworden. Zum Beispiel wurde ich mit der Meinung konfrontiert, dass, wenn eine Frau Bock hat, sich sehr sexy anzuziehen, ist das auch okay. Es sollte doch Teil von Feminismus sein, dass man das akzeptiert und sie nicht in eine Schublade steckt.
Inwiefern ist das feministisch, sich körperbetont anzuziehen?
Zu seinem Körper und bestimmten Verhaltensweisen stehen. Wenn eine Tänzerin sich da leicht bekleidet hinstellt, hat sie da vielleicht einfach Bock drauf und möchte sich so darstellen oder sie möchte einfach Geld verdienen. Und das ist dann auch okay für sie.
Als SXTN letztes Jahr auf der Fusion gespielt haben, hat das auf jeden Fall eine Debatte ausgelöst, inwiefern sie links oder feministisch genug sind.
Ja, da gibt es natürlich geteilte Meinungen. Ich finde, jede soll das machen, wie sie es für richtig hält. Und klar gibt es dann welche, die sagen, das ist jetzt nicht die korrekte Art und Weise, wie man feministisch ist. Die Beiden haben sich auch nicht hingestellt und gesagt: Wir sind Feministinnen. (Anm. d. Red. Jede der beiden ist jetzt als Solokünstlerin unterwegs. Nura engagiert sich vor allem für die Queere-Szene). Ihr Feminismus war eher unbewusst, einfach dadurch, dass die auf der Bühne stehen und Präsenz zeigen.
Mir ist aufgefallen, dass eigentlich alle Frauen im Film das generische Maskulinum verwenden. Wieso?
Das liegt zum Teil an den englischen Wörtern. Du würdest ja nicht sagen, du bist Writerin. Aber eigentlich ist es schon erst einmal wichtig zu sagen: Hey, ich bin eine Rapperin. Dann merken die Leute, dass es auch Frauen gibt, die das machen.
Du hörst auch privat Hiphop. Mehr männliche oder weibliche Rapper*innen?
Ich muss ehrlich sagen, das waren schon mehr Männer. Ich hatte früher mal diese Aggro Berlin Phase, aber nur kurz. Ich komme aus einem kleinem Dorf. Und da wurde man ein bisschen verspottet dafür, dass man so etwas gehört hat.
Weil es nicht so reingepasst hat in die Dorfidylle?
Ja, schon. Irgendwann kam dann diese neue Welle mit Cro, Casper und Prinz Pi.
Ein bisschen softer?
Ja, und da konnte man sich in dem Alter dann einfach mehr mit identifizieren. Und jetzt fällt mir erst auf, dass das alles Männer waren, die ich gehört habe. Man hört einfach die, die da sind. Es gab viel weniger Frauen, die Aufmerksamkeit hatten. Jetzt gerade bemerke ich voll die Bewegung, habe das Gefühl, dass immer mehr Frauen in die Szene drängen. Aber ich habe jetzt natürlich auch einen anderen Blick, weil ich nach Frauen suche.
Antifuchs meint im Film, dass man sich einfach dran gewöhnen müsse, dass eine Frauenstimme auf einen Beat gepackt wird. Stimmt das?
Letztes Jahr auf dem Splash-Festival habe ich »Sexism Is A Bitch« Sticker verteilt und mit Besuchern diskutiert. In einer Kloschlange habe ich mit einer gequatscht, die meinte: Sie könne sich diese Frauenstimmen nicht anhören, aber Antifuchs fände sie cool. Und ich war so, okay. Die hatte was gegen den Klang der weiblichen Stimme auf einem Rapbeat. Ich glaube, aber, dass das vor allem Gewohnheitssache ist.
Müssen Frauen denn typisch männliche Rollenbilder kopieren, um erfolgreich zu sein?
Man muss auf jeden Fall stark sein, um sich durchzuboxen und nicht unterzugehen. Dadurch hat man eher härtere Wesenszüge. Du bekommst halt zehn blöde Sprüche reingedrückt und musst trotzdem weitermachen. Ich würde nicht sagen, dass man da männliche Rollenbilder nachahmt, weil wer sagt eigentlich, dass diese Wesenszüge allein männlich sind?
Werden Frauen im Hiphop immer anders angeguckt?
Wenn man rappt, hat man halt immer noch dieses Alleinstellungsmerkmal. Aber wenn man als Frau jetzt zum Beispiel sprüht, geht es im Endeffekt nur darum, wie das Graffiti aussieht. Und bei einem Graffiti an der Wand hast du keine Ahnung, ob das Mann oder Frau gemacht hat.
Im März fand die Premiere im Yaam in Berlin statt. Wie war das für dich, dein Projekt da auf der Bühne zu sehen?
Ich hatte sehr viel Respekt davor, so ein Event in Berlin zu machen und man weiß ja nie, kommt das gut an, kommen da viele Leute, wird das cool werden? Und dann war aber trotzdem die Halle voll. Es war halt auch eine schöne Energie, den Film zu haben und das dann noch durch ein Konzert zu ergänzen. Und dann macht man zusammen Party und merkt, jetzt stehen auch wieder nur Frauen auf der Bühne und die haben es alle drauf. Es gibt auch einen weiblichen Hip Hop!
Was meinst du denn mit weiblichen Hiphop?
Man denkt ja immer, Hiphop ist so männerdominiert, aber du kannst auch ein Event machen und auf der Bühne stehen ausschließlich Frauen.
Würdest du heute noch Aggro Berlin hören?
Es ist ja irgendwie auch Kunst. Ab und zu höre ich das schon mal, aber ist jetzt nicht etwas, das ich mir jeden Tag reinziehe. Bei Aggro Berlin wurde die Provokation aber auch bewusst als Stilmittel benutzt und hat damit für die ganze Szene eine neue Art von Musik ermöglicht.
Trennst du da Privatperson von der Öffentlichen?
Es geht einfach darum, nicht kopflos zu konsumieren. Und klar ist Hiphop auch irgendwo einfach Unterhaltung. Aber man sollte Musik bewusst konsumieren und drüber nachdenken, was und wen man da anhört.
Ist Hiphop von sich aus sexistisch?
Hiphop ist doch eine Spiegelung der Gesellschaft. Und deswegen findet Sexismus so wie in den meisten Teilen der Gesellschaft statt. In der Entstehungszeit von Hiphop gab es auch noch eine strengere Rollenverteilung. Bei der ersten richtigen Hiphop-Party vor 45 Jahren kamen die Frauen auch günstiger rein. Das ist ja auch sexistisch. Ist ein paar Jährchen her, aber leider immer noch in der Gesellschaft verankert.
Sollte sich dann nicht langsam mal was ändern?
Die Gesellschaft ist immer noch sexistisch. Aber es gibt auch Untergruppen im Hiphop, politisch korrekten Rap. Um jetzt ein paar Frauen zu droppen: Haszcara und Alice Dee & Leila A. zum Beispiel.
Die große Frage ist ja, wie man das ändern kann. Antifuchs meint im Film: »Mach doch einfach, nimm dir deinen Raum.«
Für manche Frauen ist es schwieriger, sich diesen Raum zu nehmen. Viele Frauen sind auch damit aufgewachsen, sich selbst zurückzunehmen. Deswegen ist es auch wichtig, dass manche Frauen dafür kämpfen und Vorbilder sind. Und die Vorbilder können Frauen sein, die rappen, aber auch Frauen, die auf Demos gehen. Es gibt aber genug Frauen in der Szene, die meinen, sie hätten nie Probleme mit Sexismus gehabt. Für mich war das ja auch lange kein Thema. Aber als ich angefangen hab, mich damit zu beschäftigen, sind mir immer mehr Sachen aufgefallen, vor allem auf struktureller Ebene.
Der Film »Sexism is a bitch« wird am 9. September um 20 Uhr im Hofkino Berlin gezeigt. Eingebettet wird das Screening durch eine Tanzperformance von Nicole Adriana und einer Fragerunde mit Rapperin Antifuchs, Sprayerin SYME und Regisseurin Melanie Lueft.